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Hightech lenkt jetzt Traktoren


Autor: Peter Groscurth, Maximilian Glas

Ebensfeld, Montag, 01. August 2016

Zentimetergenau steuern Satelliten nun Schlepper einiger Landwirte. Die Vorteile sind groß, Kosten werden gespart und die Umweltbelastung sinkt.
V6-Motoren, bis zu 240 PS stark und enorm viel Rechnerleistung in der Fahrerkabine - moderne Traktoren wie hier in Hüttendorf bei Erlangen können schon heute völlig autonom auf den Feldern ihre Runden ziehen.  Foto: Peter Groscurth


Was sich auf unseren Straßen nach Zukunftsmusik anhört - das Fahren von Autos durch Computer - ist auf Frankens Feldern schon heute möglich, auch wenn es der Gesetzgeber noch nicht zulässt. Wird es in absehbarer Zeit satellitengesteuerte Traktoren geben, die künftig ohne Fahrer die Felder bestellen? "Im Moment kann ich mir das ehrlich gesagt nicht vorstellen, aber wenn das bei einem Auto auf der Straße funktioniert, sollte es bei einem Schlepper auf dem Feld dreimal funktionieren", sagt Hans-Jürgen Rebelein, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands (BBV) für den Landkreis Lichtenfels.

Hightech erobert immer mehr die Bauernhöfe und auch die Kabinen der neuen Traktoren. Dank neuester Soft- und Hardware können die Schlepper mit satellitengesteuerter Navigation zentimetergenau geleitet werden.

Vor allem der Maschinenring Regnitz-Franken mit seinen 2100 Mitgliedsbetrieben treibt den Ausbau dieser Technologie voran und stößt schon bis in die oberfränkischen Landkreise Forchheim und Bamberg hinein. Auch im Kreis Lichtenfels wird die Technik bereits von einigen wenigen Landwirten eingesetzt, verrät Holger Heymann, Geschäftsführer des Maschinenrings Coburg-Kronach-Lichtenfels. "Grundsätzlich gilt: je größer der Betrieb, desto größer der Nutzen der Technik", sagt er.


Funknetz entscheidet

Aber um was genau handelt es sich bei dieser Innovation? Im Mittelpunkt steht zunächst einmal das GPS-Signal von Satelliten im All, das auch schon unsere Handys empfangen und verarbeiten. Doch für die Landwirtschaft sind das Mobilfunknetz und die Daten darauf nicht gerade zuverlässig, so Stephan Spitzer vom Maschinenring Regnitz-Franken.

Problem: Nicht überall bietet das Handynetz eine gute Versorgung - vor allem nicht auf dem Land und es gebe zudem Probleme, wenn zu viele Menschen gleichzeitig telefonieren. Dann würden Daten langsamer übertragen. Ein Riesennachteil für die autonome Steuerung von Traktoren, die dann quasi blind wären. Daher baut der Maschinenring in weiten Teilen Mittelfrankens ein eigenes Funknetz auf, das die Daten aus dem All störungsfrei in bester Qualität gewährleistet. Modems in den Traktoren fangen das auf und übertragen es auf die Steuerung der Schlepper. Die Errichtung eines separaten Funknetzes für die Region Lichtenfels sei aktuell nicht geplant, so Holger Heymann. "Das Gelände hier besteht aus vielen Hügeln und Tälern. Da bräuchte man sehr viel Funkmasten und das wäre dann unrentabel", erklärt er. Landwirte, die die Technik im Landkreis Lichtenfels nutzen möchten, müssen also zwingend über ein störungsfreies Mobilfunknetz verfügen.

Georg Schauer hat auf seinem Hof im Ebensfelder Gemeindeteil Neudorf bereits vor zwei Jahren Maschinen auf die Satelliten-Technik umrüsten lassen. "Ich würde es heute jederzeit wieder machen", sagt der Landwirt. "Eine Sache ist natürlich die finanzielle Ersparnis an Betriebsmitteln, der zweite Punkt ist der höhere Komfort, den man natürlich in Geld nicht messen kann." Die Entlastung der Landwirte sieht auch Heymann als großen Vorteil an: "Manchmal sitzen die Fahrer ja von früh bis abends auf ihrer Maschine. Mit der Technik braucht man nicht mehr auf die Fahrspur zu achten und kann sich besser auf die Einstellungen der Maschinen und die Überwachung konzentrieren."

