Lichtenfels demonstriert gegen AfD-Vortrag: zwei Blöcke - keine Begegnung
Autor: Markus Häggberg
Lichtenfels, Donnerstag, 11. April 2019
Eine AfD-Bezirksrätin hatte zum Thema Frühsexualisierung und Gendermainstream eingeladen. Dagegen protestierten fünf Mal mehr Menschen als Zuhörer kamen.
Eine AfD-Bezirksrätin hatte zu einem Vortrag ins Stadtschloss eingeladen. Das schlug Wellen und so formierte sich am Mittwochabend nahezu gleichzeitig auf dem Marktplatz eine beachtliche Gegendemonstration unter dem Motto "Lichtenfels ist bunt". Hier Menschen von Sorge getrieben, dort aber auch. Ein Lichtenfelser Abend mit Beobachtungen zu einem reichlich unübersichtlichen Sowohl-als-auch.
Anne Salzbrenner vorneweg
Der Naturschutz ist da. Eine Gewerkschaft auch, eine SPD-Abordnung zudem, der SPD-Europaparlamentskandidat Martin Lücke auch, Vertreter von Die Partei, Vertreter der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands, überdies sind auch evangelische Christen hier, allen voran Anne Salzbrenner, maßgeblich verantwortlich bei dem schon zu einer Institution gewordenen Bündnis "Lichtenfels ist bunt". Sie ist das Gesicht und sie spricht sich ihre Sorge von der Seele, warnt vor rechtem Gedankengut und schwört die Menge darauf ein, sich an die Vorgaben bei Demonstrationen zu halten. Keine Polizeiabsperrungen unterlaufen, die Schallpegelgrenze von 85 Dezibel nicht übertreten und mehr.
Vor drei, vier Wochen, so die Pfarrerin, habe sie über einen Flyer Kenntnis von der heutigen Veranstaltung bekommen, von dem Vortrag über Gendermainstreaming und Frühsexualisierung in Kita und Schulen. "Habe sofort versucht nachzuschlagen, was Sache ist mit der Referentin." Die Referentin ist bei der AfD und die Bezirksrätin Heike Kunzelmann auch. Das ist der Punkt. Der Frage, ob sie eine Gegendemo auch dann initiiert hätte, wenn beispielsweise ein Psychologenfachverband zum gleichen Thema im Stadtschloss tagte, begegnete die Pfarrerin so: "Es käme darauf an, wie fraktioniert der Verband wäre." Was sie Kunzelmann aber besonders ankreidet, ist deren Umgang mit den Einladungen. "Sie hat dort ja nicht einmal AfD draufgeschrieben, obwohl sie in der AfD ist. Salzbrenner sah ein Täuschungsmanöver und "würde es jedem abraten, da beizuwohnen".
Auch Maja Appel steht hier auf dem Marktplatz. Sie hat sich "Equality" auf eine Tafel geschrieben. Gleichheit also. Untertitel: "Mehr Respekt und Liebe in Begegnung, Austausch und unter den Geschlechtern". Diesen Slogan, so die 18-Jährige, die eigens aus Altenkunstadt kam und nun gegen 18.30 Uhr mit bald 250 anderen Menschen auf dem Marktplatz auf den Beginn der Gegendemo wartete, wählte sie bewusst. "Um für etwas zu sein und nicht dagegen."
Die, die gegen etwas und insbesondere den Gendergedanken waren, wonach das Geschlecht weniger biologisch als vielmehr sozial begründet sei, betraten um diese Zeit das Stadtschloss und begaben sich hinauf in den großen Saal. Es sollten letztlich nicht mehr als 49 Personen werden, die den von der AfD-Bezirksrätin gehaltenen Vortrag über die zu vermutenden oder tatsächlichen Gefahren des Gendermainstreamings besuchten. Immerhin wird befürchtet, dass hinter dem Gendergedanken vor allem auch das Interesse der Wirtschaft stehe, wonach Frauen als Vollzeitbeschäftigte verfügbar zu sein hätten.
Doch warum hielt nun eigentlich Heike Kunzelmann den Vortrag und nicht die von ihr als Fachfrau angekündigte Referentin Steffi Brönner? Diese, Schulleiterin einer Thüringer Grundschule, habe laut der Bezirksrätin kurzfristig krankheitsbedingt abgesagt. Kunzelmann selbst, darauf angesprochen, wirkte dazu wie im Regen stehen gelassen und hielt den Vortrag notdürftig selbst. Am Donnerstagmorgen, das war telefonisch aus dem Sekretariat der Thüringer Schule zu erfahren, habe Steffi Brönner aber wieder Unterricht gegeben. Nach Kunzelmann ist es so zu verstehen, dass Brönner zu den aus ihrer Sicht bei Kindern nachteiligen Folgen einer staatlich verordneten Aufklärung im Frühkindalter gesprochen hätte.
Kultus ist Ländersache
Und hier lag ein Hase im Pfeffer, denn Kultus ist Ländersache und was in Thüringen womöglich verordnet geschieht, mag im bayerischen Lichtenfels so nicht passieren. Doch eben weil Kultus Ländersache ist, so die Sorge der Menschen im Stadtschloss, kann das bei Wahlen mit anderem Ausgang ja noch kommen - immerhin stehe Gendermainstreaming auf einer politischen Agenda, immerhin sprächen Gendervorkämpferinnen wie Dale O'Leary von einer Welt mit mehr sexuellem Vergnügen und weniger Menschen oder der Notwendigkeit zur Abschaffung der Elternrechte gegenüber ihren Kindern.