Jede Maschine aus Burgkunstadt ein Unikat
Autor: Stephan Stöckel
Burgkunstadt, Mittwoch, 28. Oktober 2015
Die Burgkunstadter Maschinenfabrik Fischer wird 75 Jahre alt. Das schon immer findige Unternehmen ist heute für Reifenhersteller weltweit eine Top-Adresse.
Bernd Hoffmann, ehemaliger Geschäftsführer der Maschinenfabrik Fischer aus Burgkunstadt, kramt nicht nur jede Menge Erinnerungen aus seinem Gedächtnis hervor, sondern aus seiner Hosentasche auch eine Packung Tempos, wie Papiertaschentücher, landläufig genannt werden. Für den 65-jährigen Burgkunstadter ist das ein Beispiel für einen Markennamen, der sich verselbständigt hat und zum Gattungsnamen geworden ist. Geschäftsführer Detlef Knorr greift das Bild, das sein Vorredner gezeichnet hat, gerne auf: "Wenn man in der Reifenindustrie von einer Cordschneideanlage spricht, dann ist oft von einer "Fischeranlage" die Rede. Unser Firmenname ist quasi zu einem Synonym für Cordschneideanlagen geworden." Kein Wunder bei einem Marktanteil von 70 Prozent.
Die Firma Fischer, Weltmarktführer im Bereich der Cordschneideanlagen für die Reifenindustrie, feiert in diesem Jahr ihr 75-jähriges Bestehen. In der Firmenchronik steht geschrieben: "Als wir Anfang der 50er-Jahre auszogen, um die Welt zu sehen, wer glaubte damals schon, dass die Welt einmal zu uns kommen würde." Inzwischen pflegt man Geschäftsbeziehungen mit Kunden aus 65 Ländern. Zwei Tochterunternehmen erblickten 1983 beziehungsweise 2009 das Licht der Welt: das eine in Lawton im US-Bundesstaat Oklahoma, das andere im chinesischen Qingdao.
Wie kam es, dass aus einem mittelständischen Maschinenbaubetrieb aus der oberfränkischen Provinz eine Firma von Weltrang wurde? Der Helmbrechtser Heimatkundler Otto Knopf spricht in seiner historischen Abhandlung über die Firma Fischer ("Der Beginn einer eisernen Epoche") aus dem Jahre 2003 vom "großen Wurf", zu dem das Unternehmen im Jahre 1971 ausgeholt hatte. "Damals wurde von Textilcord- auf Stahlcordreifen umgestellt. Stahlcord, ein Drahtseil aus Stahldraht versehen mit einer dünnen Schicht Messing oder Zink, kombiniert mit Gummi, lässt sich nur schwer schneiden. Uns gelang es, mit einem neuen Verfahren, das Problem zu lösen", erinnert sich Hoffmann.
Hinter dem internationalen Erfolgt steckt für Geschäftsführerin Simone Thies, die zusammen mit Knorr und Ralf Klenner ein Geschäftsführer-Triumvirat bildet, aber auch ein hartes Stück Arbeit, Klinkenputzen und so manch gute Idee. Jede Maschine, die eine der Burgkunstadter Werkshallen verlässt, ist ein Unikat. "Wir sind im Sondermaschinenbau tätig. Auf diesem Gebiet ist es wichtig, auf die Wünsche des Kunden einzugehen. Wenn man die Erwartungen erfüllt und das Produkt stimmt, dann spricht sich das weltweit in der Reifenbranche herum", erläutert Hoffmann.
Begonnen hatte alles an einem anderen Ort und mit ganz anderen Produkten. Im Jahre 1940 erwarb Firmengründer Karl Eugen Fischer (1894 bis 1977) im lothringischen Saargemünd eine stillgelegte Maschinenfabrik, wo er mit der Herstellung von Tresoren begann. Vier Jahre später wurde der Betrieb nach Burgkunstadt zwangsverlagert, in die nicht mehr genutzten Räume der Schuhfabrik "Obermain". Knopf spricht vom "Beginn einer eisernen Epoche". 1947 erfolgte die Übersiedlung in ein eigenes Werksgebäude in den Mainauen unweit des Bahnhofs.
In den ersten Jahrzehnten wurden Produkte hergestellt, die man heute nicht mehr mit der Firma Fischer in Verbindung bringt. Auf Anordnung der US-Militärregierung wurden zunächst die durch den Krieg zerstörten Brücken wieder aufgebaut. Knopf nennt als Beispiel die Eisenbahnbrücke zwischen Hochstadt und Redwitz, die - man höre und staune! - aus Flakgeschützrohren hergestellt worden war. Später verließen Bratpfannen und eiserne Küchenherde den Betrieb. Auch Webstühle erblickten in Burgkunstadt das Licht der Welt. "Die Firma Fischer war früher sehr flexibel", kommentiert Hoffmann die Produktpalette aus längst vergangener Zeit. Dahinter steckt für Thies jede Menge Unternehmergeist und eine gehörige Portion Findigkeit.
Zurück zur Gegenwart. Das Schlagwort vom Fachkräftemangel ist derzeit in aller Munde. Leidet auch die Firma Fischer, die Ende September dieses Jahres 521 Mitarbeiter zählte, darunter? "Es ist uns bislang immer gelungen, alle vakanten Stellen und Ausbildungsplätze zu besetzen", freut sich Thies. Der gute Ruf des Unternehmens trägt für sie und ihre Vorstandskollegen maßgeblich dazu bei. Sicherlich aber auch so manche pfiffige Idee, mit der man bei der Lehrlingsakquise aufhorchen lässt: Bei Workshoptagen werden Berufe wie der Konstruktionsmechaniker jungen Leuten vorgestellt. Auch einen Lehrertag gibt es, an dem Pädagogen für ein paar Stunden in die Rolle von Lehrlingen schlüpfen. Sie werden zu Multiplikatoren, die ihr erworbenes Wissen in die Schülerwelt hineintragen.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) geht in seiner aktuellen Herbstumfrage von einer Eintrübung der Konjunktur aus. Trifft das auch auf die Firma Fischer zu? Thies schüttelt mit dem Kopf. "Davon spüren wir nichts. Bei uns sind bereits die ersten Vorbestellungen für das Jahr 2016 eingegangen. Wir gehen voller Zuversicht in das neue Jahr", zieht sie ein positives Fazit.