Helfer in schweren Stunden - die Notfallseelsorger im Kreis Lichtenfels
Autor: Matthias Einwag
Lichtenfels, Donnerstag, 16. Februar 2017
Im Kreis Lichtenfels gibt es ein ökumenisches Notfallseelsorge-Team. Es betreut sowohl die Angehörigen von Unfallopfern als auch die Einsatzkräfte.
Ein schwerer Unfall, ein Brand, ein Suizid. Das sind Situationen, in denen geistlicher Beistand, psychologische Begleitung wünschenswert sind. Nicht in jedem Landkreis gibt es das, was im Kreis Lichtenfels seit 2011 Standard ist: Einen Arbeitskreis PSNV.
Das Kürzel steht für Psychosoziale Notfall-Versorgung, einer Einrichtung, die von haupt- und ehrenamtliche Kräften getragen wird. Auf Landkreisebene arbeiten hier mehrere Rettungsorganisationen mit den beiden christlichen Kirchen zusammen. Das aus fünf Personen bestehende ökumenische Notfallseelsorgeteam koordiniert Dienstpläne und Termine.
In Kontakt mit den Organisationen
Der Diplom-Religionspädagoge Simon Croner ist Beauftragter des Evangelischen Dekanats Michelau für die Notfallseelsorge und Sprecher dieses Teams. Neben seinem Hauptberuf als Religionslehrer an Grundschulen kümmert sich der 33-Jährige um die Kontaktpflege zu den Hilfsorganisationen (Feuerwehr, Rotes Kreuz, THW, Wasserwacht, DLRG und Polizei) und ist als Notfallseelsorger vor Ort dabei. Das Metier kenne er gut, denn er arbeitete während des Studiums selbst im BRK-Rettungsdienst mit, sagt er. Psycho-Soziale Notfall-Versorgung spalte sich in zwei Bereiche auf: Zum einen in die Angehörigen- und Opfer-Seelsorge, zum andern in die Einsatzkräfte-Betreuung. Die letztgenannte Komponente habe in den vergangenen Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen, weil erkannt worden sei, dass hier Bedarf bestehe, erläutert Simon Croner.
Freiwilligkeit ist oberste Prämisse
Dabei drängen sich die Seelsorger nicht auf. Die Nachsorge nehmen sie auf Anforderung des Einsatzleiters wahr. "Keiner muss etwas sagen - es ist ein freiwilliges Kommen und ein freiwilliges Reden", erklärt Simon Croner. In belastenden Situationen entscheidet der Einsatzleiter, ob die Seelsorger zugezogen werden. Über ihren Piepser sind diese täglich rund um die Uhr in Rufbereitschaft, um notfalls vor Ort dabei zu sein, Gespräche zu führen und Angehörige zu betreuen. Bei größeren belastenden Einsätzen stehen Dreier-Teams für die Betreuung bereit.
Das ICE-Unglück von Eschede 1998 markiere einen Wendepunkt, fährt Simon Croner fort. Seither sei die Betreuung der Einsatzkräfte nach besonders belastenden Unfällen oder Naturkatastrophen stärker im Fokus; die Notfallseelsorger seien von Anfang an mit dabei.
Einzeln oder im Kollektiv
Für die unmittelbare Nachsorge - meist in einem Feuerwehrhaus - gelte: "Man nimmt die mit ins Boot, die vorne in der Leichenbergung eingesetzt waren." In Einzelgesprächen, aber auch bei einer kollektiven Nachbesprechung, werde das Erlebte unmittelbar nach dem Einsatz verarbeitet. Darauf sind die Notfallseelsorger und PSNV-Team-Mitglieder vorbereitet und dafür wurden sie in speziellen Seminaren geschult. Insgesamt rund 40 Einsätze hat das Team jährlich im Kreis Lichtenfels zu bewältigen. Die weitaus meisten Einsätze gelten Betroffenen oder Opfern. Die Notfallseelsorger begleiten die Polizei beim Überbringen einer Todesnachricht, sie stehen bereit nach Todesfällen im häuslichen Umfeld oder nach Suiziden. "Wenn ein Pfarrer nicht übernehmen kann, macht das der diensthabende Notfallseelsorger." Simon Croner: "Im Landkreis Lichtenfels sehe ich eine gute Akzeptanz bei allen Hilfsorganisationen."
Wissen, worüber man spricht
Wenn Simon Croner in einen solchen Einsatz geht, braucht er zunächst klare Informationen über das Geschehen. Die Reaktionen von Angehörigen seien unterschiedlich; sie reichen von hysterisch bis apathisch. "Das Wichtigste ist Da-Sein", beschreibt er seine Aufgabe - und "man muss auch mal schweigen können". In solchen Augenblicken, erklärt er, treffe man auf Menschen, die noch nicht realisierten, was geschehen ist, weil die Umstände ihnen unwirklich erscheinen. Und wer betreut die Betreuer? Simon Croner lächelt und antwortet, da nutze jeder seine eigenen Ressourcen der Stressbewältigung. Er treibe zum Ausgleich Sport und engagiere sich bei der Bergwacht.
Und woraus schöpft Simon Croner Mut? Er denkt kurz nach und nennt Dietrich Bonhoeffers bekanntes Gedicht: "Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben - und mit euch gehen in ein neues Jahr." Als Christ wisse er: "Gott ist da erfahrbar, wo Grenzen sind und nicht nur heiter Sonnenschein."
Was ist PSNV?
Abkürzung Die Abkürzung steht für Psychosoziale Notfall-Versorgung. Dem fünfköpfiges Leitungsteam im Landkreis Lichtenfels gehören Simon Croner (Evangelische Kirche), Clemens Grünbeck (Katholische Kirche), Alfred Bernhardt (Kreisfeuerwehrseelsorger) sowie Marion Rink und Sandra Hofmann (beide BRK) an.Einsatz Unterschieden werden die beiden Bereiche Angehörigen-/Opfer-Seelsorge sowie Nachsorge für die Einsatzkräfte der Feuerwehren und Rettungsdienste. Alarmiert werden die Notfallseelsorger, die rund um die Uhr Rufbereitschaftsdienst haben, in der Regel von Führungskräften der Feuerwehr.