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Gute Vorsätze sind meist nur Selbstbetrug


Autor: Markus Häggberg

Lichtenfels, Freitag, 03. Januar 2014

Die Zeiten der guten Vorsätze zum neuen Jahr scheinen vorüber. So sieht es jedenfalls aus, wenn wir uns umhören. Das taten wir dieser Tage in Sportstudios, bei der Telefonseelsorge und auch auf der Straße.
Hermann Germuth und Brunhilde Apan-Schmidt sind nicht nur ein Paar, sie teilen auch die ungefähr gleiche Auffassung, wonach Vorsätze nicht lange tragen.  Fotos: Markus Häggberg


Wenn schon Vorsätze, dann immer dieselben. Das Abnehmen und die letzte Zigarette zählen bei Männern und Frauen dazu. Aber laut eines Lifestyle-Magazins auch der Wunsch nach einem besseren Umgang mit der eigenen Zeit und dem beruflichen Erfolg. Erstgenanntes wünschen sich vor allem Frauen, Letztgenanntes hätten Männer gerne. Aber wie sieht das mit den guten Vorsätzen zum neuen Jahr am Obermain aus?

Der Elan lässt schnell wieder nach

Jürgen Faulstich leitet in der Kreisstadt eine Sport-Praxis. Was er sagt, darf für manche Sportstudios gelten: "Im Bereich Bewegung, da merkt man den Trend (zum Jahreswechsel). Es werden Gutscheine eingelöst, die zu Weihnachten verschenkt worden sind." Dass diese Besucher aus vollster Überzeugung sporteln, um fitter oder schlanker zu werden, mag Faulstich so nicht stehen lassen.

Auf zwei, drei Wochen Dauer schätzt er den Elan am Jahreswechsel ein.
Viel mehr Durchhaltevermögen räumt auch Franz Gebhardt, der Geschäftsführer des Body-Line-Fitnesstreffs in Bad Staffelstein, den Neujahrssportlern nicht ein. Zumal die meisten Neuanmeldungen im September passieren.

Silvester - einer von 365 Tagen

Richard Okossy ist Lichtenfelser. Die Erfahrungen, die er mit guten Vorsätzen gesammelt hat, sprechen von einem "Erlahmen nach wenigen Tagen". "Ich habe schon aufgehört, Vorsätze zu haben. Übers Jahr muss man gleichermaßen diszipliniert sein", sagt der Bauingenieur. Er hält das Formulieren von Vorsätzen zu einem bestimmten Datum gar für Selbstbetrug. "Da muss man sich ja fast schon einen Fehler eingestehen - wer sich, nur weil Silvester ist, was vornimmt, hat 364 Tage was falsch gemacht." Aber er ist davon überzeugt, dass es früher ausgeprägter gewesen sei, dass Eltern bei Kindern auf Vorsätze gedrungen hätten.

Gute Vorsätze - nein danke!

"Ich würde nie behaupten, ich höre zu Silvester mit dem Rauchen auf", sagt der Lichtenfelser Hermann Germuth. "Da betrüge ich mich selber." Vorsätze hat er dann und wann dennoch. Allein: er braucht keinen Anlass wie einen 1. Januar dazu. Seine Lebensgefährtin, Brunhilde Apan-Schmidt, kann sich nicht daran erinnern, von ihren Kindern je verlangt zu haben, sich zum Jahreswechsel etwas vorzunehmen. Auch sie selbst nimmt sich nichts vor.
Susanne Röhmer von der Telefonseelsorge in Bamberg hat einen eigenen Blick auf Vorsätze und kann bei den Anrufern keinen besonderen Zusammenhang zwischen ihnen und dem Jahreswechsel erkennen. Und das, obwohl derzeit die Leitungen heiß laufen und so viel von der Seele geredet und in die Zukunft gedacht wird, wie sonst kaum im Jahr. Wohl deshalb, weil "die Menschen zu Beginn eines neuen Jahres besonders häufig versuchen, ihr Leben in den Griff zu kriegen".

Zu viele Probleme auf einmal

Aber: "Mit Vorsätzen ist das so, dass viele unserer Klienten ja nicht wüssten, wo sie ansetzen sollten. Die Probleme sind zu breit gefächert, da fassen sie auch keine Vorsätze."
Frank Ziegler ist Lichtenfelser und bietet Coaching-Gespräche zur Entfaltung und Stärkung der Persönlichkeit an. Seine Erfahrung: "Dass Vorsätze zum Jahreswechsel in der Regel nicht eingehalten werden und spätestens Anfang Februar fallen gelassen werden." Das wiederum führe laut Ziegler dazu, dass sich ein Klient schlecht fühle.
Der Burgkunstadter Udo Langer ist Musiker, Texter, Grafiker und Marketingmann. Seine Texte vermitteln häufig die Botschaft, wonach etwas Störendes sofort in Angriff genommen werden sollte. Der Gedanke, wonach die Umsetzung eines Vorsatzes auf ein bestimmtes Datum zu verschieben ist, befremdet ihn mittlerweile. Früher habe ich das auch so gemacht, davon bin ich aber abgerückt. Wenn man was ändern will, soll es sofort heißen. Drei Buchstaben seien maßgeblich: T-U-N.

"Aus dem Bauch heraus ändern"

Auf der Straße geht Christian Meixner. Ein Korbmacher. Selbstständiger Geschäftsmann. Auch er hat keine Vorsätze. Sich etwas vorzunehmen, findet er, sei "der beste Grund, warum nichts draus wird". Sein Tipp: "Man muss aus dem Bauch heraus etwas ändern, wenn es an der Zeit ist."