Kurios: Hauptbelastungszeuge tritt als Verteidiger auf
Autor: Markus Häggberg
Lichtenfels, Mittwoch, 11. November 2015
Eingestellt wurde das Verfahren gegen einen Gastronomen aus dem südlichen Landkreis Lichtenfels, der seine Arbeitgeberanteile gegenüber Versicherungen und Krankenkassen einbehalten haben soll. Kurios: Der Hauptbelastungszeuge trat als zweiter Verteidiger auf.
Wollte man in dem Fall weiterforschen, könnte das wie bei einer "Matruschka" enden, jener russischen Puppe, die in sich eine weitere immer kleinere Version von sich selbst bereithält. Dieses Bild bemühte Staatsanwalt Christian Pfab nach der Verhandlung unserer Zeitung gegenüber, um sein Einverständnis für die kurz zuvor ergangene Verfahrenseinstellung zu erläutern.
3000 Euro Geldauflage
Dennoch bleibt die Einstellung für den angeklagten Gastronomen aus dem südlichen Landkreis Lichtenfels nicht ohne Folgen: 3000 Euro wird er zu zahlen haben, weil er seine Arbeitgeberanteile gegenüber Versicherungen und Krankenkassen einbehalten haben soll. Vor Gericht verneinte der Angeschuldigte jegliche Betrugsabsicht.
Zwischen August 2010 und Dezember 2011 hatte der Zoll Fragen.
Die Behörde ermittelte und stellte letztlich auch eine Summe von 5419,26 Euro in den Raum. Diese hätte der 43-jährige Gastronom als Arbeitgeberanteil für die Tätigkeiten eines Mannes entrichten müssen, der im besagten Zeitraum mit Hausmeisteraufgaben betraut war.
Insofern war dieser Mann der Hauptbelastungszeuge, aber er belastete nicht. Das wiederum tat er aber so widersprüchlich, dass er in den Augen des Staatsanwalts an Glaubwürdigkeit verlor. Selbst vom Anwalt des Beschuldigten, Sven Petzke, brachte ihm das den Rüffel ein, dass es schon einen Verteidiger in dieser Angelegenheit gebe.
Nur aus Langeweile
Nur zu Besuch will der Mann gewesen sein, bis zu acht Mal im Jahr. Er habe seine im Haus tätige Ehefrau aufgesucht und selbst nur "aus Langeweile" und Hilfsbereitschaft den Rasen für den Gastronomen gemäht, so der Zeuge.
Den Höhepunkt des Prozesses bildete die Befragung des Hauptzeugen durch den Staatsanwalt, der mit einer ganz einfachen Frage eröffnete: Haben Sie beim Zoll die Wahrheit gesagt oder gelogen? Hintergrund des baldigen Zornesausbruchs Pfabs bildete auch der Verdacht, dass der Befragte sich zur selben Zeit in seinem Heimatland arbeitslos gemeldet haben könnte, während er beim Gastronomen Geld verdiente. "Ich kann Sie verhaften lassen, Sie gehen für mindestens ein Jahr in Haft, wenn Sie unter Eid nicht die Wahrheit sagen", eröffnete Pfab dem 52-Jährigen. Der entgegnete, "nicht so gescheit zu sein", um sich zu erinnern. Mit der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen war es vorbei und Pfab machte eine Andeutung, wonach er erwägen könnte, in einem gesonderten Verfahren, jetzt gegen den Zeugen selbst, der Wahrheit näherzukommen.
"Beschissene Fragetechnik"
Der Angeschuldigte selbst suchte von Verhandlungsbeginn an den Eindruck zu erwecken, dass alle Anschuldigungen jeglicher Grundlage entbehren. Einmal merkte er an, dass der Zoll selbst durch eine "beschissene Fragetechnik" belastende Aussagen der Zeugen überhaupt erst provoziert habe.
Letztlich, auch im Hinblick auf die Sprachschwierigkeiten des Hauptzeugen, wurde die Einigung erzielt, den Fall gegen Geldauflage einzustellen. Die ist mit 3000 Euro nicht eben gering und berührt die Frage einer Nachzahlung einbehaltener Arbeitgeberleistungen nicht.