Kuni Tremel-Eggert: "Ein warnendes Beispiel"
Autor: Ramona Popp
Burgkunstadt, Donnerstag, 16. Februar 2017
Der Heidelberger Literaturwissenschaftler Ralf Georg Czapla hat sich mit der umstrittenen Burgkunstadter Autorin Kuni Tremel-Eggert befasst.
Am heutigen Donnerstag (16.2., 19.30 Uhr) ist ein interessanter Vortrag in Burgkunstadt zu erwarten. Der Heidelberger Literaturwissenschaftler Ralf Georg Czapla hat sich mit der umstrittenen Burgkunstadter Autorin Kuni Tremel-Eggert (1889-1957) befasst. Er spricht darüber im kath. Pfarrsaal, Marktplatz 18.
Es ist fast zehn Jahre her, dass die Wogen in der Diskussion um die Burgkunstadter Heimatdichterin Kuni Tremel-Eggert hochschlugen. Darf einer Frau, die in ihrem Spätwerk während der Nazizeit schlimmste antisemitische Hetze betrieb, eine Straße gewidmet werden? Ist es die richtige Entscheidung von Stadt und Kulturgemeinde, aus Anlass ihres 50. Todestags (am 14. April 2007) eine Gedenkveranstaltung zu halten?
Die Meinungen gingen weit auseinander. Auf keinen Fall, meinten die einen. Was Kuni Tremel-Eggert in ihrem Roman "Freund Sansibar" (1938) über Juden schrieb, sei nicht zu entschuldigen. Doch, meinten die anderen. Denn die früheren Bücher der Schuhmacherstochter seien fern jeglicher politischen Ideologie entstanden und zeichneten ein wertvolles Bild der Entwicklung Burgkunstadts.
Bestseller-Autorin
Niemand vermochte mit Gewissheit zu sagen, ob es bei Tremel-Eggert späte Reue gab, ob sie eine Verführte, eine Mitläuferin war, oder das nationalsozialistische Gedankengut überzeugt und anhaltend vertrat. Der Historiker Günter Dippold regte damals an, die Stadt sollte Wissenschaftler mit entsprechenden Forschungen über die einstige Bestsellerautorin beauftragen. Denn, das muss man wissen: Auch wenn es sich um eine Provinzschriftstellerin handelte, ihre Bücher wurden in Millionenauflage gedruckt. In der Zwischenzeit hat sich tatsächlich der Heidelberger Literaturwissenschaftler Professor Ralf Georg Czapla mit der Burgkunstadter Buchautorin intensiv befasst. Der heutige Vortragsabend, zu dem der Geschichtsverein Colloquium Historicum Wirsbergense einlädt, wird ihm Gelegenheit geben, seine Erkenntnisse darzulegen. Im Mittelpunkt stehen die "Dorfgeschichten" der Autorin, in denen sie ein treffliches Bild von der Lebenswirklichkeit der Menschen, von Etablierten und Außenseitern zeichnet. "Etablierte und Außenseiter" hat Czapla auch den Aufsatz überschrieben, den er zu seinen Betrachtungen inzwischen veröffentlicht hat. Uns stand er vorab für ein Interview zur Verfügung.
Herr Czapla, was war für Sie der Anlass, sich näher mit Kuni Tremel-Eggert zu beschäftigen?
Ralf Georg Czapla: Der Anstoß dazu kam während meiner Arbeit an der Biografie über das Geschwisterpaar Friedrich Baur und Claire Bauroff. Kuni Tremel-Eggert war mit Kathi Baurs Schwester Kuni Schuh seit der Schulzeit eng befreundet. Mir fiel auf, wie unterschiedlich im kollektiven Gedächtnis der Region historische Persönlichkeiten beurteilt werden. Im Falle von Franz Josef Strauß war jedes kritische Wort eines zu viel, im Falle von Kuni Tremel-Eggert aber konnte man nicht negativ genug urteilen. Also ging ich dem nach. Dank der Unterstützung von Rüdiger Tremel, des inzwischen leider verstorbenen Großneffen der Schriftstellerin, habe ich persönliche Dokumente von ihr einsehen können, wodurch sich manches von dem relativiert hat, was man gemeinhin mit ihrem Namen verbindet.
