Halten Lichtenfelser Nachtwache wegen der Oscars?
Autor: Markus Häggberg
Lichtenfels, Freitag, 20. Februar 2015
Die Verleihung der Academy Awards reißt im Landkreis Lichtenfels nicht alle Cineasten aus den Federn. Eine paar treue Fans gibt es aber schon.
Man muss schon früh aufstehen, will man anderntags mitreden können. Der Oscar wird verliehen. Wem hat der Oscar im Landkreis noch etwas zu sagen, wer rollt ihm den Roten Teppich aus und lockt er Menschen ins Kino? Fragen, denen der Fränkische Tag nachging und allerlei Antworten erhielt.
Rebecca Eckert mag den Oscar. Die 16-jährige Bad Staffelsteinerin wird seinetwegen ihren Wecker stellen und sich in der Nacht von Sonntag auf Montag aus dem Bett auf die Wohnzimmer-Couch bequemen. Seit drei Jahren handhabt sie das so und manchmal stoßen ihre gleichaltrigen Schwestern dazu. Wenn man sie fragt, ob der Oscar ein Gütesiegel darstelle, dann bejaht sie mit einem Hauch Einschränkung.
"In gewisser Weise ja, er ehrt halt auch Filme, die tiefgründig sind."
Es geht um die Besten
Es geht der 1927 ins Leben gerufenen Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS) in über 30 Kategorien um die Besten: den besten Film, das beste Drehbuch, die beste Kameraführung, die beste Regie, den besten Schnitt, Schauspieler, Schauspielerin und so weiter. Rebecca Eckert interessieren besonders die Darstellerpreise und welcher Streifen als bester Film ausgezeichnet wird. Weil sie brennend interessiert, mit welchen Augen die Jury Filme betrachtet, die sie selbst auch gesehen hat. Der Oscar als Gütesiegel habe, so die junge Frau, ganz klar Auswirkungen auf ihre filmische Neugierde.
Ein Weg aus der Krise
Rückblende: Ende der 20er-Jahre, die US-Filmindustrie steckt in der Krise. Das Radio setzt den Kinos zu, gestiegene Produktionskosten durch Gewerkschaftsbildungen den Studios. Louis B. Mayer von MGM (Metro-Goldwyn-Mayer) suchte mit Mitstreitern, der Kunst des Filmemachens neuen Glanz zu verleihen - eine Akademie schien hierzu passend. Seit dieser Zeit wurden - der Entwicklung des Films geschuldet - in mehr und mehr Kategorien Preise ausgelobt: Die Academy Awards, wie die Oscars korrekt heißen.
Bernd Hidding ist leitend im Kino Neue Filmbühne in Lichtenfels tätig. Für den Oscar steht er in der Nacht nicht auf. Damit dürfte er sich der Mehrheit der Menschen im Landkreis anschließen. Und überhaupt sei es "in 16 Jahren noch nie passiert", dass er von Kinogängern auf Oscar-prämierte Filme angesprochen wurde. "Hab ich bisher noch nie erlebt hier", bekennt er auch auf die Frage, ob der Lichtenfelser ein erkennbares Bedürfnis nach Oscar-prämierten Filmen habe.
Lohnt sich das?
Überlegungen habe es in seinem Haus schon gegeben, einen Oscar-Abend live aus Hollywood zu veranstalten. "Aber da sitzen dann nur der Kassierer und zwei Film-Freaks drin, so meine Vermutung", endet Hiddings Einschätzung. Es ist auch eine Einschätzung zum Lichtenfelser Publikum. "Wir haben Mainstream. Wenn ein Film zu schwierig ist - und er kann noch so viele Oscars haben - kommt keiner."
Einerseits. Andererseits sei es auch so, dass "Filmverleiher wie Warner sagen, Filme brauchten wir an kleine Standorte nicht liefern. Je kleiner die Städte, desto geringer das Interesse (der Verleiher) am Standort."
An freudige Oscar-Überraschungen erinnert sich Hidding weniger. "Ich sehe Filme vielleicht nicht so romantisch, es ist ja mein Beruf", merkt er augenzwinkernd an. Aber Enttäuschungen merkt er doch. Die stellen sich bei ihm immer dann ein, "wenn Blockbuster mit hohen Produktionskosten Oscars abräumen - dafür ist der Oscar nicht gedacht." Er mag gute Filme mit niedrigen Kosten, "wo man das Herz des Filmes spürt - wie bei Roberto Benignis ,Das Leben ist schön'".
Das Herz des Filmes spürt in gewisser Weise auch Eugen Schneider, Student und Filmvorführer in Lichtenfels. "Ich schau alles an, gerade wenn man hier arbeitet, kann man sich das gut gönnen", sagt er. Unter dem Dach steht er am Projektor und kann durch einen schmalen Schlitz in den Kino-Saal schauen. "Prämierte Filme besorge ich mir auf DVD, weil mich schauspielerische Leistungen interessieren." Auch er hat Lieblingskategorien: bester Film und beste Schauspielleistung.
Klaus Fugmann schlägt sich lieber für den Super-Bowl die Nacht um die Ohren
Mit dem Wecker für ein lohnendes Ziel kann Klaus Fugmann dienen. Alljährlich schaut der Stettener den Super-Bowl, das Großereignis im American Football. Freude und Enttäuschung hat der Oscar dem Mann mit Tonstudio schon bereitet. Und aufgeregt hat ihn die Jury auch schon. Vor Jahren äußerte er mal, dass, "wenn Christoph Waltz für diese Rolle (Inglorious Basterds) keinen Oscar kriegt, können sie den Oscar einstampfen". Er bekam ihn aber und Fugmann freute sich mit.
Vor einem Jahr aber konnte er die Jury in Hollywood absolut nicht begreifen: Weil Leonardo Di Caprio für seine Darstellung eines Börsenmaklers leer ausging und dabei doch "alle an die Wand gespielt" habe.
Oscar - ein Gütesiegel für den Kauf einer DVD? Nicht für Fugmann. "Wenn auf dem Deckblatt so und so viele Oscars stehen, glaube ich nicht, dass ich deswegen zuschlage." Ob er sich am Sonntag auch den Wecker stellt? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es sei halt nur der Oscar, es ist nicht der Super-Bowl. Andererseits kommt er nicht umhin, etwas zuzugeben: "Wenn Filme Oscars bekommen haben, gibt das einen Schub an den Kinokassen." Insofern ist der Oscar durchaus auch für die von ihm getroffene Filmauswahl relevant.