Druckartikel: Einst brauten Staffelsteiner Bauern selbst Bier

Einst brauten Staffelsteiner Bauern selbst Bier


Autor: Matthias Einwag

Bad Staffelstein, Dienstag, 06. Dezember 2016

An die Tradition der Hausbrauer erinnern sich der Braumeister Hans Martin und der ehemalige Landwirt Georg Würstlein.
Hans Martin (80) und Georg Würstlein (89) erinnern sich lebhaft an die Zeit, als die Bauern in Unterzettlitz und Unterneuses noch ihr Recht wahrnahmen, Bier zu brauen.  Foto: Matthias Einwag


Was uns heute als Nostalgie erscheint, war vor einem halben Jahrhundert eine Selbstverständlichkeit - das Recht der Bauern, eigenes Bier zu brauen.

Den Zweck des Hausbraurechts beschreibt der Unterneuseser Chronist Alfons Späth in seinen "Beiträgen zur Geschichte des Ortes" sehr anschaulich: "Es ist ein heißer Augusttag mitten in der Erntezeit. Der Vierzehn-Stunden-Arbeitstag mit Stallarbeit, Futter-Holen, Auf- und Abladen zahlreicher Fuhren Getreide in schweißtreibender Handarbeit und wiederum kräftezehrender Stallarbeit neigt sich dem Ende zu. Aber dann kommt der Höhepunkt des Tages: Man nimmt den Steinkrug mit zwei Liter Fassungsvermögen, geht zum Bierkeller und füllt ihn mit dem vor einiger Zeit gefassten Hausbrauerbier. Dieses wohltemperierte bayerische Volksnahrungsmittel zur deftigen Brotzeit ließ die Mühen des Tages schnell vergessen."

An die Tradition des Hausbrauwesens, die im Staffelsteiner Land bis in die 1970er-Jahre weit verbreitet war, erinnern sich zwei Männer noch sehr genau: Der Unterzettlitzer Landwirt Georg Würstlein (89) und der Unterneuseser Braumeister Hans Martin (80). "Dieses Bier war nur für den Eigengebrauch und durfte nicht verkauft werden", sagt Georg Würstlein. Das Hausbraurecht, ergänzt er, sei an das jeweilige Grundstück gebunden gewesen und war im Grundbuch eingetragen. Wer bis zu zehn Hektar Land hatte, durfte zehn Hektoliter pro Jahr brauen; Bauern mit mehr als zehn Hektar konnten bis zu 15 Hektoliter brauen. Selbst brauten die Bauern aber nicht, sie ließen vom Fachmann brauen.

Als die Brauereien in Staffelstein nach und nach aufgaben, gingen die Unterzettlitzer zur Brauerei Martin nach Unterneuses. Sie meldeten ihren Bedarf an Hopfen und Malz bei Hans Martin für den Brautag an. Den Hopfen kultivierten die Bauern zunächst selbst, bis sich durchsetzte, dass der Brauer die Inhaltsstoffe beisteuert.


Bauern kamen zum Brauer

Der Brauer seinerseits musste die jeweiligen Biermengen beim Zollamt anmelden. Er führte ein Mahl- und ein Sammelbuch über das eingebraute Bier. "20 bis 25 Hektoliter mussten schon zusammenkommen", sagt Hans Martin, "sonst war es nicht rentabel".

Nach der Hauptgärung wurde das Bier ausgelitert oder gefasst, fährt Hans Martin fort - das frisch gebraute Bier wurde also an die Hausbrauer aufgeteilt und in deren mitgebrachte 100-Liter-Fässer abgefüllt. Für diese Fässer, sagen Georg Würstlein und Hans Martin, seien die Bauern selbst verantwortlich gewesen. Einmal im Jahr, meist im Frühling, seien die Fässer von einem Büttner aus Staffelstein gepicht worden. Das Pech, das ins Fass gespritzt und mit einem heißen Kolben verflüssigt wurde, dichtete die Fassdauben wieder ab. Die Kinder hatten ihre Freude am anschließenden "Fässla-Rollen", denn es kam darauf an, das Pech an der Innenwand gleichmäßig zu verteilen. "Als Buben bekamen wir fürs Fässla-Rollen a Wienerla und a Limonade", erinnert sich Georg Würstlein.

Mit einem Kuh- oder Pferdegespann holten die Bauern ihre gefüllten Fässer an der Brauerei Martin ab. Meist sei es dabei vergnüglich zugegangen, erinnern sich die beiden Zeitzeugen, das sei stets ein Gemeinschaftserlebnis gewesen. "Es war immer a kleine Feier für die Bauern", sagt Hans Martin.

Für die Kühlung des ungespundeten Biers brauchten sowohl Brauer als auch Bauern Eis. Die Platten wurde an den Eisweihern gebrochen, von denen es einst mehrere rund um Staffelstein gab. Der Unterneuseser Weiher existiert noch heute.


Eis als natürliches Kühlmittel

Bei starkem Frost brachen die Bauern das Eis. Bis zu 30 Zentimeter dick seien die Platten gewesen, die gehoben und abtransportiert wurden. In der Brauerei brauchte Hans Martin das Eis zum Kühlen bei der Hauptgärung. Es wurde zu kleinen Brocken zerschlagen und in den Eiskeller, der mit Korkplatten isoliert war, eingelagert. Dort froren die Eisbrocken zu einem großen Batzen zusammen, der das ganze Jahr über hielt. Schmolz das Eis dennoch oder reichten die Vorräte nicht, was selten der Fall war, so wurde bei der Brütting-Bräu in Staffelstein Stangeneis geholt - "mit dem Handwächerla". Kuriosum am Rande: Es konnte vorkommen, dass in die Eisplatten Zuckerrüben eingefroren waren, weil die Bauern im Herbst ihre Rüben im Eisweiher wuschen, wobei einige abhanden kamen.


Schaumkrone auf dem Spundloch

Doch auch für die Kühlung bei der Nachgärung in Fässern wurde das Eis gebraucht. Die Bauern brachten es in jene Keller, in denen sie die Fässer mit frisch gebrautem Bier lagerten. Zur Nachgärung blieb das Spundloch des Fasses zunächst offen. Aus einem kleineren Gefäß wurde regelmäßig nachgefüllt, so dass das Fass stets voll war und keine Luft hinein kam. Erst wenn sich keine Schaumkrone mehr bildete, war die Gärung abgeschlossen und das Spundloch konnte verschlossen werden. Nun war der Tag des Anzapfens mit dem Messinghahn nicht mehr fern.

Wie lange das Bier haltbar war, lag an der Temperatur des Kellers. "Wenn der Keller zu warm war, ging's schneller kaputt", sagt Georg Würstlein und grinst. "Das ist nicht nur einmal passiert", kommentiert er. Das Bier wurde dann bitter und musste schnell getrunken werden. Weggeschüttet wurde es nicht, denn die Bauern wirtschafteten sparsam.

Und wie schmeckte die Hausbrauermaß? "Ein bisschen mehr Hopfen ha'm wir rein, wegen der Haltbarkeit. Das Bier war dadurch ein wenig bitter und es war nicht so hochprozentig wie heutige Biere", antwortet Hans Martin. Geschmacklich vergleichbar sei es mit ungespundetem Kellerbier.

Warum die Tradition endete? Das sei dem Wandel in der Landwirtschaft geschuldet, sind sich beide einig. Wo früher 20 Schnitter zur Erntezeit arbeiteten, sitzt heute ein Mann auf dem Mähdrescher. Und der trinkt Flaschenbier.