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Große Sorge um Pflegeberufe auch im Landkreis Lichtenfels


Autor: Ramona Popp

Lichtenfels, Sonntag, 09. Februar 2014

Wird es in einigen Jahren genügend Fachkräfte in den Pflegeheimen und ambulanten Diensten geben? Das Bayerische Gesundheitsministerium sorgt sich darum und hat eine Studie in Auftrag gegeben. Auch die Einrichtungen im Landkreis wurden befragt. Aber wo liegt der Kern des Problems?
Natalie Martow hat sich ganz bewusst für die Arbeit in der Altenpflege entschieden. Sie arbeitet im BRK-Pflegeheim in Bad Staffelstein. Bereut hat sie ihren Entschluss noch nie.  Foto: Ronald Rinklef


Srdan ist ein junger Mann, der aus Kroatien stammt. In einem kurzen Film macht er Werbung für seinen Beruf. Srdan ist Altenpfleger. "Es ist ein schöner, kreativer Beruf", sagt er, "mit Aufstiegschancen vom Praktikanten bis zum Heimleiter." Die Arbeit mit den alten Menschen gebe einem viel zurück. "Du gehst zufrieden nach Hause." - Thomas Pe trak findet die Kampagne mit Srdan, die im Internet unter www.herzwerker.de/altenpflege zu finden ist, sehr sympathisch. Petrak ist Kreisgeschäftsführer des BRK, das im Landkreis zwei Pflegeheime betreibt. Er weiß, dass solche Werbung wichtig ist. Die jüngste Annonce in der Suche nach Pflegefachkräften hatte nicht den gewünschten Erfolg, wie Elke Gäbelein, die Leiterin den Bad Staffelsteiner Heimes wissen lässt.

Die vorgegebene Fachkräftequote könne man aber immer noch erfüllen, betont sie. Dies geschehe durch angepasste Verträge, will heißen: (Teilzeit-)Mitarbeiter haben sich zu Mehrarbeit bereiterklärt, um die Lücke zu kompensieren.
In beiden BRK-Heimen werden Jahr für Jahr Pflegekräfte ausgebildet, zusammen sind es derzeit elf Auszubildende.

Dass man in der Pflege den Nachwuchs dringend braucht, weiß auch das zuständige Gesundheitsministerium. Im Januar wurde eine in seinem Auftrag durchgeführte telefonische Befragung aller 1600 stationären Einrichtungen der Altenpflege in Bayern sowie der über 1800 ambulanten Dienste abgeschlossen. Sie erstreckte sich über vier Monate und diente dazu, die Ausbildungsplatzsituation im Pflegebereich zu ermitteln. Einer Sprecherin des Ministeriums zufolge werden die Ergebnisse der Studie der Technischen Universität Dortmund im Sommer vorliegen. Schon vor zwei Jahren hat das Bayerische Sozialministerium die Kampagne "Herzwerker" ins Leben gerufen. Dazu gehören unter anderem in Kooperation mit Schulen und Arbeitsagenturen Veranstaltungen zur Nachwuchsgewinnung "für den zukunftssicheren, abwechslungsreichen und gesellschaftlich wertvollen Pflegeberuf", wie es seitens der Ministerien formuliert wird. Zwar konnten die beiden Häuser des BRK-Kreisverbandes Lichtenfels ihre Ausbildungsplätze bislang immer besetzen, doch auch Thomas Petrak glaubt, dass die Zusammenarbeit mit Schulen in Zukunft wichtiger wird. Seitens des Landesverbandes ist man "in großer Sorge", angesichts der sinkenden Schulabgängerzahlen künftig den steigenden Bedarf decken zu können, wie es Gabriele Keymling ausdrückt.


"Ganz tolle Momente"

Natalie Martow hat sich ganz bewusst für die Arbeit in der Altenpflege entschieden und im vergangenen Jahr eine Umschulung begonnen. Sie ist 45 Jahre alt und nicht die Älteste unter den Auszubildenden in den BRK-Pflegeheimen im Landkreis. Dass sie eine bewusste Entscheidung für die Arbeit mit alten Menschen getroffen hat, ist den Vorgesetzten wichtig. Schon im Gespräch mit Bewerbern spüren sie deren Einstellung nach, wie die Leiterin des Heimes "Am Weidengarten" in Lichtenfels, Annett Kürsten, betont. Sie selbst hat sich nach Abi tur und einem Sozialen Jahr zu diesem Beruf berufen gefühlt. Und sie hat erfahren müssen, dass es Berufe mit besserem Ansehen gibt: "Meine Eltern waren anfangs außer sich!" Die Entschädigung dafür sind "ganz tolle Momente" in ihrem Alltag.

Ob man Sabine Bechmann, Chefin des ambulanten Pflegeteams, oder die weiteren Heim- und Pflegedienstleiterinnen fragt, sie alle sehen, auch noch nach bis zu über 25 Jahren, die liebenswerten Seiten ihres Berufes. Doch wenn es um die Belastungen geht, dann kommen an vorderster Stelle nicht etwa Äußerungen über manchmal schwierige Menschen, mit denen man hier auch professionell umgehen muss. Oder über das Erleben der Endlichkeit. Das, was sie am meisten belastet, sind die Rahmenbedingungen für ihre Arbeit, die Vielzahl an geforderten Dokumentationen. Und daraus resultierend das Gefühl, eingeengt zu sein, und die permanente Angst, Fehler zu machen. "Prüfkritierien müssen sein", betont Bechmann, "aber nicht in diesem Ausmaß." Kürsten bekräftigt: Es sei doch das Wichtigste, was beim Bewohner ankommt - ist er gut versorgt, fühlt er sich wohl? - und nicht, was wann und wie minutengenau dokumentiert wird.


Helfer zur Entlastung

In dem knappen halben Jahr in diesem Beruf hat auch die Auszubildende Natalie Martow schon feststellen müssen, dass die Fachkräfte enorm unter Druck stehen und den Pflegeschülern nicht die Zeit widmen können, die sich diese für das Lernen anhand praktischer Übungen wünschen.

Eine Entscheidung der Landespflegekommission, welche die Rahmenbedingungen für die Pflegesatzverhandlungen vorgibt, soll künftig dem Pflegepersonal zu etwas Entlastung verhelfen. Vorgesehen ist der Einsatz von (Hilfs-)Kräften aus unterschiedlichen Berufsgruppen, die gewisse Tätigkeiten, zum Beispiel im Büro, übernehmen. 5,8 zusätzliche Stellen könnten dies in beiden BRK-Einrichtungen in Lichtenfels und Bad Staffelstein sein, wie Thomas Petrak errechnet hat. Bei der nächsten Pflegesatzverhandlung in diesem Frühjahr wolle man dies berücksichtigen, sagt er. Trotz Förderung käme man dann aber um eine gewisse Verteuerung der Gebühren nicht umhin.

Die Heim- und Pflegedienstleitungen sehen in der geschilderten Neuerung einen Anfang, der gemacht ist. Dass der Stellenwert des Pflegeberufes in der Gesellschaft steigen möge, bleibt einer ihrer Wünsche. Nachdenklich merkt Birgit Baier an, woran das liegen könnte, dass es so ist, wie es eben ist: "Weil die alten Menschen wohl auch keinen so hohen Stellenwert in der Gesellschaft haben."