Was haben Sie denn zuvor mit ihrem Namen verbunden?
Dass sie die erfolgreichste Schriftstellerin des Dritten Reiches war. Da von ihren Texten auch dialektbereinigte Fassungen erschienen, wurde Tremel-Eggert bis 1945 auch überregional gelesen.
Welche neuen Erkenntnisse haben Sie gewinnen können?
Es gab die öffentliche Person Kuni Tremel-Eggert, die sich in linientreuer Observanz gegenüber der Blut-und-Boden-Ideologie und dem Judenbild den Machthabern andiente, um als Autorin wahrgenommen zu werden, und es gab die private, deren Distanz zu den Funktionären des Dritten Reiches von Jahr zu Jahr wuchs, ehe sie nach dem Soldatentod ihres Sohnes im Januar 1944 völlig mit ihnen brach. Die private Person findet man allerdings nur in Tremel-Eggerts unveröffentlichten Tagebüchern. Schon ihrem letzten Roman "Meister Eibenschütz" war übrigens wegen seiner Judenfreundlichkeit - so das Gutachten des Lektors Karl Schworm - die Freigabe für den Druck verweigert worden.
Sie haben ihre Betrachtungen über Tremel-Eggerts Texte "Etablierte und Außenseiter" überschrieben. Welche Aspekte sind Ihnen dabei besonders wichtig?
Tremel-Eggerts Entgleisungen gegen die Juden (Zitat: "Eiterbeule im Volkskörper") lassen nicht entschuldigen, auch nicht damit, dass sie in "Freund Sansibar" Figurenrede und nicht Autorenrede sind. Andererseits ist nicht zu übersehen, dass Tremel-Eggert in vielen Texten Partei für Randgestalten der Gesellschaft ergreift. Es wäre leicht gewesen, einen Fazer Rapps zum Untermenschen zu stilisieren. Stattdessen tritt uns im gleichnamigen Roman ein Außenseiter entgegen, der in seiner Bizarrerie liebenswürdig ist und von der Gesellschaft gestützt wird.
Nachdem sie sich in ihren letzten Romanen als linientreu entsprechend der Nazi-Ideologie gezeigt hatte, wurde sie nach 1945 von der Etablierten selbst zur Außenseiterin...
Kuni Tremel-Eggert wurde stellvertretend für viele andere an den Pranger gestellt, die im NS-Staat zwar Funktionsträger gewesen waren, die man aber unbehelligt ließ, weil sie sich inzwischen politisch neu orientiert hatten. Ihre Texte wurden verboten. Sie selbst musste durch mehrere Gerichtsinstanzen gehen, ehe man sie als Mitläuferin einstufte und ihr damit einen Status zuerkannte, den zum Beispiel Hitlers Architekt Arno Breker problemlos erhalten hatte.
Ihr Anliegen ist es aber nicht, die Schriftstellerin zu rehabilitieren, oder?
Politisch rehabilitieren lässt sich Tremel-Eggert nicht. Dessen ungeachtet aber sind ihre Texte einer kritischen Revision zu unterziehen, indem man sie eben nicht nur ideologiegeschichtlich, sondern auch regional-, sozial-, mentalitäts- und natürlich auch literatur- und kulturgeschichtlich verortet. Zudem könnte eine kommentierte Edition ihrer Tagebücher dazu beitragen, den Zwiespalt zwischen öffentlicher und privater Person deutlich zu machen. Eine Umbenennung der nach ihr benannten Straße in Burgkunstadt würde eine solche Auseinandersetzung von vorneherein vereiteln.
Was erwarten Sie sich von dem Abend in Burgkunstadt?
Ich will in ihrem Geburtsort Interesse an der Schriftstellerin wecken, um dann zu einem hoffentlich vorurteilsfreien Gespräch über Leben und Werk zu finden. Leistungen und Irrwege liegen im Falle von Tremel-Eggert erschreckend nah beieinander. Insofern ist sie ein warnendes Beispiel für viele, die heutzutage nach Orientierung suchen und der Attraktivität vermeintlich einfacher Lösungen zu erliegen drohen.