Druckartikel: "Ich stehe für mehr Transparenz"

"Ich stehe für mehr Transparenz"


Autor: Ramona Popp

Lichtenfels, Freitag, 01. Februar 2019

Alexander Schmidtke, jüngst als "Manager des Jahres ausgezeichnet", wird sich als neuer Regiomed-Hauptgeschäftsführer einer großen Herausforderung stellen.
Alexander Schmidtke ist Regiomed-Hauptgeschäftsführer und wurde jüngst als "Manager des Jahres" ausgezeichnet.Foto: Peter Fastl


Vergangenes Jahr musste der Klinikverbund Regiomed erstmals nach zehn Jahren Verluste melden. Nach dem vorläufigen Ergebnis wird 2018 mit einem Minus von zirka vier Millionen Euro abgeschlossen (bei 316 Millionen Umsatz). Nach dem Umzug in das neue Krankenhaus wünscht man sich in Lichtenfels, dass es rund läuft in der Patientenversorgung und Mitarbeiterzufriedenheit. In den designierten neuen Hauptgeschäftsführer werden deshalb hohe Erwartungen gesetzt. Wir hatten Gelegenheit zu einem Gespräch mit Alexander Schmidtke, der vom Universitätsklinikum Augsburg in seine oberfränkische Heimat zurückkehrt.

Im Herbst war erstmals von Verlusten bei Regiomed die Rede. Das hat selbst den Aufsichtsratsvorsitzenden Landrat Christian Meißner kalt erwischt. Sie auch?

Ich bin im Mai, als ich berufen wurden, noch davon ausgegangen, dass die Regiomed-Gruppe schwarze Zahlen schreibt. Erstmals bin ich vom kaufmännischen Geschäftsführer Ende Oktober über die Entwicklung informiert worden. Insofern war es schon überraschend für mich.

Können Sie bereits eine Einschätzung zu den Ursachen abgeben?

In der Zwischenzeit habe ich Unterlagen zur Verfügung gestellt bekommen und mir die wirtschaftliche Entwicklung in den letzten fünf Jahren angesehen. Dabei ist aufgefallen, dass es bereits im Jahr 2017 im operativen Geschäft einen leichten Verlust gab, der ausgeglichen werden konnte. Dennoch hätte ich erwartet, dass man beginnt, Ursachen zu identifizieren und gegenzusteuern. Dies habe ich auch mit den Verantwortlichen besprochen. Aus meiner Sicht waren die Erlöserwartungen in den letzten Jahren sehr ambitioniert. Ich möchte eher konservativer und defensiver planen. Wobei ich keine Schuldzuweisungen aussprechen möchte, da ich die damaligen Rahmenbedingungen nicht kenne. Allerdings bin ich ein Verfechter davon, einen Wirtschaftsplan ganz konkret mit Maßnahmen zu hinterlegen, die man zur Ergebnisverbesserung umsetzen will.

Welche sind die defizitären Geschäftsfelder?

Zunächst ist zu sagen, dass alle Einrichtungen eine Ergebnisverschlechterung aufweisen. In wirtschaftlicher Sicht ist das Defizit aber hauptsächlich im Klinikum Coburg sowie in der Altenhilfe - und hier durch den sehr hohen Einsatz von Honorarkräften - entstanden. Einen leichten Verlust haben wir in Hildburghausen zu verzeichnen. Derzeit ist mein Kenntnisstand, dass das Klinikum Lichtenfels mit einer knappen schwarzen Null abschließen wird, ebenso wie Sonneberg und Neuhaus. Als kommunaler Verbund wollen und müssen wir keine hohen Gewinne erzielen. Mein Ziel ist es aber, die Einrichtungen so zu führen, dass Überschüsse erwirtschaftet werden, um selbst in die Zukunft investieren zu können. Sonst wird es uns schwerfallen, auf Dauer eine hoch qualifizierte Versorgung für die Patienten zu leisten.

Ist die Krankenhausfinanzierung mit Fallpauschalen etc. ein grundsätzliches, von der Politik verursachtes Problem?

Die Finanzierung wurde im Jahr 2003 von den tagesgleichen Pflegesätzen auf diagnosebezogene Fallpauschalen umgestellt. Man ging davon aus, dass das damalige System die Krankenhäuser für eine lange Liegezeit der Patienten belohnt hat. Die Politik wollte mit einem Abrechnungssystem gegensteuern, das Diagnose und Schweregrad des Patienten in den Mittelpunkt stellt. Ein sehr komplexes Thema, das damals wie heute für große Diskussionen sorgt. Inzwischen wurden viele weitere Vorgaben und Einzelregelungen hinterlegt, um eine qualitativ hochwertige Versorgung sicherzustellen. Daraus ist allerdings ein Bürokratiemonster für die deutschen Kliniken entstanden. Das System ist inzwischen so komplex, dass der normale Bürger und Patient die Systematik nur noch schwer verstehen kann. Die Strukturvorgaben von Politik und Kassenverbänden gehen dabei kurz gesagt in eine Richtung, die vor allem große Kliniken bevorzugt. Dahingegen möchte der Freistaat Bayern, wie es im Koalitionsvertrag festgehalten, die ländlichen Regionen unterstützen und weiterhin eine flächendeckende medizinische Versorgung sicherstellen.

Wo wollen Sie den Hebel ansetzen, um die Wirtschaftlichkeit im Klinikverbund zu verbessern?

