Managerin im Auftrag des Herrn
Autor: Ramona Popp
Vierzehnheiligen, Montag, 11. März 2013
Schwester Regina Pröls steht seit einem Jahr an der Spitze der Franziskusschwestern. Der Bereich, für den sie Verantwortung trägt, geht weit über Vierzehnheiligen hinaus. Wir sprachen mit ihr über Aufgaben und Klosteralltag.
Ich ahne, dass ich schon bei der Terminvereinbarung einen Fehler gemacht habe, als ich am Telefon nach Frau Pröls verlangte. Die Bestätigung, dass unser Gespräch wie vereinbart stattfinden kann, kommt dann per E-Mail, abgeschickt lange nach den üblichen Büroschlusszeiten, gezeichnet "Sr. Regina". Darunter die offizielle Signatur des elektronischen Schreibens: Generaloberin Schwester M. Regina Pröls. Vor einem Jahr wurde sie vom Generalkapitel der Franziskusschwestern in Vierzehnheiligen zur Generaloberin gewählt. Sie steht damit 165 Mitschwestern vor, sie ist Aufsichtsratsvorsitzende eines Altenpflegezen trums und des Waldkrankenhauses Erlangen, außerdem Dienstvorgesetzte der Leiter dieser und weiterer Einrichtungen unter Trägerschaft des Ordens.
Sie ist die Chefin aller Standorte in Deutschland, Peru, Indien und Kroatien. Wie eine Managerin ist sie auch regelmäßig persönlich vor Ort.
Gutes Stichwort. Ein Benediktinermönch wird Bestseller-Autor und nimmt an Fernseh-Talkrunden teil. Franziskanerpater Christoph Kreitmeir aus Vierzehnheiligen wird als Ratgeber und Referent geschätzt, hat gerade wieder ein Buch he rausgegeben - "an der Schnittstelle zwischen Spiritualität, Psychotherapie und Lebenshilfe", wie es beschrieben wird.
Faszination Spiritualität
Vertreter des klösterlichen Lebens üben einerseits eine große Faszination aus, andererseits können sich nur wenige Menschen ein solches Leben vorstellen, weder für sich selbst, noch wie der Alltag dort ist. Ihre Vorstellungen sind mit Klischees behaftet, vielleicht sogar mit Vorurteilen. Strenge Regeln und Hierarchien stellt man sich vor, als müsste man Persönlichkeit und Freiheit an der Pforte abgeben. Dagegen empfinden es viele Zeitgenossen als sehr befreiend und bereichernd, einmal "Kloster auf Zeit" zu erleben, wie es auch in Vierzehnheiligen möglich ist. "Ich erlebe viel Respekt und eine gewisse Neugier, weil wir anders sind", beschreibt Schwester Regina Begegnungen "draußen".
Vor 20 Jahren meint sie ein größeres "diskriminierendes Element" beobachtet zu haben. Abfällige Zurufe auf der Straße zum Beispiel gegenüber einer Frau in Ordenstracht. Heute spürten viele eine tiefe Sehnsucht nach Spiritualität, seien auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Deshalb ist Schwester Regina überzeugt, dass das Leben im Kloster auch heutzutage für den ein oder anderen jungen Menschen ein möglicher Lebensentwurf sein kann. Es sei bekannt, dass junge Leute sich nach Bindung und Anteilnahme sehnen, dazugehören möchten, sagt sie. "Viele Jugendliche erleben sehr selten Gemeinschaft. Da haben wir das volle Gegenprogramm!" Es liegt ihr am Herzen, in ihrer Amtszeit, die auf sechs Jahre, bei einer Wiederwahl höchstens auf zwölf Jahre ausgelegt ist, Anreize für junge Frauen zu einem Leben in dieser Gemeinschaft zu geben. Wohl wissend um deren Altersstruktur gerade in Deutschland, wo die Mitschwestern überwiegend älter sind, und wohl wissend, dass sich diese Gemeinschaft zahlenmäßig reduziert. Diesen Prozess wolle sie "voller Lebendigkeit gestalten", betont die 50-Jährige, das dürfe kein Trauerprozess werden.
