Filmreife Szenen in Bad Staffelstein
Autor: Markus Häggberg
Lichtenfels, Mittwoch, 08. November 2017
Ein Straßenrennen lieferte ein 35-jähriger Drogenkonsument der Polizei ht nur dafür zu 17 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt
Was in der Anklageschrift auf 20 Zeilen Darstellung fand, fasst Richterin Ulrike Barausch an den Angeklagten gewandt schlichter zusammen: "Das war eine filmreife Szene, die Sie [...] im beschaulichen Bad Staffelstein hingelegt haben." Für diese Szene gefährlichen Eingreifens in den Straßenverkehr wurde ein 35-Jährige Bad Staffelsteiner am Mittwoch im Amtsgericht verurteilt. Unter anderem.
Am 27. März befuhr der 35-Jährige in seinem Heimatort mit seinem Pkw die Hauptstraße. Als ihm kurz nach 22 Uhr eine Polizeistreife entgegenfuhr, erkannte die sofort den Umstand, dass der Mann nicht angeschnallt war. Die Streife kehrte um, folgte dem Pkw und ließ das Anhaltesignal "Stop Polizei" aufleuchten. Das aber veranlasste den Staffelsteiner zu beschleunigen und mit 80 km/h zu flüchten. Nun setzte eine Verfolgungsjagd ein, die einen Höhepunkt darin erlebte, dass der Angeklagte auf gleicher Höhe befindlich nach links schwenkte, um das Polizeiauto von der Straße abzudrängen. Der fahrende Polizist hatte alle Aufmerksamkeit aufzubringen, bei den Abbrems- und Ausweichmanövern einen Zusammenstoß zu verhindern. Erst recht, da die Geschwindigkeit nun weiter erhöht wurde und bei 100 km/h lag.
Fahrt endet im Acker
So fuhren die beiden Autos durch den Ort, doch für den Verfolgten endete die Fahrt in einem Acker, in dem er sich festfuhr. Seinem an die Polizei gerichteten Ausruf "Ich mache nix" ließ er zudem Taten folgen. Er machte doch etwas, sprang einen Polizeibeamten ab, trat ihn und schlug ihm mit der Faust auf die Nase, wodurch der Polizeimeister Prellungen im Gesicht sowie einen Riss im Nasenbein davontrug.
"Verhalten unerklärlich"
Weit entfernt von solch wütendem Auftreten saß der Beschuldigte neben seinem Rechtsanwalt Daniel Linster und ließ gegenüber dem Schöffengericht verlesen, dass er die Angelegenheit "zutiefst bedaure". Aus "heutiger Sicht sei ihm das Verhalten unerklärlich", so Linster seinen Mandanten zitierend. Aus damaliger Sicht mag ein Grund für seinen Fluchtversuch auch darin gelegen haben, dass der Mann Drogen mit sich führte. Während der Festnahme stellten die beiden Polizeibeamten 4,61 Gramm Methamphetamin im Besitz des Mannes fest. Eine zwei Stunden später erfolgende Wohnungsdurchsuchung ergab weitere 0,56 Gramm. Eine Erlaubnis für den Umgang mit Betäubungsmitteln besaß der Festgenommene nicht. Wie sich in der Verhandlung herausstellen sollte, besaß der Mann aber noch etwas anderes auch nicht: einen Führerschein. Das sorgte für Verblüffung im Gerichtssaal, denn offensichtlich gelang es dem in der Produktion beschäftigten Mann, diesen Umstand seinen Eltern seit zehn Jahren zu verschweigen. Das Auto, mit dem er nämlich fuhr, war ein elterliches. Schon 2007 sammelte der Beschuldigte Erfahrung mit der Justiz. Den Führerschein abgenommen bekam er wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, es folgten eine Verurteilung wegen Handeltreibens und Erwerbs von Betäubungsmitteln sowie wegen fahrlässigen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Allerdings liegen all diese Vorkommnisse schon etliche Jahre zurück, und der Angeklagte begab sich in helfende Hände. So sprach Linster von einer mehrwöchigen Suchtberatung. Seitens der Polizeibeamten, mit denen sich der 35-Jährige ein Rennen lieferte, sollte kein Belastungseifer merklich werden. Sie schilderten in nüchternen und vorwurfsfreien Worten das einstige Geschehen. Wohl auch das bewog Staatsanwältin Franziska Winkler dazu, von dem Vorwurf eines vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs zugunsten eines fahrlässigen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr abzurücken. Einen "bewussten Schädigungsvorsatz", die Absicht also, die Beamten verletzen zu wollen, sah sie nicht. "Der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in besonders schwerem Fall aber bleibt", so Winkler während ihres 15-minütigen Plädoyers, das 20 Monate Haft auf Bewährung sowie u. a. 2000 Euro Auflage forderte.
Auf 14 Monate Haft zur Bewährung plädierte hingegen Linster. "Die ganze Sache tut mir leid, ich wollte auch niemanden verletzen und bin auch weg von dem Scheiß", erklärte zudem der Beschuldigte zu sich und seinem Drogenverlangen. Schließlich ergingen 17 Monate Haft gegen ihn - zur Bewährung und unter Auflage der Entrichtung von 1800 Euro sowie der einjährigen Unterstellung unter einen Bewährungshelfer.