Lichtenfels: Bessere Zukunft in der Metropolregion?
Autor: Ramona Popp
Lichtenfels, Dienstag, 21. Mai 2013
Was bringt dem Landkreis Lichtenfels, dem kleinsten Bayerns, die Kooperation im großen Verbund? Viel bessere Zukunftschancen, meint Christa Standecker. Sie ist die Geschäftsführerin der Institution Metropolregion Nürnberg.
Schon der Begriff drückt Größe und Stärke aus: Europäische Metropolregion Nürnberg. Und im Ausland sind wir Oberfranken ja alle auch ein bisschen Nürnberger, weil das die nächstgrößere Stadt ist, von der wir meinen, dass sie unser Gegenüber kennt. Aber Hand aufs Herz: Könnten Sie Ihrem Nachbarn erklären, was hinter dem Begriff steht, und was der Landkreis Lichtenfels davon haben soll, dass er dazugehört? Und das schon seit acht Jahren und für einen Mitgliedsbeitrag von jährlich rund 6830 Euro (=10 Cent je Einwohner).
Um auch das Wissen der Kreisräte, die ja seinerzeit den Beitritt beschlossen haben, auf den neuesten Stand zu bringen, hat Landrat Christian Meißner (CSU) die Geschäftsführerin der Institution Metropolregion, Christa Standecker, nach Lichtenfels zu einem Vortrag eingeladen. Sie kam mit ein paar Minuten Verspätung zu der Ausschusssitzung hier an, immerhin etwa 100 Kilometer von ihrem Arbeitsplatz in Nürnberg entfernt.
Aber über den kleinen Partnerlandkreis am Obermain wusste sie gut Bescheid - vor allem um sein hohes touristisches Potenzial und den Fleiß seiner Einwohner. Kein Honig-ums-Maul-Schmieren, sondern knallharte Fakten: Mit 8986 Gästeübernachtungen pro Jahr werden im Landkreis Lichtenfels mehr als doppelt so viele wie im Durchschnitt der Mitgliedslandkreise der Metropolregion gezählt. Die Erwerbsquote ist hier ebenfalls sehr hoch.
Es ginge aber noch mehr, schließlich gibt es eine gute Verkehrsanbindung, preisgünstige Gewerbeflächen für Unternehmen und eine hohe Lebensqualität mit einer Vielfalt an Freizeitmöglichkeiten bei geringen Lebenshaltungskosten. Trotzdem haben hiesige Firmen Probleme, Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Das ist ein Punkt, an dem die Arbeit des Verbundes ansetzt. Übrigens mit rund 500 Menschen, die sich ehrenamtlich einbringen und nur wenigen hauptamtlich Beschäftigten, wie die Geschäftsführerin betonte.
Ein paar mehr würde man nun davon brauchen, denn die Aufgaben seien gewachsen und die Region tue gut daran, sich auf internationaler Wirtschaftsebene zu präsentieren und ihre Interessen zu vertreten. Wenn die Adidas-Gruppe in internationalen Stellenausschreibungen den Hauptsitz ihres Unternehmen in der "Nuremberg Metropolitan Region" definiert, dann tut sie das, weil sie sich damit mehr Interessenten als schlicht mit "Herzogenaurach" verspricht. Nichtsdestotrotz wirbt man zudem mit dem eigenen Charme des fränkischen Städtchens.
Das entspricht auch dem Selbstverständnis der Metropolregion als ein Netz mit starken Knoten statt einer übergestülpten großen Tüte. Wenn es um typische Spezialitäten geht, dann setzt die Metropolregion ohnedies auf Regionalität, macht für Coburger Klöß' und Juralamm genauso Appetit wie für Aischgründer Karpfen und Nürnberger Lebkuchen. Auf dem berühmten Christkindlesmarkt wird das internationale Publikum gleich zu einer kulinarischen Rundreise angehalten, inzwischen an vier Ständen.
Wer meint, abseits der großen Städte sei kulturell nichts los, den belehrt die Metropolregion Nürnberg über fabelhafte Festival-Vielfalt mit internationaler Strahlkraft. "Sinn und Zweck unserer Arbeit ist die Anziehungskraft unserer Region", fasst Christa Standecker zusammen.
Wer in dieser Region längst verwurzelt ist, kann auch etwas davon haben. Konkret gab es in Lichtenfels schon vor drei Jahren ein kostenfreies Fortbildungsangebot für Beschäftigte im Einzelhandel. Mit dem Entdeckerpass, der seit 2009 jährlich herausgegeben wird, kommen auch Einheimische bei inzwischen mehr als 130 Freizeit- und Kultureinrichtungen in den Genuss eines kostenfreien oder deutlich ermäßigten Eintritts. Die Obermain-Therme und weitere Thermalbäder haben sich diesem Kreis angeschlossen. Ab Juli gibt es den Halbjahres pass für 30 Euro für Erwachsene und 15 Euro für Jugendliche; für ein ganzes Jahr zahlt man 38,50 beziehungsweise 19,50 Euro.
Innerhalb des Zusammenschlusses geht es, wie die Geschäftsführerin betont, äußerst demokratisch zu. Die 33 Landkreise und kreisfreien Städte arbeiten in sieben Fachforen zusammen, Vertreter der Wirtschaft sind mit im Boot. Wenn der Metropolregion im Ranking des Prognos-Zukunftsaltas 2010 hohe Zukunftschancen attestiert werden und sie nach München und Frankfurt am Main noch vor Stuttgart und Hamburg rangiert, ist das ein Zeichen für Stärke. Im Vertrauen auf den großen Verbund im eigenen Bemühen zurücklehnen kann man sich aber nicht, das weiß man auch im kleinen Landkreis Lichtenfels.
Deshalb nutzt man hier verschiedene Förderangebote des Staates und setzt auf Regionalmanagement und Zukunftscoach. Die beiden verantwortlichen Mitarbeiterinnen des Landkreises, Stefanie Hahn und Dilber Demiray, bemühen sich in verschiedenen Projekten, Menschen - und damit auch ersehnte Fachkräfte - für den Landkreis am Obermain zu gewinnen. Ein Rückholprogramm mit Infoplattform für junge Leute (nach Studium/Ausbildung) und die Zusammenarbeit mit Firmen gehören dazu. Ihre Arbeit wird aber von einigen Kreisräten durchaus kritisch hinterfragt, kann sie doch noch kaum mit messbaren Ergebnissen aufwarten. "Ich kann nur Leute sensibilisieren, dass was gemacht werden muss", rechtfertigt sich Dilber Demiray bei der jüngsten Zusammenkunft des Ausschusses für Kreisentwicklung. Darin besteht Konsens. "Der Kampf um den jungen Menschen hat begonnen", stellt Landrat Christian Meißner fest. Ob er mit Programmen, Projekten und dem unvermeidbaren Dokumentationsaufwand erfolgreich zu führen ist, in dieser Frage bestehen offenbar Zweifel.