Wenn man die 50 überschritten und seine Arbeit verloren hat, sind die Chancen auf eine neue Anstellung nicht gut. Das hat auch Arthur Baumann (Name von der Redaktion geändert) erfahren. Aber er hat Ideen. Leuten wie ihm will die Coburgerin Anna-Katharina Schmidt Mut machen.
Langzeitarbeitslos ist Arthur Baumann nicht. Aber er fühlt sich so. "Fünf Monate sind für mich zu lang", sagt der 56-Jährige, für den eine solche Pause in seinem Arbeitsleben neu ist. Vor fünf Monaten endete der befristete Arbeitsvertrag, den er zuletzt hatte. Auch etwas, das er so nicht kannte. Über Jahrzehnte war der gelernte Kaufmann und Betriebswirt überwiegend in zwei großen Industriebetrieben in der Region tätig, er hat aber auch in kleineren Unternehmen und im Handwerk gearbeitet.
Sein Lebenslauf zeigt langjährige, solide Beschäftigungen, verantwortungsvolle Positionen. Baumann hat das, was man einen reichen Erfahrungsschatz nennen kann. Eine Stelle gefunden hat er in den vergangenen fünf Monaten aber nicht. Und das, obwohl er über 90 Bewerbungen geschrieben und sich mehrfach persönlich vorgestellt hat. Er ist rührig, wartet nicht auf Vorschläge des Arbeitsamtes.
Es könnte sogar sein, dass er seinen Arbeitsvermittler stresst.
Sein Problem, glaubt Baumann, ist sein Alter, obwohl man das in den Führungsetagen nicht ausspricht, weil Altersdiskriminierung ja nicht sein dürfte, und weil die Politik ja propagiert, dass die über 50-Jährigen wertvoll für den Arbeitsmarkt seien. "Man glaubt, ich will zu viel Geld, ich käme dem Unternehmen zu teuer." Dabei bewirbt sich Arthur Baumann nicht nur um Führungsaufgaben. Er war lange Vorgesetzter, aber es ist ihm nicht wichtig, wieder einer zu werden. Wichtig sind ihm ein gutes Arbeitsklima, Werte wie Ehrlichkeit und Fairness - und eine Entlohnung, die ihn nicht im Jahresvertrags-Takt dem Sozialhilfesatz näher bringt. "Geld ist nicht alles", sagt der 56-Jährige, der in einer Landkreisgemeinde wohnt.
Und doch schwebt das Datum, von dem ab er kein Arbeitslosengeld mehr erhalten wird, wie ein Damo klesschwert über ihm.
Kraft für eine Alternative Es gebe Phasen der Resignation, räumt Baumann ein. Mit jeder Niederlage fordere aber auch der Gedanke an Selbstständigkeit Raum. Wenn er darüber spricht, spürt man positive Kraft. Auch Anna-Katharina Schmidt hat das gespürt. Die Coburgerin hat es sich zur Aufgabe gemacht, Leute wie Arthur Baumann zu beraten. Über einen Zeitungsartikel hat der Mann aus dem Landkreis Lichtenfels davon erfahren. "Warum sollen Frauen und Männer über 50 sich nicht noch selbstständig machen können?"
Aus ihrer Sicht ist das eine denkbare und praktikable Alternative zur Arbeitslosigkeit. Hilfe kann dabei die gemeinnützigen Initiative Gründer 50plus geben. Schmidt ist deren Regionalpartnerin für Oberfranken.
In der Coburger Kirchgasse 5, schräg gegenüber der Morizkirche, hat sie sich ein Büro eingerichtet. Eine familiäre Atmosphäre ist ihr wichtig. Wer zu ihr kommt, soll sich wohl fühlen, Hemmschwellen überwinden und Vertrauen haben. Was bietet sie an?
"Wer sich selbstständig machen möchte, kann bei uns eine Entscheidungshilfe und Beratung bekommen, wenn er schon eine Idee im Hinterkopf hat." Und wer völlig ohne Vorstellungen zu Anna-Katharina Schmidt kommt, wird auch nicht wieder weggeschickt. "Dann können wir gemeinsam eine Stärken-Analyse machen. Denn Menschen über 50 bringen eine gewisse Berufserfahrung mit oder haben ein Hobby, aus dem sich etwas machen lässt." Es sei doch unverantwortlich, solche Ressourcen zu verschwenden, indem man die Leute aufs Abstellgleis stellt.
