Lichtenfelser kennen sie als "Hanne von der Borussia"
Autor: Ramona Popp
Lichtenfels, Montag, 16. November 2020
Hanne Würstlein hatte beim SV Borussia Siedlung jahrzehntelang die Küche im Griff. In unserer Themenwoche ist sie ein Beispiel für "die gute Seele" eines Vereins.
Wohl dem Verein, der jemanden hat wie die Hanne von der Borussia. Die Frau hat natürlich auch einen Nachnamen, Würstlein, aber sofort zugeordnet werden kann sie, wenn man den Siedler-Sportverein erwähnt. Die E- und F-Jugend hat sie mit aufgebaut und lange geleitet, Trikots gewaschen, Kaffee gekocht, Lebkuchen und Plätzchen für die Weihnachtsfeiern gebacken. Vor allem aber ist ihr Name mit der Küche des Vereinsheimes am Pilgerweg verbunden. Zur Sportplatzkerwa nahm sie Vorbestellungen entgegen und bereitete dort bis zu 150 Essen pro Tag zu, vom Rindfleisch mit Kren bis hin zur Gänsebrust mit Klößen, unterstützt nur von einem kleinen Helferteam, weil es bei mehr als zwei Arbeitenden in der Küche schon eng wird. Zusätzlich stemmte die gelernte Hauswirtschafterin Familien- und Vereinsfeiern, für die das Mitte der 1980er-Jahre erbaute Sportheim nicht zuletzt wegen ihrer Fähigkeiten gerne angemietet wurde. Man darf vermuten, dass sie mit ihrem Einsatz einen beträchtlichen Teil dazu beigetragen hat, dass man nicht nur eine gute Gemeinschaft, sondern auch einen positiven Kassenstand vorweisen kann. So jemand wird zu Recht zum Ehrenmitglied ernannt, was Hanne Würstlein seit ein paar Jahren ist. Und man darf sie bestimmt als gute Seele des Vereins bezeichnen, ohne damit das Wirken anderer schmälern zu wollen. Bei der Suche nach einer solchen Person für diese redaktionelle Themenwoche sind wir deshalb auf sie gekommen. Von unserem Anruf wird die Lichtenfelserin überrascht. Das letzte große Aufkochen liegt ja nun schon coronabedingt länger zurück. Und es wird auch keines mehr kommen, wie wir erfahren, weil Hanne Würstlein aus gesundheitlichen Gründen kürzertreten muss.
Dann soll dies ein Anlass sein, an eine schöne Zeit zu erinnern und daran, was Vereinsleben bedeuten kann. Hanne Würstlein kam durch ihren Sohn Martin zum Verein. Der hatte als Siebenjähriger mit dem Fußballspielen angefangen. Zuerst seien nur ihr Mann und der Junge Mitglieder beim SV Borussia Siedlung geworden, sie folgte 1989. "Die haben eine Frau gebraucht", sagt sie mit einem Schmunzeln und fügt erklärend hinzu, dass die Männer doch nicht so den Blick dafür hätten, wenn einem Kind beispielsweise ein Schnürsenkel gerissen ist und es rasch gilt, eine praktische Lösung für das Problem zu finden. So kam es, dass sie Jugendleiterin für die Jüngsten wurde und es 17 Jahre lang blieb. In der Küche wollte sie den anderen Frauen zunächst ein wenig helfen, wenn bei den Heimspielen Kaffee und Kuchen serviert wurden. Bald hatte sie die Idee, an den Donnerstagen zur Spielersitzung ein Abendessen zuzubereiten, was sehr gut ankam. Der Wirtschaftsbetrieb im Sportheim nahm zu. Polterabende, Geburtstage, auch Kommunionfeiern wurden dort ausgerichtet. Für so viele Personen zu kochen, war Hanne Würstlein nicht gewohnt, aber sie fand Mittel und Wege, es zu bewältigen. "Den Kloßteig zur Kerwa hab' ich immer schon zu Hause fertig gemacht und mitgebracht", berichtet sie. Dann habe es zwei Helferinnen in der Küche gegeben, die damit beschäftigt waren, die Klöße ins Wasser zu geben. Sechs große Wecktöpfe hatte der Verein zu diesem Zweck angeschafft. Die Fleischgerichte mussten natürlich ebenfalls vorgebraten werden - und dies in einer Küche mit drei gewöhnlichen Haushaltsöfen, ohne spezielle Gastro-Ausstattung. "In jungen Jahren hat mir das nichts ausgemacht", sagt sie und setzt hinzu: "Alles, was man gern macht, artet nicht in Arbeit aus."
Täglich im Sportheim
Eigentlich war Hanne Würstlein jeden Tag im Sportheim, und diese Stunden hätten sicherlich einem Halbtagsjob entsprochen. Heute kann man sich so einen ehrenamtlichen Einsatz nur noch schwer vorstellen. Die Strukturen in der Gesellschaft haben sich verändert. Sie habe damals niemanden für die Betreuung ihrer beiden Kinder gehabt, erklärt die heute 72-Jährige. "Mein Mann war Fernfahrer, ich war unter der Woche allein mit ihnen." Bei der Borussia habe sie sich wohl gefühlt und Anerkennung erfahren.
Das Vereinsleben hat sich verändert. Die Mitgliederzahl ist gesunken, rund 260 zählt man heute, um die 80 weniger als noch vor zehn Jahren. Guter Zusammenhalt, den es noch immer gibt, wird auch in Zukunft wichtig sein, um die Aufgaben bewältigen zu können. Das hat der Vorsitzende - seit 2011 ist das übrigens Hanne Würstleins Sohn – bei der Hauptversammlung wieder betont. Die Sportplatzkerwa konnte nicht stattfinden, die Weihnachtsfeier ist abgesagt. Die Einschränkungen in der Pandemie treffen die Siedler wie alle anderen Vereine. Wenn es die Situation zulässt, werde man das Sportheim wieder öffnen, meint Hanne Würstlein. Kaffee und Kuchen zu den Heimspielen und mal eine Kar trunde, das werde bleiben. Und bleiben werden auch die Erinnerungen, die bei vielen noch genauso lebendig sein dürften wie bei ihr. "Es waren schöne Zeiten, die möchte ich nicht missen." Am liebsten denkt sie an die Arbeit mit den Kindern zurück. Deren selbst gemalte Bilder, die sie immer wieder mal geschenkt bekam, hatte sie jahrelang auf dem Nachttisch liegen. "Fast immer war ein Sportplatz drauf", sagt Hanne Würstlein und lacht.