Was wir brauchen, ist ein Regiomed-weites medizinisches Konzept und ein dazu passendes Personal- und Organisationskonzept. Damit werden wir künftig in der Lage sein, Personalengpässe durch Krankheitsfälle oder bei einer Kündigung aus eigener Kraft zu stemmen und weniger Honorarkräfte einsetzen zu müssen. Ich stelle mir vor, dass die Einrichtungen im Verbund noch mehr zusammenwachsen und sich gegenseitig aushelfen. Das passiert bereits in Einzelfällen, wie derzeit in Lichtenfels. Hier wird die Abteilung Kardiologie bis zum Arbeitsbeginn des neuen Chefarztes mit Ärzten aus Coburg unterstützt, um die Versorgung vor Ort sicherzustellen. Aber hier müssen wir konsequenter handeln, um positive Effekte für alle zu erreichen. Und natürlich wird sich auch die Frage stellen, ob an jedem Ort auch jede Leistung vertreten sein muss. Ohne dass ich die Einzelheiten kenne, möchte ich nichts versprechen oder Ängste wecken, aber sicherlich wäre ein gemeinsamer Springerpool mit Ärzten und Schwestern eine sinnvolle Ausgestaltung für alle Einrichtungen. Auch für die Erreichung von Strukturvoraussetzungen und Qualitätsvorgaben wäre eine engere Abstimmung und übergreifende Zusammenarbeit angebracht.

Ich verstehe unsere Aufgabe als Regiomed so, dass wir ein Gesundheitsversorger für die gesamte Region sind und eben nicht nur Voraussetzungen für einen bestimmten Standort schaffen. Dabei muss es weniger darum gehen, wie welches einzelne Haus ausgestattet ist, als mehr um die Gesamtversorgung. Das war ja auch der Gründungsgedanke - allein werden die Standorte langfristig nicht wirtschaftlich arbeiten können. Durch den Zusammenschluss wollen wir mit allen Krankenhäusern, der Altenhilfe und allen Einrichtungen die Gesundheitsversorgung sichern.

Ist diese Sichtweise auch der ländlichen Region geschuldet?

Wir haben einen Fachkräftemangel in Deutschland. Es fehlen Ärzte, es fehlen Pflegekräfte und auch immer weniger Auszubildende entscheiden sich für einen sozialen Beruf. Jedoch haben wir gewisse Personalvorgaben in der Versorgung, die bindend sind. Die Akquise von genügend qualifiziertem Personal ist eine der Hauptaufgaben, der wir uns künftig zu stellen haben. In einer ländlich strukturierten Region wie hier in Oberfranken ist es beispielsweise viel schwieriger, Ärzte anzusprechen, als an meiner jetzigen Wirkungsstätte in Augsburg. Ketzerisch gesagt hat dort manche Abteilung mehr Patienten als hier ein ganzes Krankenhaus.

Besteht bereits konkret ein Personalmangel?

Vor allem im ärztlichen Bereich muss man von einem zunehmenden Personalmangel sprechen. Im Bereich der Pflege ist die Situation nicht so angespannt. Daher finde ich den Ansatz der Medical School genial, weil er uns aus eigener Kraft die ärztliche Versorgung sichern kann.

Man hat sich in Lichtenfels Hoffnungen auf eine Nutzung des leeren Helmut-G.-Walther-Klinikums durch die aus Split zurückkehrenden Studenten gemacht. Inzwischen sind Gebäude oberhalb des Klinikums dafür vorgesehen.

Gerade werden Schulungsräume hergestellt für die Studenten, die im Herbst kommen. Es gibt insgesamt zwei Umbaumaßnahmen für Lehrveranstaltungen; eine in Lichtenfels und eine in Coburg.

Gibt es neue Ideen für den Krankenhaus-Altbau?

Da sind noch keine konkreten Pläne zu mir durchgedrungen, damit habe ich mich noch nicht beschäftigt.

Für das Klinikum Coburg bestehen große Neubaupläne. Wie ist ihre Meinung dazu?

Der Standort inmitten der Coburger Südstadt ist sehr beengt. Um das Klinikum Coburg gibt es kaum bis keine vernünftige Ausweichfläche. Eine Generalsanierung und die damit verbundene Großbaustelle über zehn bis 15 Jahre im laufenden Betrieb wäre eine Zumutung für Mitarbeiter und Patienten. Ich würde es den Coburgern wünschen, dass sie ein Krankenhaus bekommen, wo in besten Strukturen auch zukünftig die Menschen gut versorgt werden können.

Wie kann man so eine Investition in Anbetracht des Defizits von Regiomed erklären?

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die Investitionsfinanzierung liegt bei den Ländern, nur ein möglicher Anteil muss von Regiomed übernommen werden. In einem Neubau kann man aus meiner Sicht auch wirtschaftlicher arbeiten.

Sie wurden mit einer Aussage zitiert, wonach sich Wirtschaftlichkeit und Humanität im Klinikbereich nicht widersprechen.

Das habe ich schon immer gesagt. Wenn Sie Strukturen und Prozesse ganz stringent an den Bedürfnissen des Patienten ausrichten, dann arbeiten Sie auch wirtschaftlich. Das muss auch der rote Faden für die Modernisierung bei Regiomed sein. Ich möchte mir Zeit nehmen für die Politik, die Mitarbeiter, Patienten und Angehörige; ich möchte ansprechbar sein - damit ich auch gleich erfahre, wenn etwas nicht gut läuft oder verbessert werden kann.

Da ließ die Kommunikation bei Regiomed in der Vergangenheit etwas zu wünschen übrig...

Ich bin für Transparenz und Offenheit, dafür stehe ich. Und ich höre auch zu, nehme die Dinge ernst und integriere sie in meine Entscheidungen. Die Fragen stellte Ramona Popp