Eine Ebensfelderin will Flüchtlinge auf dem Mittelmeer retten

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Fernrohr und Gummistiefel dürfen bei Petra Oecklers zweiwöchigen Mission mit der "Sea Eye" vor der libyschen Küste im Mittelmeer natürlich nicht fehlen. Foto: Dominic Buckreus
Fernrohr und Gummistiefel dürfen bei Petra Oecklers zweiwöchigen Mission mit der "Sea Eye" vor der libyschen Küste im Mittelmeer natürlich nicht fehlen. Foto: Dominic Buckreus
An der Küste vor Libyen ist Petra Oeckler mit der "Sea Eye" im Einsatz. Foto: Dominic Buckreus
An der Küste vor Libyen ist Petra Oeckler mit der "Sea Eye" im Einsatz. Foto: Dominic Buckreus
 

Petra Oeckler will Flüchtlinge im Meer vor dem Ertrinken bewahren. Bei solchen Einsätzen ist Vorsicht geboten. Und es gibt Kritik an dieser Art Hilfe.

Ein rostiger Fischkutter tuckert in der Nacht über das stürmische Mittelmeer. Neun Menschen sitzen schon seit Tagen auf dem nur 26 Meter langen Schiff, das "Sea Eye" getauft wurde. Plötzlich taucht aus der Ferne ein Schlauchboot auf. Über 100 Menschen sind darauf gepfercht. Es sind Flüchtlinge aus Afrika. Für die Crew der "Sea Eye" beginnt jetzt ihre Mission: Sie wollen die Flüchtlinge retten, bevor diese ertrinken.

In so eine Situation könnte Petra Oeckler aus Ebensfeld in den nächsten zwei Wochen kommen. Sie hat sich heute auf den Weg gemacht, um mit dem umgerüsteten Fischkutter Flüchtlinge auf dem Mittelmeer zu retten.
Sie hat sich dafür einer Organisation angeschlossen, die seit 2015 regelmäßig und ehrenamtlich solche Fahrten unternimmt. Die Initiative trägt denselben Namen wie ihr Schiff. Oeckler ist zum ersten Mal dabei. Den ersten Kontakt gab es im Januar 2016. Im März nahm ihr Mann bereits an einer Fahrt teil.


Es wird eng auf dem Schiff

Seetüchtig ist die leidenschaftliche Seglerin aber schon. Eine ganze Woche hat sie schon auf See verbracht. Nur nicht auf einem solchen Boot, mit so vielen Menschen.

"Damit klarzukommen ist schon eine Herausforderung", sagt sie. Ein Arzt, ein Maschinist, ein Kapitän sind an Bord. Dazu noch Oeckler und fünf andere Helfer mit etwas oder gar keiner nautischen Erfahrung. Ein zusammengewürfelter Haufen aus Fremden. Acht Kojen gibt es zum Schlafen und ein paar Notbetten. Es ist eng mit wenig Intimsphäre für die Besatzung.

Von der Insel Malta aus startet die "Sea Eye" ins offene Meer. Sie fährt an die libysche Küste, aber nicht näher als 24 Seemeilen - etwa 44,5 Kilometer - an sie heran. Dort beginnt nämlich das Hoheitsgebiet der libyschen Küstenwache. "Die haben da schon gewisse Befugnisse", erklärt Oeckler. 30 Stunden dauert es, bis die Crew im Zielgebiet angekommen ist.


Keine Aufnahme - nur Versorgung

Dort hält sie Ausschau nach Flüchtlingsbooten, sagt die Ebensfelderin. Sollten sie eines erspähen, gibt es ein genaues Prozedere, wie die Helfer vorgehen. Denn selbst aufnehmen könne die "Sea Eye" die Flüchtlinge nicht. Sie sei zu klein für so viele Menschen. Bei 120 Mann an Bord sei das Schiff handlungsunfähig.

"Das ist auch nicht unser Plan", betont Oeckler. Ihr Hauptziel sei es, den Menschen im Boot Rettungswesten zu geben. Diese hätten in der Regel nämlich gar keine. Danach teilen die Helfer Wasser aus und Verletzte könnten auf dem Schiff versorgt werden.

Das alles klingt zunächst einfach, doch die Crew muss dabei sehr vorsichtig umgehen. Das habe die Helferin alles in der zweitägigen Vorbereitung auf die Reise gelernt. "Es ist eine kritische Situation", sagt sie. Die Flüchtlinge könnten Angst haben oder vor Euphorie auf das Schiff springen. Also fahren die Helfer mit einem Beiboot zu den Flüchtlingen.


Hilfe kommt aus Rom

Das Mutterschiff hält etwa zwei Seemeilen Abstand. Sie umfahren das Schlauchboot, in dem meist alleinstehende junge Männer säßen, sodass jeder die Retter einmal sehen kann. Dann nähern sie sich von hinten, teilen Rettungswesten und Wasser aus.

Die Besatzung auf der "Sea Eye" sendet derweil einen Notruf an die Seenotleitstelle Mittelmeer in Rom ab. Diese teilt den Helfern mit, was zu tun ist. Meist kommt ihnen ein anderes, größeres Schiff zur Hilfe und nimmt die Flüchtlinge auf. In den seltensten Fällen müssten alle auf den kleinen Kutter.

Doch genau hier beginnt die Kritik an den Einsätzen der vielen freiwilligen Helfer im Mittelmeer. Die Schiffe bringen die geretteten Flüchtlinge ans europäische Festland. Zuletzt kritisierte Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) diese Missionen. Der Vorwurf: Die Helfer würden den Schleppern in die Hände spielen, die Flüchtlinge gewissermaßen abholen und nach Europa bringen. Deshalb würden die Schlepper immer schlechtere Boote einsetzen und immer mehr Menschen würden dadurch ertrinken.


Keine Fluchthilfe

"Ich glaube nicht, dass wir die Flucht befördern", weist Oeckler die Kritik zurück. Die Leute hätten gar keine Vorstellung von der Überfahrt mit einem Boot, unterschätzten die Gefahr. Außerdem halte sie den Umkehrschluss "Lassen wir ein paar ertrinken, dann kommen die Nächsten nicht nach" für zynisch. "Ich will nicht, dass sie sterben - und mehr tun wir nicht", sagt die Lehrerin. Das sei auch ihre Motivation, bei diesem Unterfangen mitzumachen: Leben retten.