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Eine Fahrt mit dem D-Day-Dodge


Autor: Matthias Einwag

Bad Staffelstein, Donnerstag, 11. April 2019

Harry Boog hat in der Garage seines Staffelsteiner Hauses einen Dodge WC 52 aus dem Jahr 1944 stehen. Das ehemalige Fahrzeug der US-Armee war wohl bei der Invasion in der Normandie im Juni 1944 dabei.
Harry Boog mit seinem Dodge aus dem Jahr 1944. Foto: Matthias Einwag


Mit kernigem Knattern springt der Sechszylindermotor an und blubbert dann sonor im Leerlauf vor sich hin. Blaue Abgase des verbleiten Kraftstoffs wabern durch die Scheunenluft. Harry Boog freut sich: "Die erste Ausfahrt der Saison mit Onkel Dodgy - und er springt sofort an." Mit einem Handbesen kehrt er die olivgrüne Motorhaube ab, auf der ein großer weißer US-Army-Stern prangt. Dann kann's losgehen. Krachend meldet der erste Gang den Vollzug - der erste Gang ist eingelegt und das Getriebe startbereit.

Der Dodge holpert über die Bordsteinkante auf die Straße und surrt dann überraschend flott dahin. Die Tachonadel zittert nervös auf dem Zifferblatt herum. Nach einigen Kilometern ist der Motor warmgelaufen. Lärmend rumpelt der Dodge stoisch über das Sträßlein von Bad Staffelstein nach Pferdsfeld. Auf dieser schlaglöchrichen Piste von Pferdsfeld nach Prächting ist der geländegängige Kleinlastwagen so richtig in seinem Element. Nun kracht es nicht mehr beim Herunterschalten mit Zwischengas. "Jetzt ist er warmgelaufen", sagt Harry Boog. Er hat gleichwohl Mühe, das schwergängige Lenkrad des störrischen Lastesels zu bezwingen. Baujahr 1944 - Servolenkung Fehlanzeige! Andererseits: Keine störende Elektronik, die bei jeder Kleinigkeit piepst und blinkt. Heizung? Unnötiger Ballast! An diesem kühlen Aprilabend ist die Fahrt ohne Verdeck eine Herausforderung für jeden echten Mann. Harry Boog hat Galgenhumor: "Das Bodenblech wird warm."

Dieser Dodge wurde in Kanada produziert und sollte zur Invasion antreten, erklärt sein Besitzer. Er sei wohl im Juni 1944 bei der Landung der Alliierten in der Normandie dabei gewesen (Codename "D-Day"). Dafür spreche, dass dieses Modell mit Holzaufbauten ausgestattet war - also mit möglichst wenig Metall, an dem das Salzwasser schon bei der Überfahrt hätte nagen können. Nach Kriegsende ließen die Amerikaner ausgemustertes Armee-Material in Europa, sagt Harry Boog. Der Dodge kam nach Österreich. In der Nähe von Wien wurde er als Kohlenwagen genutzt.

Harry Boog wollte immer so ein Fahrzeug haben. Zu seinem 60. Geburtstag bekam der Rostocker Rechtsanwalt ein solches Fahrzeug von Freunden und Familienmitgliedern geschenkt, die Geld sammelten und zusammenlegten. Voll Freude nahm er den Dodge in Besitz. Das Fahrzeug war bereits restauriert und in den Originalzustand zurückgebaut. Als seine Frau und er schließlich ein Haus in Bad Staffelstein erbten, bekam der Dodge eine neue Heimat am Obermain. Nur das rote Rostocker Sonderkennzeichen verrät noch seinen Migrationshintergrund.

"Man erlebt mit dem Ding immer irgendwas. Es ist ein urig aussehendes Sympathiefahrzeug, das nicht zu sehr nach Krieg aussieht", beschreibt Harry Boog die Liebe zu seinem Militärtransporter. Natürlich ist der Sechszylinder durstig und schluckt viel Benzin. Aber 18 bis 22 Litern auf 100 Kilometer sei weniger als er selbst zunächst vermutet hatte, sagt Harry Bo og. "Das ist kein Fahrzeug mit Chrom und Lack", fährt er lachend fort, "das ist ein Fahrzeug unserer Befreier!"

Wie es kommt, dass er ausgerechnet für ein Militärfahrzeug so schwärmt, wollen wir wissen. Alte Fahrzeuge finde er faszinierend, antwortet der Jurist, der einst in Heidelberg ein Antiquitätengeschäft betrieb. In seiner Kindheit in Württemberg, Anfang der 1950er-Jahre, prägten die Militärkolonnen der Amerikaner das Bild auf den Straßen, erzählt er. Es habe also vielleicht einen psychologischen Hintergrund, gerade dieses Fahrzeug so zu schätzen: "Das Kind, das du warst, lebt in dir."

"Und außerdem", fügt er hinzu, "ist das Freiheitsgefühl in einem Jeep größer als in einem Mercedes." Im Dodge sitze man unangeschnallt und fahre ohne Türen und Windschotts dahin: "Das ist ein Urgefühl, man ist nicht in eine Büchse eingezwängt."

Wie oft er mit dem Dodge über Land fährt? "Wenn sich ein lebensmüder Mitfahrer findet, so oft wie möglich", scherzt er. Spaß mache ihm dies, weil die Leute am Straßenrand dem Fahrer zuwinken und weil man immer etwas Überraschendes erlebt. Und wenn er tatsächlich einmal in eine Polizeikontrolle gerät, dann bewundern die Beamten stets das urige Fahrzeug.

Aber wie alt ist der Fahrer? Harry Boog grinst: "Zufällig habe ich das gleiche Baujahr wie der Dodge - 1944."