Heiterkeit ist am Stammtisch Trumpf
Autor: Matthias Einwag
Bad Staffelstein, Montag, 19. Juni 2017
Seit über 50 Jahren trifft sich eine Staffelsteiner Herrenrunde regelmäßig zum Stammtisch - jeden Mittwoch in einer anderen Gaststätte.
Diesmal haben die zehn Herren einen Lokaltermin in Weisbrem. Das ist wörtlich zu nehmen. Seit 1964 besucht die Männerrunde jeweils mittwochs einen Gasthof im Staffelsteiner Land. Neun Lokalitäten von Nedensdorf über Bad Staffelstein und Horsdorf bis Loffeld steuern sie regelmäßig an. Weil sie von Woche zu Woche in einer anderen Wirtsstube Platz nehmen, nennen sie sich Wanderstammtisch. Wir trafen sie im Gasthof Dinkel in Weisbrem.
Keine Statuten, keine Regularien
Der jetzt 83-jährige Zimmermann Adolf Ge uß und der Bauunternehmer Peter Essmeyer (jetzt 72) waren 1964 die Initiatoren. Noch heute nennen die Mitglieder des Stammtischs Adolf Geuß ihren "Präsidenten", obwohl es dieses Amt ja streng genommen gar nicht gibt - so wie sich der Wanderstammtisch auch keine Statuten geben hat. Bewusst nicht, denn die Herren wollen sich nicht mit langwieriger Terminplanung und schon gar nicht mit Regularien abquälen. Rund 40 Mal jährlich kommt die Runde zusammen - über 53 Jahre hinweg läppert sich das auf 2120 Stammtischabende, und wenn man davon ausgeht, dass sie jedesmal rund zwei Stunden zusammensitzen, verbrachten sie rund 4240 Stunden miteinander. An Themen herrscht kein Mangel. Die Ereignisse, die in all den Jahren angesprochen wurden, würden Bände füllen, hätte der Schriftführer eines Vereins sie festgehalten. Meist geht es um örtliche oder persönliche Dinge - niemals aber um Lokal-, Bundes- oder gar Weltpolitik. Das ist ihnen ganz wichtig. "Wir sind kein politischer Stammtisch!", sagt Helmut Krump.
Und in der Tat - an diesem Abend wird über Mountainbikes mit Elektromotor gesprochen, über gute Brotzeiten und köstliches Bier, über Handwerk früher und heute sowie dergleichen mehr. Ab und zu necken sich die Stammtischler gegenseitig, doch stets ohne Schärfe, immer mit einem wohlwollenden Grinsen und einer ironischen Redewendung.
Wechselnde Zusammensetzung
Sie kennen sich seit Jahrzehnten. Natürlich waren nicht alle zehn Männer, die an diesem Abend da sind, von Anfang an dabei. Werden - Sein - Vergehen: In fünf Jahrzehnten ändern sich die Personalien in jeder Firma, in jedem Verein. Die Alten, die von Anfang an beim Wanderstammtisch dabei sind, erinnern sich an längst geschlossene Staffelsteiner Wirtschaften ("Schwarze Spinne", später "Scheffelklause", heute "Santorini"), an lange geschlossene Gasthöfe ("Letzter Heller", "Zum Schwarzen Bären") und an kürzlich geschlossene Lokale ("Drei Kronen", "Adam Riese"). Dankbar sind sie freilich dafür, dass es im Umland der Stadt zahlreiche Einkehrmöglichkeiten gibt. Und dass in den vergangenen Jahren so manche neue dazu gekommen ist - etwa die Horsdorfer "Fuchsenmühle".
Eine Regel gibt es aber doch, die den Herren heilig ist: Das gemeinsam gesungene Frankenlied zum Abschluss. An diesem Abend in Weisbrem intonieren sie es besonders inbrünstig, denn etliche Urlauber und Kurgäste gehören zum (unfreiwilligen) Publikum. Drei Strophen halten die wackeren Sänger durch. Der Beifall des Publikums - und ein paar heitere Kommentare - sind ihr Lohn.
Der Wirt, Otmar Dinkel, lässt sich ebenfalls nicht lumpen und schenkt an die heiteren Sänger eine Runde seines selbstgebrannten Schnaps aus. Anderen Wirten sei's zur Nachahmung empfohlen, denn so treue Kundschaft sollte man pflegen: Ein Stammtisch, der 53 Jahre existiert, der wird auch 100.