Märchen als Zaubermittel entdeckt
Autor: Ramona Popp
Lichtenfels, Dienstag, 24. Mai 2016
Margit Schreppel aus Lichtenfels hat eine besondere Ausbildung absolviert. Sie trägt alte Volksmärchen frei vor. Ihre Zuhörer sind nicht nur Kinder.
Die Umgebung, in der Margit Schreppel ihr Können praktiziert, macht es einem leicht, sich darauf einzulassen. Der Blick fällt auf einen sogenannten Traumfänger - indianisches Kunsthandwerk, das von der Decke baumelt, auf sonnengelbe Stoffe, einen Spiegel mit goldenem Rahmen. Je nach Gruppe und Jahreszeit finden die geleiteten Ausflüge ins Märchenland aber auch im Kaminzimmer, Yogaraum, im Wald oder im Tipi auf dem eigen Gartengrundstück statt. Margit Schreppel ist Märchenerzählerin, hat dafür eigens eine Ausbildung in Baden-Württemberg absolviert, die sich über eineinhalb Jahre erstreckte. In Abständen von vier bis zehn Wochen fanden dort drei- bis fünftägige Seminare statt, bei denen die Lichtenfelserin ihre Liebe zum Erzählen wiederentdeckte. Bekannte aber auch unbekannte Märchen standen gleichzeitig unter einem ganz neuen Blickwinkel.
Auch Margit Schreppel konnte bei ihren Erzählrunden solche Beobachtungen machen. Noch nie habe ein Kind dabei Unruhe verbreitet, auch wenn manche Mutter das ihr gegenüber befürchtet hatte.
Das versierte Märchenerzählen macht mehr Eindruck als bloßes Vorlesen. Aus dem Stegreif steigt die Mutter zweier (fast) erwachsener Kinder in ein Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm ein. Sie hat den Text nicht nur auswendig gelernt, sondern verinnerlicht, trägt ihn frei mit entsprechender Mimik und Gestik vor. "Wer liest, hat nicht so den Kontakt zu den Zuhörern", sagt sie. Für diesen Unterschied arbeitet sie etwa zehn Tage daran, sich ein Märchen vortragsreif einzuprägen. Das gelinge ihr vor allem über die Bilder im Kopf, sei gewissermaßen auch ein meditativer Vorgang. Bei Märchenmeditationen, wie sie sie bereits mehrfach geleitet hat, könne man diese Bilder intensiver erfahren und dabei entspannen.
Vor den Grausamkeiten, die in Märchen vorkommen, müsse man Kinder nicht bewahren, findet die als Heilpraktikerin tätige gelernte Krankenschwester - "weil das Leben so ist, hart und nicht einfach." Kinder hätten ein Gespür dafür, was gut für sie ist, und würden dann gerade das aus dem Gehörten mitnehmen. Märchen vermitteln deshalb nicht nur Werte wie Aufrichtigkeit und ein friedliches Miteinander. Sie könnten in schwierigen, ja scheinbar aussichtslosen Lebenssituationen auch daran erinnern, dass oft unverhofft ein Helfer auftaucht, meint Margit Schreppel. "Jeder ist stark genug, um seinen Lebensweg zu bewältigen."