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Lichtenfelser Supermarkt zeigt, wie Inklusion aussehen kann


Autor: Mirjam Stumpf

Lichtenfels, Montag, 23. März 2020

Auf Anfrage der Kundin Silke Nissen hat ein Lichtenfelser Supermarkt einen speziellen Einkaufswagen für gehbehinderte Kinder gekauft.
Die 13-jährige Anna kann mit Schwester Merle nun  leichter einkaufen: Der spezielle Einkaufswagen hat  eine größere Sitzfläche, damit gehbehinderte Kinder genug Platz haben. Stumpf


Sichtlich vergnügt sitzt die zweieinhalbjährige Merle im Kindersitz des Einkaufswagens. Von Quengeleien bei der Tour durch die Gänge im Supermarkt keine Spur, als ihre große Schwester Anna mit ihr an den Lebensmitteln vorbeirollt. Was bei einem flüchtigen Blick auf die Familie im Laden nicht sofort auffällt: Der Einkaufswagen ist eigens für Kinder entwickelt worden, die wie Merle gehbehindert sind und nicht oder nur schwer alleine laufen können.

"Es ist schön, dass nicht nur von Inklusion gesprochen wird", freut sich Mutter Silke Nissen. Alleine einkaufen sei bisher fast nicht möglich gewesen, meint sie. Der spezielle Wagen mit dem Eigennamen Ben's Cart, den der Supermarkt Kaufland in Lichtenfels eigens auf ihre Nachfrage vor kurzem angeschafft hat, erleichtere ihr den Einkauf mit ihrer Tochter.

Komfortable Sitzfläche

Der Unterschied zu den gängigen Wagen mit aufklappbarem Kindersitz, wie sie sich vor den Eingangstüren reihen, besteht darin, dass das Ben's Cart einen größeren, mit grauem Kunststoffpolster überzogenen Sitz hat. Der ist zudem nach vorne hin offen. Ein Anschnallgurt verhindert, dass das Kind herunter rutscht. Dadurch kann der Sitz bis zu 35 Kilogramm tragen, der Klappsitz im Einkaufswagen lediglich 15 Kilogramm.

Noch ist Merle mit knapp drei Jahren zwar leicht genug, sagt Silke Nissen, aber sobald sie älter wird, würde der enge Sitz zum Problem werden. Zudem falle es der 39-Jährigen nun leichter, ihre Tochter in den Wagen zu setzen, da sie sie nicht erst über das Gestell heben muss.

Neukauf ohne Probleme

Über eine Gruppe auf der Internet-Plattform Facebook für Eltern von Kindern mit Behinderung ist sie auf den speziellen Einkaufswagen aufmerksam geworden. In dieser und ähnlichen Gruppen tauschen sich Eltern aus, geben Informationen weiter und teilen Meinungen. Anschließend habe sich die 39-Jährige unter anderem an die Mitarbeiter der Info-Theke von Kaufland gewendet, die ihre Anfrage umgehend an die Geschäftsführung weitergeleitet haben.

"Fragen kostet nichts", so die dreifache Mutter, die mit ihrer Familie in einem Lichtenfelser Stadtteil wohnt. Der Erwerb habe ohne Probleme geklappt. Den Mitarbeitern der Infothek und der Geschäftsleitung sei das Gefährt bisher zwar unbekannt gewesen, trotzdem haben sie sich schnell um eine Anschaffung des Ben's Cart gekümmert, so Silke Nissen.

Die Geste bedeutet viel

Einen Einkaufswagen für Menschen mit Einschränkungen zu kaufen - für den Lichtenfelser Supermarkt schien das kein großer Aufwand zu sein. Für Silke Nissen steht hinter dieser Geste aber viel mehr. Für ältere eingeschränkte Menschen sei gesorgt, beispielsweise durch die Wagen, an die sich ein Rollstuhl einklinken lässt, sagt sie. Aber wenige dächten daran, dass auch kleine Kinder bereits krank sein können. Die Gesellschaft habe das zu wenig im Blick, sei vielleicht gar zu wenig darüber aufgeklärt, vermutet die Mutter.

Viele Orte sind nicht barrierefrei

Deshalb ist sie dankbar darüber, dass ihr der Einkauf bei Kaufland nun einfacher fallen wird. "Man hat im Alltag eh schon genug Hindernisse", sagt sie. Zahlreiche Orte und Gebäude seien nach wie vor nicht barrierefrei. "Vieles fällt einem aber erst auf, wenn man selbst betroffen ist", so die 39-Jährige.

Auch die Gänge in den Läden seien teilweise eng, berichtet Silke Nissen - ein Umstand, den die meisten Personen nicht ohne Weiteres beachten würden. Das fünfte Rad in der Mitte des speziellen Ben's Cart soll hier nicht überflüssig sein, sondern im Gegenteil für eine leichtere Bedienung in schmalen Gängen sorgen.

Ein Einkaufswagen wie das Ben's Cart ist bisher das Einzige im Supermarkt. Damit es nicht wahllos verwendet werde, stehe das Ben's Cart im Eingangsbereich, nutzen könne es aber jeder, der darauf angewiesen ist, sagt Silke Nissen. Es müsse nicht zwingend eine Behinderung sein, auch denkbar ist die Nutzung für Kinder, die den Fuß gebrochen haben, sagt sie.

Sie hofft, dass sich der Blick der Menschen zunehmend auch für Kinder mit einer Behinderung schärft und deren Situation auf weniger Ignoranz trifft. Beispielsweise dadurch, dass die Behindertenparkplätze vor der Tür seltener zugeparkt sind - unberechtigterweise .