Ich frage nach dem Klosteralltag. Sie skizziert kurz den Ablauf vom ersten Morgengebet um 6.40 Uhr über Meditationszeit, Büroarbeit und Mittagspause bis hin zum 18-Uhr-Gebet und dem Abendessen. Danach ist Raum für persönliche Interessen, auch Sport. Einige Mitschwestern gehen Joggen, Reiten oder Schwimmen. "Natürlich in ziviler Kleidung", merkt die Generaloberin an; alles andere wäre ja auch unpraktisch. Sie selbst führt der Weg am Abend oftmals erneut in ihr Büro, um noch Telefonate zu führen oder E-Mails zu beantworten. Einmal im Monat tagt der Ordensrat, und seit neuestem geschieht dies unter Einsatz eines Meetingprogramms via Videotelefonie auch mit den gewählten Mitgliedern aus Indien und Peru. Moderne Kommunkationsmittel gehören zum Klosteralltag, auch wenn man hier bei Exerzitien einmal eine Woche lang schweigen kann.
Mitten in der Gesellschaft
Wer seinen Tätigkeitsschwerpunkt im sozialen Engagement sieht, den können Klostermauern nicht abschotten, der wirkt in und mit der Gesellschaft. In der Versorgung der älteren Menschen, deren Zahl in unserem Land steigt, sieht Schwester Regina eine der Herausforderungen unserer Zeit. Sie kennt sowohl die Situation der Bewohner von Pflegeheimen als auch die der Pflegenden. Und sie ist sich sicher, dass gute Pflege uns allen künftig noch mehr abverlangen wird. Ein Angebot machen die Franziskusschwestern in diesem Bereich mit einer einjährigen Ausbildung zum/zur staatlich geprüften Altenpflegehelfer/in - auch für Wiederein steiger ins Berufsleben.
Das Berufsleben ist übrigens auch im Kloster vielfältig, es reicht von Ausbildung und Hauswirtschaft über Verwaltung, Pflege, Pharmazie und Sozialarbeit bis hin zur Seelsorge. Schwester Regina beispielsweise war als Medizinisch-Technische Assistentin tätig, bevor sie sich dem Orden anschloss. Den Weg zu diesem entscheidenden Schritt hatten ihr Begegnungen in Vierzehnheiligen gebahnt, wo sie selbst einmal Schülerin war - und mit den Internatsregeln nicht immer so ganz einverstanden, wie sie mit einem Schmunzeln einräumt. Hätte sie es sich damals vorstellen können, dass sie einmal an der Spitze dieser Gemeinschaft stehen würde? - Da lacht Schwester Regina und schüttelt den Kopf: "Nein, gar nicht!"
Jetzt ist es seit einem Jahr so, und sie arbeitet emsig an den Aufgaben, mit denen sie betraut wurde. "Immer dazulernen" ist ihr Motto. Sie hat alle Standorte des Ordens bereits persönlich besucht, und die jährlichen Mitarbeitergespräche - 165 an der Zahl - will sie bis Ostern geschafft haben. - Das war's dann mit meiner klischeehaften Vorstellung vom stressfreien Leben hinter Klostermauern...
Ich erfahre, dass auch mit der gemeinsamen Basis, nach dem Evangelium leben zu wollen, nicht immer alle einer Meinung sind, dass manchmal christliche Versöhnungsbereitschaft gefragt ist. Dass Lebenskrisen hier genauso vorkommen, wie "draußen". "Denen stellen wir uns", sagt Schwester Regina.
Ab und an nimmt sich die Generaloberin einmal frei. Sie versucht, familiäre und freundschaftliche Kontakte zu pflegen oder genießt einfach die Sonne auf dem Balkon. Eine Hütte in Österreich ist ihr - mit einem guten Buch dabei - ein Ort zum Auftanken. "Wenn ich gut für mich sorge, kann ich auch gut für andere sorgen."
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