Hamburger Fischmarkt in Lichtenfels
Autor: Tim Birkner
Lichtenfels, Freitag, 02. November 2012
Die Marktschreier sind mit ihrer Karavane in die Korbstadt gekommen. Noch bis Sonntag brüllen sie über den Marktplatz und verkaufen tütenweise Wurst und Nudeln. Für die Händler der Innenstadt ist dieses Leben dringend notwendig.
"Du musst die Leute gierig machen", sagt Thorsten Mey. "Der große Dicke mit der grauen Jacke", so nennen ihn seine Mitarbeiter, organisiert den Hamburger Fischmarkt. Noch bis Sonntag steht die Wagenburg der Marktschreier in Lichtenfels.
Meys Geschäft ist der "Wurst-Herby". Lichtenfels ist sein vorletzter Markt in diesem Jahr. Vergangenes Wochenende plärrten die Verkäufer in Hamm in Westfalen, nächstes Wochenende noch mal in Parsberg bei München. Dann ist die Saison zu Ende.
Der Freitag ist für die Marktschreier nur eine keine Aufwärmübung. "Unser Geschäft ist die Masse. Wir brauchen volle Plätze. Und die haben wir am Samstag, noch besser am Sonntag hier in Lichtenfels."
"Wir müssen doch etwas für die Innenstadt tun", sagt die Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Treffpunkt, Sieglinde Allgaier, die in diesem Jahr zum siebten Mal die Schreihälse eingeladen hat. "Wir haben das einstimmig beschlossen", sagt Allgeier. Die Händler profitieren von der vollen Innenstadt und haben am Sonntagnachmittag ebenfalls offen. "Ist das Wetter zu gut, bleiben die Leute draußen. Durchwachsen ist für uns alle am Besten", sagt Allgaier. Vergangenes Jahr sei es fast zu schön gewesen.
Das bestätigt auch Thorsten Mey: "Der Sonntag vergangenes Jahr war super." Er erinnert das so genau, weil die Marktschreier bei "Fünf gegen Jauch" mitgemacht haben. Der kurze Film zur Ankündigung zeigte auch das Lichtenfelser Publikum.
Das erste Mal selbst gebrüllt
Ganz genau weiß er allerdings nicht mehr, wo er zum ersten Mal selbst auf dem Laster stand. Auf jeden Fall war es auch eine kleine Stadt. Auf jeden Fall war es auch Sonntag. Und auf jeden Fall war es auch proppenvoll. Thorsten Mey hatte seinem Chef, dem Original-Wurst-Herby, versprochen, im Hintergrund ein wenig zu helfen. Kartons aufreißen, Tüten vorbereiten. "Plötzlich nimmt er sich das Mikrofon ab, hängt es mir um - und verschwindet." Er wäre am liebsten im Boden versunken. Noch nie hat er Ware angepriesen. Noch nie durchs Mikro gesprochen. Vor ihm standen die Leute, strecken Geldscheine in die Luft und riefen: "Mach' doch endlich weiter."
"Da konnte ich nicht anders. Ich war unbeholfen wie ein junger Depp, aber die Menge hat mich angeleitet", sagt Mey 20 Jahre später. Seit damals brüllt er jedes Wochenende auf den Marktplätzen zwischen Kiel und Konstanz. Der Original-Wurst-Herby ist vor drei Jahren gestorben. Das Geschäft mit bundesweit zwei Lastern hat Mey übernommen. Und gleich dazu die Organisation des Marktes. "Zu fast 90 Prozent sind wir in den Innenstädten", sagt er. Er bestimmt, wie aufgebaut wird - und das ist vor allem traditionell. "Die Leute kommen doch jedes Jahr wieder und wollen genau wissen, wo Wurst-, Nudeln- oder Kuchenwagen stehen."
Für Sieglinde Allgaier vom Treffpunkt Lichtenfels ist der Fischmarkt nur eine von vielen Aktionen, die die Innenstadt braucht. "Wir müssen die Zeit überbrücken", sagt sie. Die Zeit, bis zum Beispiel für den ehemaligen Müllermarkt ein Mieter gefunden ist.
Allgaier steht vor einer schwächelnden Innenstadt: "Das sagen unsere Mitglieder, die ihre Geschäfte in der Nähe haben: Der Anblick von diesem großen, leeren Laden ist furchtbar." Jetzt, am Wochenende, wird diese Lücke gut kaschiert. Auf dem Markt brüllen Käse-Rudi oder Kuchen-Uli. Und am Sonntag glänzen die Neuwagen der Autohändler in der Fußgängerzone.