Gasthaus Brückner in Obersdorf: Dunkel ist "die Hüttn" nicht mehr
Autor: Ramona Popp
Obersdorf am Main, Freitag, 24. April 2015
Erst seit elf Jahren ist der Gasthof Brückner in Obersdorf ein Speiselokal. Als Bierwirtschaft aber ist die "Dunkelhütte" schon über 100 Jahre alt.
Von den knapp 300 Einwohnern im Dorf könnte Andreas Brückner als Gastwirt wohl nicht existieren. Vor über 100 Jahren, als die "Dunkelhütte" noch keine Speisekarte hatte, war das anders. Flaschenbier gab es damals noch nicht, das Gebräu war deshalb leicht verderblich. Man ging zum Wirt, um in geselliger Runde ein Bier zu trinken oder sich welches nach Hause zu holen. Darüber hinaus konnte man eine Brotzeit bekommen. Die Einheimischen gingen ein und aus in der "Hüttn", wie sie die Wirtschaft nannten. Das erzählt uns Anna Brückner. Sie ist 89 Jahre alt und sozusagen Seniorchefin. Ihr Stiefvater Josef Scherer eröffnete 1912 die Gastwirtschaft in Obersdorf, das 1978 ein Ortsteil von Hochstadt am Main wurde. Anna Brückner zog als junge Frau mit ihrer verwitweten Mutter, die zum zweiten Mal heiratete, aus Köttel dorthin. Der Stiefvater hatte eine kleine Landwirtschaft, 20 Tagwerk, einige Kühe und Schweine. Anna Brückner arbeitete mit, und sie bediente in der Wirtschaft. Die Leute aus dem Dorf lernte sie schnell kennen. Einen von ihnen, Erhard Brückner, der aus Frankreich aus dem Krieg zurückgekehrt war, heiratete sie. Auch er stammte aus einer Landwirtschaft. Die Wirtschaft gab es weiterhin, auch Tanz im Saal. Gekocht wurde nur zu besonderen Anlässen wie Kirchweih. Vier Söhne und eine Tochter gingen aus der Ehe hervor. Der Jüngste, Andreas Brückner, ist heute der Wirt der "Dunkelhütte".
Dunkel ist es im Gastraum nicht mehr. Das alte Fachwerkhaus mit seinen kleinen Fenstern - daher kam auch der Name - musste Anfang der 60er Jahre einem Neubau weichen. Eine Entscheidung seiner Eltern, die Andreas Brückner nicht nachvollziehen kann. "Unbezahlbar" wäre das historische Gebäude wohl inzwischen. Anna Brückner schweigt zu der Kritik des Sohnes. Ein gerahmtes Foto hat sie aufgehoben. Auf dem zeigt sie die Räume im ersten Stock, die die Familie bewohnt hat. Besonders in dem Zimmer mit zwei Außenwänden sei es im Winter eisig kalt gewesen, die Fenster hätten nicht mehr richtig dicht gehalten.
Heute dagegen verspricht selbst im großen Saal neben der Zentralheizung ein uriger Holzofen mollige Wärme. Seinen Hang zum Nostalgischen lässt der Inhaber bei der Einrichtung aufblitzen. Ein altes grünes Sofa und einen Buffetschrank hat er in den Blickpunkt gerückt. Im Flur wird auf einem Herd aus Omas Zeiten auf den Verkauf von selbst angebauten Kartoffeln hingewiesen. Die eigene kleine Landwirtschaft gehört immer noch dazu. Statt der Kühe und Schweine gibt es jetzt Stallhasen, die regelmäßig auf der Karte stehen. Vor elf Jahren erfüllte sich Andreas Brückner seinen Traum von der Selbstständigkeit, indem er aus der "Dunkelhütte" eine Speisegaststätte machte. Den Um- und Ausbau nahm der gelernte Maurer selbst in die Hand. "Sonst hätte ich mir das nicht leisten können", räumt er ein.
Fränkische Braten mit Klößen, aber auch, je nach Saison, Lamm, Wild, Karpfen oder Spargel, lässt man sich hier sonntags schmecken. Unter der Woche ist nur abends geöffnet, da bestellen die Gäste am liebsten Kotelett, Cordon Bleu natur oder den Dunkelhüttn-Toast.
Familienbetrieb geblieben
Koch hätte er gern gelernt, erzählt Brückner, doch zur Ausbildung hätte er weiter weg gemusst, und das sei aus familiären Gründen damals nicht möglich gewesen. Jetzt stehen seine Lebensgefährtin Conny, die aus der Gastwirtsfamilie Dinkel in Weisbrem stammt, und sein Sohn Steffen (29) als Autodidakt am Herd. Tochter Sabrina (21) springt als Servicekraft ein, wenn jemand gebraucht wird. Das ist vor allem im Sommer der Fall, wo im Hof um die stattliche Eiche der Biergarten mit 180 Sitzplätzen lockt.
Einen Stammtisch, der Jahrzehnte überdauert hat, gibt es noch, aber die wenigsten Gäste sind Einheimische. Sie kommen aus den umliegenden Orten und Landkreisen zum Essen, Kartenspielen und Plaudern. Der Wirt widmet sich ihnen gern. Der Ruhetag am Dienstag ist für ihn nicht wirklich ein solcher. Viel muss erledigt werden auf dem Feld, im Wald und rund ums Haus. "Ich mach' alles", sagt Brückner, der aber keinesfalls gestresst wirkt. Wochentags könne er ausschlafen, zumindest bis 8 oder 9 Uhr, denn: "Die Arbeit reißt nicht aus." Ein entspanntes Verhältnis hat er auch zu seinem Spitznamen "Besen", den er seit Kindertagen trägt und der aus einer kleinen Frotzelei mit einem Gast hervorgegangen ist. Der Beiname ist zwar nicht schmeichelhaft, macht ihn aber unverwechselbar.