Druckartikel: Johanneskirche in Michleau: Eine Predigt vom Kanzelaltar

Johanneskirche in Michleau: Eine Predigt vom Kanzelaltar


Autor: Klaus Angerstein

Michelau, Mittwoch, 16. Januar 2019

In der evangelischen Gemeinde Michelau kamen nur wenige Gläubige zum Sonntagsgottesdienst.
Die Johanneskirche in Michelau  Foto: Klaus Angerstein


Das Urteil unseres Testers:

Zugegeben, für einen Katholiken ist die Bewertung eines evangelischen Gottesdienstes nicht ganz einfach. Schlicht und einfach schon deshalb, weil die evangelischerseits wesentlich nüchternere Art des Umgangs mit Glauben sich natürlich auch in der Gestaltung eines Gottesdienstes wiederfindet. Die Lesungen und insbesondere die Predigt rücken hier mehr in den Vordergrund, was einem Katholiken befremdlich vorkommen mag. Das Rituelle, es fehlt ein wenig. Die musikalische Umrahmung genießt dagegen einen hohen Stellenwert, es wird viel gesungen. Schade nur, dass sich so wenige Gläubige auf den Weg in die Kirche gemacht hatten.

Die Bewertung im Einzelnen:

1. Einstieg

Rund drei Dutzend Gläubige waren am Sonntag um zehn Uhr zum Gottesdienst in die Johanneskirche gekommen. Von den Pfarrern war keiner anwesend, die Protagonistin, eine Lektorin, kam aus Lichtenfels. Die Begrüßung fiel eher allgemein aus, es folgte der Hinweis, dass die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Menschen der thematische Wegweiser durch den Gottesdienst sein würde.

2. Musik

Das Orgelspiel blieb angenehm im Hintergrund. Der Organist verstand sich offenbar weniger als Solist, vielmehr als Begleiter der singenden Gemeinde. Und die zeigte sich auch recht sangesfreudig. Das wirkte durchaus angenehm, wie der Musik in dem Gottesdienst überhaupt eine eine tragende Rolle zukam. Zumindest entstand beim Betrachter dieser Eindruck.

3. Lesungen

Die Lesung wurde von einem Gemeindemitglied vorgetragen. Alles war klar und gut verständlich. Dem Thema des Gottesdienstes entsprechend lautete die Quintessenz des Gehörten: Gott ist Liebe. Die Liebe zum Nächsten stand im Mittelpunkt des vorgetragenen Abschnitts des Lukas-Evangeliums mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter.

4. Predigt

Die Lektorin ging auf Jesu Predigttätigkeit in Kapernaum ein, wo ihn viele hören wollten. Damals hätten viele dabei sein wollen in der Gemeinschaft mit Christus. Er schenke mit seinen Ideen eine neue Geschwisterschaft. Und diese Geschwister im Geist seien ebenso viel wert wie leibliche Geschwister. Impulse für den Glauben könne man auch heutzutage in der Versammlung in der Kirche erhalten, ein Angebot, das allerdings zu wenig wahrgenommen werde, hieß es. Es gelte als Gemeinde die Tür zu öffnen, für frische Luft zu sorgen, um wieder attraktiver zu werden. Die Lektorin gab sich reichliche Mühe, 18 Minuten lang. Zu lang.

5. Abendmahl

Ein Abendmahl fand nicht statt.

6.

Der Segnungsspruch vollzog sich in der üblichen Form. Schön war, dass sich die Lektorin die Zeit nahm und nach dem Gottesdienst an der Kirchentür jeden Gläubigen verabschiedete. Klar, dass es dabei auch zu persönlichen Gesprächen kam.

7. Ambiente

Die Michelauer Johanneskirche mag auf den Betrachter ein wenig nüchtern wirken, aber Charme hat sie allemal. Interessant ist der für evangelische Kirchen nicht untypische Kanzelaltar. Hier bilden der Altar und die darüber thronende Kanzel praktisch eine Einheit. Nichts verdeutlicht mehr, dass in der evangelischen Kirche der Predigt eine besondere Rolle zukommt. Wie es sich denn auch die Lektorin nicht nehmen ließ, zur Predigt auf die Kanzel zu steigen. Das machte ganz einfach Eindruck auf jemand, der ansonsten in katholischen Kirchen nur die seitlich erhöhten aber nie genutzten Kanzeln kennt.

8. Kirchenbänke

Die Holzbänke an sich waren wenig auffällig. Es ließ sich gut sitzen, der Abstand zwischen den einzelnen Bankreihen war ausreichend. Wobei das Gefühl von Enge angesichts des spärlichen Besuchs eh nicht aufgekommen wäre. Auffällig waren einzig die Kniebänke, die es in einer evangelischen Kirche eigentlich nicht braucht.

9. Beleuchtung

Die zu Beginn des 19. Jahrhunderts errichtete Kirche lässt viel Licht ins Kircheninnere fallen. Die hohen Seitenfenster schaffen eine helle und freundliche Atmosphäre.

10. Sinne

Mit dem Ansprechen der Sinne ging man eher sparsam um. Das Glockenläuten im Vorfeld, das den Gläubigen als akkustische Einladung zum Besuch des Gottesdienstes dienen soll, war hier noch am auffälligsten.

Warum ein Gottesdiensttest?

Wir wollen mit unserem Gottesdienst-Test die Kirchen ein wenig mehr ins Blickfeld der Öffentlichkeit rücken. Unter Kirchgängern, Geistlichen und Lesern soll eine Diskussion darüber entstehen, was einen guten Gottesdienst ausmacht. Dieses in der Regel sonntägliche Treffen hat für evangelische wie katholische Christen ja bis heute eine große Bedeutung. Soll lebender Ausdruck des Christseins sein. Wir haben uns für eine Bewertung nach objektiven Kriterien theologische Hilfe geholt bei den Professoren Martin Stuflesser (Würzburg), er ist auch Berater der deutschen Bischofskonferenz, und Martin Nicol (Erlangen), der mit seinem Buch "Weg im Geheimnis" ein Plädoyer für den evangelischen Gottesdienst abgibt. Ergänzt werden objektive Kriterien um die subjektiven Eindrücke, die unsere Kollegen gewonnen haben.

Alle Berichte unserer Serie finden Sie auf unserer Übersichtsseite zum Gottesdiensttest. Dort finden Sie auch ausführliche Infos.