Druckartikel: Hebammen arbeiten am Limit

Hebammen arbeiten am Limit


Autor: Ramona Popp

LKR Lichtenfels, Dienstag, 23. April 2019

Die Ausbildung für Hebammen wird reformiert, doch das wird nur einen Teil des Problems lösen.
Anschauungsmaterial sowie Hörrohr sind in der stets gepackten Tasche von Hebamme Elisabeth Zipfel immer dabei. Foto: Popp


Eine Hebamme betreut fünf oder mehr Gebärende gleichzeitig. Diese ungute Situation ist leider kein Einzelfall, wie aus einer Befragung zur Arbeitssituation von angestellten Hebammen in Kliniken hervorgeht. "Da ist man immer am Rand eines Unglücks", sagt Elisabeth Zipfel, selbstständige Hebamme aus Marktzeuln und Kreissprecherin für ihren Berufsverband. Der hat fünf Punkte erarbeitet, die in einem neuen Gesetz berücksichtigt werden sollten, um die Geburtshilfe in Deutschland zu stärken. Allem voran steht die Eins-zu-Eins-Betreuung in den Krankenhäusern, die nachweislich dem Wohl von Mutter und Kind dient. Der Verband möchte sogar, dass die Krankenhäuser verpflichtet werden, ihren Betreuungsschlüssel zu veröffentlichen. So könnten werdende Mütter dies zu einem Entscheidungskriterium machen - was für die Kliniken, die im Vergleich weniger gut dastehen, einen gewissen Zwang zum Nachbessern mit sich bringen würde. Ziel ist es, mehr Hebammen für die Geburtshilfe zu gewinnen. Denn: Viele haben sich entweder ganz aus dem Beruf zurückgezogen oder arbeiten ausschließlich in der Vor- und Nachsorge. Der Referentenentwurf, der im Mai dem Bundeskabinett vorgelegt werden soll, widmet sich aber zunächst einmal auf über 50 Seiten einer geplanten Akademisierung der Hebammenausbildung. Damit soll der Beruf an sich attraktiver gemacht werden.

Für Elisabeth Zipfel ist die geplante Änderung der Ausbildung ein richtiger, aber nicht der wichtigste Ansatz. Entscheidend seien die Arbeitsbedingungen.

Seit Monaten ausgebucht

In den Landkreisen Lichtenfels und Kronach zählt der Hebammenverband elf beziehungsweise zwölf Mitglieder. Im Raum Lichtenfels sei der Engpass derzeit spürbar: Zwei Hebammen sind selbst in Elternzeit, eine fällt krankheitsbedingt länger aus, sodass für Vor- und Nachsorge drei Vollzeit- und zwei Teilzeitkräfte zur Verfügung stehen. "Die meisten arbeiten am Limit oder schon darüber", sagt Elisabeth Zipfel. Ein Blick in ihren eigenen Kalender zeigt, dass sie in dreieinhalb Monaten gerademal zwei freie Wochenenden und zwei freie Tage hatte und bereits bis Oktober ausgebucht ist. Wenn sie abends nach Hause kommt, ist die Arbeit nicht beendet: Der Anrufbeantworter zeigt dann oft noch eine ganze Reihe Rückrufbitten Ratsuchender an.

Schwangere müssen nicht selten drei, vier Hebammen anrufen, um einen Platz in einem Geburtsvorbereitungskurs zu finden, weiß Elisabeth Zipfel. Oft können sie auch nicht von ein und derselben Hebamme durchgängig vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende der Stillzeit betreut werden. "Rivalität können wir uns nicht leisten", sagt sie. Beim regelmäßigen Hebammen-"Stammtisch" erlebe sie die Kolleginnen (einen Mann gibt es in der Runde noch nicht) engagiert und nicht niedergeschlagen. "Jeder versucht, den Mangel zu verwalten."

Natürlich blickt man gespannt auf die politischen Weichenstellungen. Die Politik habe erkannt, dass die Not groß sei und wolle etwas dagegen unternehmen, stellt Elisabeth Zipfel fest. Das werde positiv gesehen - auch wenn Deutschland die Ausbildungsänderung betreffend das letzte Land in der EU und Bayern das Schlusslicht im Bund sei. Eine erste Enttäuschung gab es schon, als die drei Universitätsstandorte bekanntgegeben wurden, an denen künftig die Hebammenausbildung im Freistaat verankert sein wird: München, Regensburg und Landshut. Kein einziger in Franken!

Das gefällt auch Emmi Zeulner nicht. Die CSU-Abgeordnete, die den hiesigen Wahlkreis vertritt, ist Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags. Es könne nicht sein, so ihre Meinung, dass alle angehenden Hebammen zur Ausbildung erst mal weg aus Oberfranken müssen, und dann versuche man mühsam, sie zurückzuholen. Deshalb werde sie dafür kämpfen, einen zusätzlichen Standort für Franken zu erreichen, was über einen Nachtragshaushalt möglich wäre: "Da geht noch was."

Emmi Zeulner betont außerdem, dass sie das geplante Gesetz nicht auf die Ausbildung beschränkt sehen möchte. Ihr wäre es lieber, wenn man ein "Hebammen-Stärkungs- und Zukunftsgesetz" auf den Weg bringen könnte - das auch Forderungen aus dem Eckpunkte-Papier des Hebammenverbandes beinhaltet; einen großen Teil davon unterstütze sie.

"Es wird sich was ändern müssen", sagt Elisabeth Zipfel, "und ich hoffe, zum Guten." Denn eigentlich ist es ein sehr schöner, vielseitiger und erfüllender Beruf, für den sie sich vor mehr als 30 Jahren entschieden hat. Diese Überzeugung vertritt sie immer noch.

Hebammenreformgesetz Zeitplan: Der Referentenentwurf für das Gesetz wird am 15. Mai dem Kabinett vorgelegt. Die erste Lesung im Bundesrat soll noch vor Juli erfolgen, im September die erste Lesung im Bundestag, Anfang November dann zweite bzw. dritte Lesung. In Kraft treten könnte das Gesetz dann im Dezember. Inhalt: Wesentlich ist eine neue Ausbildungsform, das duale Studium (6-8 Semester) mit hohem Praxisanteil. Voraussetzung ist eine mindestens zwölfjährige Schulausbildung oder eine absolvierte Berufsausbildung in der Pflege. Ziel: Der Beruf Hebamme soll attraktiver werden, um die nötigen Fachkräfte zu gewinnen.