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Großer Ansturm auf die Spiele


Autor: Markus Häggberg

Lichtenfels, Sonntag, 25. November 2018

Der Kreisjugendring hatte in der Stadthalle Lichtenfels eine ungewöhnliche Messe arrangiert.
Für diesen kleinen Dreijährigen war sein Erfolg gewiss ein Gemeinschaftserlebnis. Fotos: Markus Häggberg


Keine Bits und Bytes - nirgends auf den Tischen in den Weiten der Stadthalle. Stattdessen Spiele zum Anfassen, zum Toben, zum Knobeln. Wüsste man nicht, dass 2018 ist, hätte man am Samstag glatt glauben können, in den 80ern gelandet zu sein.

Charlotte geht voran. Die achtjährige Bad Staffelsteinerin hat erst am Freitag von ihrer Mutter erfahren, dass sie am nächsten Tag bei der Spielemesse vor Ort sein wird. Ihre Reaktion? "Ich hab einfach beim Mittagessen weitergegessen."

Das klingt nicht nach Begeisterung, doch weit gefehlt. Das Kind habe sich nichts darunter vorstellen können, erklärt ihre Mutter. Nun aber kann sich Charlotte etwas darunter vorstellen, denn sie ging in der für sie riesigen Halle umher, wurde menschlicher Teil eines riesenhaft dimensionierten Kicker, begab sich in das Innere großer Luftpolsterkugeln und trug sogar eine Brille, die ihr ziemlich gut vorgaukelte, wie "doof" es ist, betrunken zu sein. Dass es hier keine Computerspiele gab, bedauerte sie in lustiger Grammatik nicht: "Hüpfburg mache ich viel gerner."

Uschi Sünkel ist Verwaltungsangestellte beim Kreisjugendring (KJR). Über ihren Schreibtisch und durch ihre Telefonleitung gingen Anfragen raus und kamen Antworten rein. Beispielsweise die von Spieleverlagen, die ihr erklärten, ob und wie viele Spiele sie dem KJR für dieses von ihm im Zweijahresturnus ausgerichtete Spektakel leihweise zur Verfügung stellen würden oder gänzlich überlassen. Eine grüne Liste weist sechs beidseitig bedruckte Blätter auf, eine Auflistung aller in der Halle vorhandenen Gesellschaftsspiele: 304 sind es. "Die schicken uns auch die neuesten Spiele mit", ergänzt Nadine. Der Bestand des KJR an derlei ist enorm und liegt mittlerweile bei 300. Aber Fragen kostet ja nichts und mittlerweile hat Uschi Sünkel mitbekommen, wie sie es bei den Verlagen anstellen kann: "Ich frag' dann immer scheinheilig, wann sie die (Leihspiele) zurückbekommen wollen und dann sagen die manchmal: Ach, behalten sie die doch ruhig." Immerhin ist das auch Werbung für die Verlage.

Sünkels Tochter ist schon aus dem Gröbsten raus, ist sogar schon Twen. Doch wenn dieses Ereignis ansteht, dann habe sich auch diese junge Frau zu beugen, wie Uschi Sünkel lachend schildert. "Du bist da, heute ist Spielemesse - die ist 26." In der Familie habe eigentlich ein 60. Geburtstag angestanden. Der wurde vertagt, wegen der Spiele.

Fünf Tischreihen

Im Foyer sieht man Straßen und Ampeln aufgebaut. Kinder fahren auf Buggys und ahmen den Straßenverkehr nach. Das ist für sie die schönste Form der Pädagogik, weil unmerklich. Im Haupttrakt der Stadthalle müssen die Kinder nicht erst zum Spielen verführt werden. Fünf Tischreihen sind aufgebaut, bieten hunderte Plätze. An ihnen sitzen an diesem Tag Mütter und Väter, Opas, Omas, Tanten, Onkels und natürlich die Kinder. Unterstützung findet das Spektakel vom Bayerischen Sportbund, von der Kommunalen Jugendarbeit, von der Kreisverkehrswacht, von Turnvereinen, der Dekanatsjugend Michelau und insgesamt 16 Institutionen. Alles Verbände und Vereine, die Mitglieder im KJR sind.

Manche von ihnen hatten Küchenservice. Eigentlich kein Problem, wenn man zwischen 11 und 18 Uhr nicht "sechsmal ausverkauft" gewesen wäre, wie Uschi Sünkel nachrechnet. Zwar habe man sich bei der Kalkulation an den Gästezahlen vom vergangenen Mal vor zwei Jahren orientiert, doch was dann an Kuchen, Wurstbrötchen, Brezeln und Wiener Würsten über die Theke ging, musste zwischendurch nachgekauft werden. Dieser Umstand ließ auch Anne Fischer staunen. "Ich weiß nur, dass wir es so wie heuer noch nie hatten", so die ehrenamtlich helfende Frau zum Andrang.

Dass der Besuch diesmal "rekordverdächtig" gewesen sein soll, davon hat auch Britta Klett vom Altenkunstadter Jugendtreff Pins gehört. Auch sie findet das Konzept gelungen, wonach es keine computerisierten Spiele hier gibt. "Man möchte ja, dass man sich mal zusammensetzt und nicht Mama im Handy spielt, das Kind Fernsehen schaut und der Papa am Laptop ist." Die junge Frau misst dem Geschehen auf jeden Fall den Wert familiären Gemeinschaftserlebens bei. Und sie traf eine Beobachtung: "Es waren viele Nationen vertreten." Vor zwei Wochen, so die Sozialpädagogin, habe sie im Jobcenter mal Muslimen gegenüber nebenbei die Spielemesse erwähnt und sieben von ihnen vorgestellt. Von diesen wiederum seien fünf gekommen.