Flechtkultur: ein Austritt und offene Fragen
Autor: Ramona Popp
Lichtenfels, Montag, 07. März 2016
Michelaus Bürgermeister beendet die Zusammenarbeit mit dem Trägerverein des Innovationszentrums und möchte auch aus dem Verein ZEF austreten.
Der Austritt kam nicht überraschend. Der Michelauer Bürgermeister Helmut Fischer (CSU) ist bereits in der Vergangenheit mehrfach deutlich auf Distanz gegangen zum Innovationszentrum Lichtenfels (IZL) und auch zum Verein Zentrum Europäischer Flechtkultur Lichtenfels (ZEF). Letzterer konzentriere sich immer mehr auf die Belange der Stadt Lichtenfels mit ihrem Korbmarkt, so seine Kritik. Und das Innovationszentrum habe sich zu einer Unterabteilung der Hochschule Coburg entwickelt, in der er keine Nutzen mehr für das heimische Flechthandwerk sieht. In der jüngsten Gemeinderatssitzung verkündete Fischer deshalb den Rückzug aus beiden Organisationen. Im Fall des IZL-Trägervereins bekräftigte dies der Gemeinderat mit einem einstimmigen Beschluss, im Fall des ZEF handelte es sich um eine Ankündigung, da ein Beenden der Mitgliedschaft erst zum Jahresende wirksam würde. Ob der Austritt des Michelauer Bürgermeisters überhaupt so ohne Weiteres möglich ist, wäre noch zu prüfen. Möglicherweise müsste dazu die Satzung geändert werden, denn laut der ist die Gemeinde als Träger des Deutschen Korbmuseums in Michelau ordentliches Mitglied und ihr Bürgermeister automatisch Vorstandsmitglied beim ZEF. Bislang war die Mitgliedschaft übrigens beitragsfrei.
Innerhalb dieses Vorstands hat Helmut Fischer dem Vernehmen nach keine Änderungswünsche in der Ausrichtung oder konkrete eigene Vorstellungen geäußert. Auch seine schriftliche Kündigung beinhaltet keine Gründe, wie der Vorsitzende - der Lichtenfelser Bürgermeister Andreas Hügerich (SPD) - auf Nachfrage unserer Zeitung wissen lässt.
Für den allerdings ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Er habe um einen Termin bei Helmut Fischer gebeten und hoffe, diesen im persönlichen Gespräch umstimmen zu können. Hügerich wies darauf hin, dass die Ideen und Angebote, die der Verein ZEF entwickele, auch von der Tourismusregion Obermain-Jura beworben werden und nicht nur die Stadt Lichtenfels, sondern der Landkreis insgesamt davon profitieren soll. Hügerich erklärte, er könne sich vorstellen, dass Pakete angeboten werden, die beispielsweise einen Flechtkurs in Lichtenfels mit einer Wanderung und einem Besuch des Korbmuseums in Michelau sowie einer Einkehr zur Brotzeit verbinden.
Die "Korbstadt" Lichtenfels ist um eine stärkere Erlebbarkeit dieses Titels für Besucher bemüht. Darauf zielen auch gewisse Aktivitäten des ZEF ab. Auf ihrer Homepage ist seit mehreren Jahren schon ein attraktiv gestalteter Hinweis auf das Korbmuseum, das Aushängeschild der Gemeinde Michelau, platziert. Und vom Korbmarkt profitiert die Gemeinde Michelau durchaus: In dieser Zeit im Jahr ist in den dortigen Beherbergungsbetrieben in der Regel kein freies Zimmer mehr zu bekommen.
Die Förderung der in der Region verwurzelten Flechtkultur birgt Chancen, darin waren sich die Gründer des Vereins ZEF 2010 einig. Zu diesen gehörte auch der Michelauer Bürgermeister.
Kraft durch Vernetzung
Bernd Sauer von der Handwerkskammer für Oberfranken erläuterte damals, weder Korbmuseum noch Fachschule oder Innovationszentrum hätten eine Marketingabteilung. Deshalb bedürfe es des Vereins ZEF als Dachorganisation, um die Kompetenzen öffentlich zu machen und zu vermarkten. Auch Fördermittel sollten so besser nutzbar werden. Ein weiteres "geborenes" Mitglied war und ist das Innovationszentrum Lichtenfels. Der Vorsitzende dessen Trägervereins, Professor Auwi Stübbe, betonte bei der ZEF-Gründung vor sechs Jahren: "In der Vernetzung liegt die Kraft heutzutage."
Der Austritt eines Partners schmälert diese Kraft. Gleichwohl hat Bürgermeister Helmut Fischer Recht mit der Feststellung, dass seitens des IZL seit Jahren keine Hauptversammlung stattgefunden hat. Dies räumte Vorsitzender Stübbe auf Nachfrage ein. Das von der Redaktion am Donnerstag erbetene Statement dazu blieb bislang aus. Fakt ist, dass im Dezember 2012 die letzte Mitgliederversammlung war. Damals erfolgte eine Neuformulierung der Satzung. Zustimmung dazu gab es auch vom Michelauer Bürgermeister. Davon, dass das Innovationszentrum - wie einst angedacht - das Flechthandwerk fördern soll, war darin keine Rede. Der Name war bereits fünf Jahre vorher entsprechend verändert worden, als für die Einrichtung in Lichtenfels eine Neuausrichtung beschlossen wurde (siehe Info-Kasten). Ihr Zweck liegt nunmehr in der Förderung und Forschung sowie Aus- und Weiterbildung in den Bereichen Gestaltung und Design, Innenarchitektur und artverwandter Bereiche, ausdrücklich in Zusammenarbeit mit Hoch- und Fachschulen. Das Innovationszentrum Lichtenfels widmete sich seither den Themen Leichtbau, Oberflächengestaltung und auch neuen Produkt- und Werkstoff-Entwicklungen für den Bereich Geflecht. Mit solchen präsentierte es sich in den letzten Jahren immer wieder auf der Kölner Möbelmesse und zeigt auf seiner Homepage interessante Bilder. Dennoch muss es sich der Kritik stellen, dass der Öffentlichkeit nicht wirklich klar ist, was in dem markanten Gebäude am Bgm.-Dr.-Hauptmann-Ring eigentlich passiert. Wenn entgegen der eigenen Satzung die jährliche Mitgliederversammlung unterbleibt - und das drei Jahre hintereinander - verstärkt dies den Eindruck mangelnder Transparenz.
Das Signal aus Michelau provoziert nun die Frage, wie es um ein gemeinsames Interesse daran bestellt ist, das Thema Flechterei für die Region in Wert zu setzen.