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Geborgenheit in Weide gefunden


Autor: Ramona Popp

Marktgraitz, Donnerstag, 17. Sept. 2020

Lieblingskörbe und die Geschichten dahinter. Heute: Heinrich Geßlein und seine grünende Pergola
Ganz von schützendem Grün umgeben: Heinrich Geßlein sitzt in seinem Lieblingsflechtobjekt vor seinem Haus in Marktgraitz. Aus Weide geformt wie diese Pergola ist auch der Tischschmuck, ein grüner Kranz mit Blumenstock in der Mitte. Fotos: Ramona Popp


Von einem Mann, der sich seit rund 20 Jahren dem Weidenanbau widmet und seit zehn Jahren regelmäßig mit Deko-Objekten aus dem Naturmaterial einen Korbmarkt-Stand betreibt, darf man annehmen, dass er auch etwas aus Weide Geflochtenes besitzt, das ihm besonders ans Herz gewachsen ist. Aus Anlass dieser Serie fragen wir also bei Heinrich Geßlein nach, ob er nicht so etwas wie einen "Lieblingskorb" hätte. Nach kurzem Überlegen gibt er zur Antwort, sein liebstes Flechtobjekt wäre etwas größer. Es handele sich um die Pergola vor seinem Haus in Marktgraitz, die er vor etwa fünf Jahren aus Weidenstangen gebaut hat. Bauen erscheint zunächst nicht als das richtige Wort. Denn wer den von Grün umwucherten Freisitz aufsucht, nimmt auf den ersten Blick keine menschliche Vorgabe mehr wahr. Und doch machte eine Handvoll etwa sechs Meter langer Weidenruten den Anfang zu diesem runden Etwas, das nun so viel Geborgenheit vermittelt. Ein Tisch und Sitzplätze stehen darin bereit, auch ein Liegestuhl ist da. Hier kann man tagsüber einfach mal eine Pause einlegen oder abends mit der ganzen Familie zusammensitzen. Dank Weinlaub und Hopfenranken ist es schön schattig dort, und im Gegensatz zum angrenzenden Wintergarten heizt sich dieser Platz auch wenn's draußen sehr heiß ist nicht auf.

Ganzjährig nutzbar

In der kalten Jahreszeit, wenn die Blätter gefallen sind, bleibt es ein geschützter Ort. Das verflochtene Weidenwerk lässt die Sonnenstrahlen hindurch, und so mag man auch an schönen Wintertagen mit einer Tasse Tee gern da sitzen.

Etwa zwei Tage Arbeit habe ihm die Pergola damals gemacht, erzählt Geßlein. Er musste die Löcher für die Weidenstangen ausheben, 50 Zentimeter tief. Für das grobe Flechtwerk bedurfte es keines großen Materialaufwandes, nur weiterer Weidenruten und einiger Schnüre. Eigentlich sei das Ganze als lebendes Objekt gedacht gewesen, sagt der Hausherr. Denn wenn man Weidenruten in die Erde steckt und bewässert, treiben sie wieder aus. So kann man grünende Zäune und Schattenspender in Form eines Tipis oder eines Iglus entwickeln. Geßlein kennt sich aus damit. Er hat Kurse, etwa bei dem renommierten Flechtwerkgestalter Johann Bachinger, besucht; sich viele Fertigkeiten durch Ausprobieren selbst angeeignet. Heute kann er wiederum sein Wissen in Kursen weitergeben.

Freude über Erfolgserlebnisse

Am wertvollsten daran sind für ihn nicht die eingenommenen Gebühren, sondern die Kontakte, die dabei entstehen - "die freudestrahlenden Gesichter von Menschen, die gerade etwas geschafft haben", wie er es formuliert - und natürlich die Erinnerungen an ein gelungenes Miteinander.

Das alles nahm seinen Anfang in einem landwirtschaftlichen Nebenerwerb, parallel zum anstrengenden Hauptberuf als Krankenpfleger auf der Intensivstation. Ein Ausgleich in und mit der Natur.

Zurück zur eigenen Pergola. Bei der Idee vom lebenden Objekt hatte Heinrich Geßlein die Rechnung ohne die bereits an dieser Stelle vorhandenen Weinstöcke und den vom ihm gepflanzten Hopfen gemacht. "Die hab' ich zu früh drüber wachsen lassen", räumt er ein. Die Weiden konnten sich gegen das mächtige Blattwerk von außen nicht durchsetzen. Sie geben jetzt bloß noch Halt und Struktur, dies aber stabil und noch bestimmt weitere fünf Jahre, wie Geßlein schätzt. Dann wäre wieder Zeit für etwas Neues, und da wird dem kreativen Mann, für den inzwischen der Ruhestand begonnen hat, sicher etwas einfallen.

Menschen und Körbe

Der Lichtenfelser Korbmarkt bringt beides zusammen - die Faszination von Geflecht sowie Begegnungen mit und unter Handwerkern. Heuer kann der Besuchermagnet coronabedingt leider nicht stattfinden. Die Redaktion möchte deshalb mit dieser Serie besondere Flechtobjekte zeigen und die Geschichten dahinter erzählen. Wer hat welchen Lieblingskorb und warum? - Wenn auch Sie so ein Lieblingsstück haben, senden Sie uns doch eine E-Mail mit Foto an: redaktion.lichtenfels@infranken.de