Druckartikel: Klimaschutz ist keine Privatsache

Klimaschutz ist keine Privatsache


Autor: Ramona Popp

Lichtenfels, Dienstag, 15. Sept. 2020

Um die Grüne Hausnummer entspann sich eine heftige Diskussion im Stadtrat. Letztlich setzte eine Zwei-Drittel-Mehrheit die künftige Leitlinie für umweltbewusstes Bauen und Wohnen durch.
Die Grüne Hausnummer, eine Plakette als Prädikat für ökologisch und klimatisch verantwortungsvolles Bauen und Wohnen Foto: Stadt Lichtenfels


Es sind Ideen, die von den Bürgern mitgetragen werden. In der ersten Zukunftswerkstatt der Stadt wurden Vorschläge für deren künftige Entwicklung gemacht. Unter der Überschrift "Vision 2030" war auch das umweltbewusste Bauen ein Aspekt. Die Grüne Hausnummer ist eine Plakette, die hierfür als Auszeichnung dient. Doch egal, ob man Wert auf jenes Schild am Haus legt oder nicht: Das zugrundeliegende Bewertungssystem gibt Hausbesitzern und Bauherren einen Überblick über ökologisch sinnvolle und klimafreundliche Maßnahmen. Diese sind nicht zwingend mit Mehrkosten verbunden. Wer sich um die Grüne Hausnummer bewerben möchte, kann wie aus einem Katalog auswählen, was für ihn in Frage kommt. Für jede umgesetzte Maßnahme gibt es Punkte, maximal 100 können erreicht werden, und ab 90 gibt es die Plakette.

Weil einige Anforderungen, zum Beispiel das Versickern von Regenwasser auf dem eigenen Grundstück, der Bau einer Zisterne oder das Pflanzen einer Hecke, bereits heute in Bebauungsplänen als Ausgleichsmaßnahme zur Auflage gemacht werden, hat man sich in der Stadtverwaltung gedacht: Sparen wir uns hier die detaillierte Vorgabe und lassen die Bauherren einfach aus der Übersicht zur Grünen Hausnummer auswählen. Unterm Strich weniger Bürokratie und mehr Flexibilität für die Bürger. Es müssen hierbei auch keine 90 oder 100 Punkte erreicht oder die Plakette beantragt werden. Es geht schlicht darum, dass der Eingriff in die Natur durch einen Neubau direkt auf dem Grundstück ausgeglichen wird, und nicht - wie es sonst nach dem Naturschutzrecht sein müsste - auf landwirtschaftlichen Flächen, die dann nicht mehr für diesen Zweck zur Verfügung stünden. Es geht auch darum, der Allgemeinheit Kosten zu ersparen, die nämlich nötig würden, wenn größere Kanäle gebaut werden müssten, wenn zu viel Fläche versiegelt würde. Ganz zu schweigen, von den Kosten, die der Klimawandel und seine Folgen letztendlich allen Menschen aufbürden wird.

Diese Sichtweise teilte eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Stadtrat, die sich nach langer Diskussion durchsetzte. Das heißt nun nicht, dass der Stadtrat seine Gestaltungshoheit für künftige Baugebiete abgeben wird. Nur können sich mit dem Verweis auf die Liste zur "Grünen Hausnummer" ein paar Seiten Papier erübrigen.

Neun Stadtratsmitglieder lehnten die Einführung der Grünen Hausnummer unter den genannten Vorzeichen ab. Sie sahen darin einen zu weit gehenden Eingriff in die Privatsphäre (Johannes Oppel und Roland Lowig, Wählervereinigung Leuchsental-Jura/WLJ), befürchteten Mehraufwand bei der Gartenpflege (Uwe Held, CSU), und Verteuerung. "Das Geld wächst nicht auf den Bäumen", sagte Heike Kunzelmann (AfD), die die Befürchtung äußerte, Bauwerber würden in andere Landkreise abwandern und Lichtenfels würde dann eine "leere Modellstadt".

Viele der Kriterien schon Standard

Frank Rubner (CSU) verstand den Dissens nicht. Gewisse Regularien müssten sein, aber: "Wir geben hier doch viel mehr Freiheit." Sich die erforderlichen Punkte auszusuchen sollte ein Leichtes sein für Bauherren. Das unterstützte Philip Bogdahn (SPD), der von einem "Bewertungsbogen mit Augenmaß" sprach. Der Mehrkosten-These widersprach er. Er habe mit vier verschiedenen Häuslebauern im Stadtbereich gesprochen, und jeder erfülle die erforderlichen Kriterien schon jetzt, ohne dass er sich finanziell strecken müsste. Er selbst, der ein Haus in Lichtenfels gekauft hat, könne dies ebenfalls bestätigen. Christine Schmidt (Grüne) sagte, sie habe ein Haus aus den 80er-Jahren renoviert, das die Vorgaben ebenfalls erreiche. Das Thema Klimawandel "müssen alle gemeinsam angehen, damit alle gut leben können", betonte sie.

Ein engagiertes Plädoyer hielt Susann Freiburg (Grüne). Die Klimakrise werde kommende Generationen massiv belasten. Das Sterben der Wälder, die Trockenheit, den Wassermangel und hohe Temperaturen könne man schon jetzt sehen. Kommunen müssten Rahmenbedingungen schaffen, um etwas dagegen zu tun. Und sie hob hervor, die Bürger hätten im Strategie-Entwicklungsprozess zur Vision 2030 den Auftrag dazu gegeben. "Wenn wir wollen, dass es unseren Kindern so gut geht wie uns, müssen wir umdenken", mahnte sie. In diesem Bereich könne man nicht auf Freiwilligkeit setzen. Sie gab ferner zu bedenken, dass für jedes Baugebiet ansonsten Ausgleichsmaßnahmen erforderlich werden. Die Kosten würden auf alle Bauherren umgelegt. Freiburg stellte dann auch einen Antrag auf namentliche Abstimmung. Der allerdings wurde nahezu mit der gleichen Mehrheit (10:18) abgelehnt, mit der schließlich die Grüne Hausnummer wie vorgeschlagen auf den Weg gebracht wurde (19:9). Die neun Gegenstimmen kamen von einzelnen CSU-Vertretern, WLJ und AfD.

Wie erklärt sich das? Nun, da mag Robert Gack (CSU) mit seiner Betrachtungsweise richtig gelegen haben. Der meinte nämlich, Vorbehalte gegenüber "tiefgrüner Politik" könnten dabei eine Rolle spielen. Die Grüne Hausnummer reglementiere weniger, lasse Freiheiten und habe nicht so sehr viel mit Geld zu tun, fand er. "Vielleicht hätte man sie ja schwarze Hausnummer nennen sollen, dann wär's für manchen einfacher gewesen."