Aus technischer Sicht könnten die Traktoren selbst ohne Fahrer auf den Feldern unterwegs sein. Das gestattet allerdings der Gesetzgeber aktuell noch nicht. Ganz im Gegensatz zu den Niederlanden, wo das bereits heute erlaubt ist.
Aber wo konkret liegen die Einsparmöglichkeiten für die Landwirte durch das autonome Navigieren durch die Äcker? "Vor allem bei kleinen Feldern lohnt sich die autonome Steuerung, denn sie berechnet optimal die Abfahrt durch die Flur, was die Wendezeiten stark verkürzt", erklärt Christian Jenth von der Baywa. "Zusätzlich wird so auch Treibstoff gespart. Nach meiner Schätzung kann der Ertrag durch die moderne Technik um bis zu 14 Prozent gesteigert werden."

Außerdem können Landwirte wichtige Daten sammeln - und zwar von allen Arbeiten auf den Feldern: Eggen, Walzen, Säen, Düngen, Spritzen. Dann kann sogar das genaue Ertragspotential eines einzelnen Feldes bestimmt werden. Und zwar dank satellitengestützten Bodenproben. Diese Informationen werden schließlich auf einem mobilen Bordcomputer im Schlepper gespeichert, der auch mit Satelliten in Funkverbindung steht. Dann weiß der Landwirt, wo genau am Feld wie viel Nährstoff gebraucht wird - mit diesen Informationen kann später, wenn die Saat aufgegangen ist, das Getreide viel effizienter gedüngt werden. Was zum einen die Kosten senkt und zum anderen die Umwelt schont.


Auf "unsichtbaren Schienen"

Beim autonomen Fahren zieht der Traktor auf zwei Zentimeter genau bei der Saat eine Spur neben der anderen. Dabei muss der Fahrer die Hand nur noch beim Umwenden am Lenkrad haben. Sobald er auf der Längsachse im Acker fährt, wird der Schlepper automatisch gelenkt und fährt wie auf unsichtbaren Schienen übers Feld - das Fahrzeug sät ohne Überlappung deutlich sparsamer als handgesteuert. Ohne Satellitenhilfe könnte es längst nicht so lang und exakt mit 15 bis 20 Stundenkilometern fahren, vor allem nicht in der Nacht.
Doch diese Technologie hat auch ihren Preis. Wer die Daten des Funknetzes nutzen möchte, muss an den Maschinenring Regnitz-Franken 790 Euro pro Jahr zahlen. "Je mehr Kunden wir gewinnen können, desto mehr könnte diese Gebühr sinken", so Spitzer. Die Umrüstung der Traktoren-Steuerung schlägt einmalig mit 7000 bis 10 000 Euro zu Buche.


Für kleine Betriebe zu stemmen?

Bei der Installation des Systems mit drei Zentimetern Spurgenauigkeit können die Kosten laut Holger Heymann sogar auf bis zu 20 000 Euro ansteigen. "Bei den kleinen Strukturen und Betrieben, die es ja im Kreis Lichtenfels größtenteils gibt, ist das natürlich eine Kostenfrage", erklärt Hans-Jürgen Rebelein. Der BBV-Geschäftsführer könne sich aber vorstellen, dass kleine Betriebe zumindest leihweise durch einen überbetrieblichen Maschineneinsatz von der neuen Technik profitieren können.

Auch Landwirt Franz Böhmer aus Niederau (Gemeinde Ebensfeld) hat über die Anschaffung der Vorzeigetechnik nachgedacht. "Mir persönlich war es am Ende vor allem finanziell zu aufwendig", sagt er. "Bei den aktuell sehr schlechten Preisen in der Landwirtschaft mache ich kleine Schritte und schaffe mir nur Sachen an, die ich unbedingt brauche."
Für interessant hält Böhmer das autonome Fahren aber allemal: "Natürlich vor allem für die jungen Landwirte, die damit groß geworden sind."