Landzunge mit roten Streifen
Autor: Matthias Einwag
Bad Staffelstein, Freitag, 11. Dezember 2015
Unbekannte verzierten in den vergangenen Monaten immer wieder Plätze im Staffelsteiner Land. Die Kleinodien wurden mit Fundstücken aus der Natur geschaffen. Sie finden viel Zustimmung bei den Betrachtern.
"So was Schönes und Buntes - das ist grade jetzt, in dieser tristen Jahreszeit wundervoll", sagt eine Frau zu einem Mann. Beide stehen auf der hölzernen Fußgängerbrücke über die Lauter und blicken auf ein Kunstwerk auf der Insel zwischen den beiden Armen des Lauterbaches am Hain. Im Gras der Landzunge verlaufen etliche schwarz-rote Streifen, die aus Blumentopferde und Vogelbeeren gestaltet sind. Es sieht so aus, als habe jemand die Landzunge schraffiert. Doch wer dieses farbenfrohe Kunstwerk geschaffen hat, wissen auch die beiden Betrachter nicht.
Seit einigen Monaten sind in Bad Staffelstein und Umgebung immer wieder neue Kunstwerke in der Natur aufgetaucht, die ein Unbekannter oder eine Unbekannte geschaffen hat.
Am Wiesener Wörthsee hat jemand eine Pyramide aus Lesesteinen aufgeschichtet, auf einem Bootssteg am Staffelsteiner Riedsee war ein bunter Teppich aus Naturmaterialien (unter anderem Tannenzapfen und Blüten) ausgelegt und am Staffelberg fanden sich geometrisch angeordnete Holunderstängel, die ausgehöhlt und mit knallroten Hagebutten gefüllt waren, so dass sie Panflöten glichen.
Ein Herz auf dem Bahnsteig
Wundervoll anzusehen war auch ein knallrotes Herz aus Beeren, das in graue Basalt- und weiße Kalksteine eingelassen war. Es lag auf einem Perron des Staffelsteiner Bahnhofs. Irgendwo fand sich in der Natur auch ein Steinmosaik mit den Initialen HK - ob der Künstler hier sein Monogramm hinterlassen hat? Niemand weiß es zu sagen.
Auf der Suche nach diesen doch sehr vergänglichen Objekten stießen wir dieser Tage noch auf die schwarz-roten Streifen der Lauter-Insel am Hain und auf die Pyramide am Wiesener Wöhrthsee. Zu filigran sind die meisten der kleinen Kunstwerke als dass sie längere Zeit überdauern würden. Wind und Wetter, aber auch Vögel und Nagetiere wirken darauf ein, verändern oder vernichten das, was der oder die unbekannten Künstler geschaffen haben.
Es darf spekuliert werden über die Urheber: Sind es Eltern mit ihren Kindern? Ist es jemand, der ein Faible fürs Außergewöhnliche hat? Im Fachjargon heißen solche kleinen Kunstwerke "Land-Art", zusammengestellt sind sie aus Fundstücken ("object trouvé") der Natur, die manchmal vorsichtig bearbeitet und immer sorgsam arrangiert werden.
Wie lange der oder die Künstler schon ihrem Hobby nachgehen, ist ebenfalls nicht eindeutig zu sagen. Schon im vergangenen Jahr tauchten im ehemaligen Steinbruch oberhalb von Vierzehnheiligen Ornamente auf, die aus Fundsteinen gelegt wurden: Eines hatte die Konturen von Leonardo da Vincis "vitruvianischem Menschen", jener Proportionsstudie des Meisters, die sich auch auf der Rückseite der italienischen Ein-Euro-Münze findet.
Gespannt sein darf man auf den kommenden Sommer. Wenn die Unbekannten dann Kornkreise in Weizenfelder drücken, sind sie eindeutig zu identifizieren, denn dann haben sie sich als Außerirdische enttarnt. Klarheit darüber, für welchen Pharao die kleine Pyramide am Wiesener Wörthsee erbaut wurde, wird wohl nur eine Expedition in deren Inneres bringen.
Alle, die sich von den Kunstwerken angeregt fühlen, sind zum Nachahmen aufgefordert. Es müssen ja nicht Vogelbeeren, Gänseblümchen, Kastanien und Eicheln verwendet werden. Ein Schnee-Engel ist genauso kreativ - und noch viel vergänglicher.