Sehr gute Erfahrungen gebe es bereits in Nordrhein-Westfalen, wo Gründer 50plus schon seit einigen Jahren tätig ist. Die Initiative wurde dafür im Jahr 2012 mit dem Europapreis für Solidarität zwischen den Generationen ausgezeichnet. "Gründer 50plus wächst momentan in ganz Deutschland und bietet nun auch in Oberfranken kostenlose Informationsveranstaltungen für Gründungswillige und Arbeitslose an", erläutert Anna-Katharina Schmidt.
Sie bringt als Regionalpartnerin eine Menge Wissen mit. Sie hat Germanistik, Politik und Journalismus studiert und ein Fernstudium in Bildungswissenschaft absolviert. Über Jahre war sie bei der Agentur für Arbeit beschäftigt, zuletzt in einem Jobcenter. Das heißt, sie kann recht gut einschätzen, welche Geschäftsidee eine Chance auf Erfolg hat und von welcher eher abzuraten ist.
"Für Existenzgründer über 50 bieten sich Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen an. Da ist der finanzielle Aufwand für den Neustart relativ gering."
Erste Hilfen Es gibt verschiedene Hilfsangebote, mit denen Anna-Katharina Schmidt aufwarten kann. Es geht los mit kostenlosen Informationsveranstaltungen. Wer sich für ein intensiveres Training entscheidet, der kann auch an Workshops teilnehmen, die über die KfW-Bank gefördert werden. "Aber die Teilnehmerkosten halten sich sowieso in Grenzen", sagt Anna-Katharina Schmidt. Sie bewegen sich zwischen 20 und 100 Euro.
Es ist aber auch möglich, ein Einzel-Coaching zu nutzen. Das wird ebenfalls gefördert. Schmidt sagt, sie würde sehr gern auch mit der Agentur für Arbeit und den Jobcentern zusammenarbeiten.
Bisher gab es da aber nur eine Kontaktaufnahme mit ihr - seitens des Jobcenters Coburg-Land.
Ein Unternehmer, ganz wörtlich Arthur Baumann ist sich jedenfalls sicher, dass er demnächst einen "Gründer50plus"-Workshop besuchen will. Um mehr Grundlagen über eine mögliche Selbstständigkeit zu erfahren. "Ich weiß nicht, wo der Weg hingeht", sagt er. "Aber ich weiß, dass ich so viele Ideen hab'." Er kann sich zum Beispiel auch einen Einsatz im sozialen Bereich vorstellen. An seinen Ideen jedenfalls wird Arthur Baumann weiterschmieden, vielleicht bis zu dem Schritt in die Selbstständigkeit.
"Ich sehe mich als Unternehmer", merkt er an - denn er müsse einfach etwas unternehmen.
Was verbirgt sich hinter "Gründer 50plus"?
Initiative "Gründer 50plus" ist eine gemeinnützige Initiative, die es sich seit 2007 zur Aufgabe gemacht hat, berufserfahrene Menschen über 50 Jahren, die sich selbstständig machen wollen, durch Beratung und Begleitung bei ihrem Vorhaben zu unterstützen. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt bei älteren Gründern, die aus finanziell bedrohlichen Situationen heraus und/oder zur Realisierung einer sozialen Geschäftsidee gründen wollen.
Vision Die Vision von "Gründer 50plus" ist eine Gesellschaft, in der die Existenzgründung und das unternehmerische Engagement berufserfahrener Menschen über 50 Jahren zur Normalität gehören.
Ziel
Erklärtes Ziel ist es, (Alters)verarmung in Deutschland durch Gründung selbstständiger Existenzen zu verhindern und durch die Gründung von sozialen Unternehmen nachhaltig zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beizutragen. Dabei stehen Menschen der Generation 50plus in ihrer jeweiligen Lebenslage mit ihren großen Ressourcen und Kompetenzen im Mittelpunkt. Die Mitarbeiter der Initiative wenden sich gegen die defizitorientierte Sichtweise auf ältere Menschen.
Workshop Der nächste Tagesworkshop wird angeboten am Freitag, 26. Juli, in Coburg. Interessierte können sich noch anmelden.
Kontakt Anna-Katharina Schmidt ist unter 09561/53441, 0176/50615512 oder info@beratunsgsstelle-schmidt.de erreichbar.