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Ein Lichtenfelser Richter nimmt den Hut


Autor: Markus Häggberg

Lichtenfels, Mittwoch, 14. Juni 2017

Stefan Hoffmann hat beinahe zwei Jahre lang am Amtsgericht in Lichtenfels Recht gesprochen. Ein Gespräch über Arbeitspensum und dien Angst vor Fehlurteilen.
Ein Richter mit Humor: Eigentlich kein Hutträger, nimmt Stefan Hoffmann das Requisit Hut gerne an, um einen Bildtext mit "Richter nimmt seinen Hut" zu ermöglichen. Foto: Markus Häggberg


Stefan Hoffmann geht. Der Richter mit dem ruhigen Gemüt nimmt in den nächsten Tagen seinen Hut und geht zur Staatsanwaltschaft nach Bayreuth. Aus seinem Büro im obersten Stock (Zimmer 23) hat er schon persönliche Habe entfernt. Ein erstes und letztes Interview zu Lichtenfels, Arbeitspensum und Angst vor Fehlentscheidungen.

Wie lange waren Sie Richter in Lichtenfels?
Stefan Hoffmann: Wenn wir den Juni vollbekommen hätten, dann wären es zwei Jahre geworden.

Waren Sie gerne in Lichtenfels? Gehen Sie mit Wehmut?
Sehr gerne. Wehmut ist ein zu weiter Begriff. Mit eigenen Worten würde ich es so beschreiben, dass ich hier auf dem Gericht vielen Menschen begegnet bin, die mir ans Herz gewachsen sind.

Warum gehen Sie fort?
Es ist nach dem bayerischen System in der Justiz Grundsatz, dass innerhalb der ersten drei Jahre der Rechtsassessor verpflichtend auch bei Staatsanwaltschaft tätig wird. Dreiviertel beginnen bei der Staatsanwaltschaft und werden dann Richter, bei mir war es umgekehrt. Jetzt gehe ich zur Staatsanwaltschaft.

Ein Richter nimmt gegenüber dem Staatsanwalt oft mildernde Position ein, als Staatsanwalt wird er aber fordernder - ist ein Rollenwechsel da nicht auch ein bisschen schizophren?
(Lacht) Ich denke, das ist Bestandteil der Anforderung, auch diese Flexibilität im Denken zu haben. Durch den Wechsel der Rollen wächst auch Verständnis für die Positionen, welche die Staatsanwälte in meinen Sitzungen eingenommen haben.

Wie viele Fälle haben Sie in Lichtenfels bearbeitet?
Man hat pro Monat 40 bis 50 Neueingänge an Strafsachen. Dazu kommen 20 Zivilverfahren und 20 bis 30 Ordnungswidrigkeiten. Das multiplizieren Sie dann mit 24.

Haben Sie Angst vor Fehlurteilen?
Angst ist fehl am Platze. Ich bin vollkommen im Reinen mit mir und mit meinen Entscheidungen, wenn ich alles ausgeforscht und erarbeitet habe, was ich zur Entscheidungsgrundlage benötige.

Lichtenfels ist eine kleine Stadt - sind Sie einem von Ihnen verurteilten Menschen mal als Passant begegnet?
Das kann ich tatsächlich verneinen, weil ich nicht in Lichtenfels lebe. Eine Begegnung wäre nur in der Mittagspause möglich gewesen, und das hat nie stattgefunden.

Was muss ein Richter tun, um den Nachfolger einzuarbeiten und die Amtsgeschäfte zu übergeben?
Ich arbeite bis zum letzten Tag so weiter, als ob ich das Referat weiterführe. Die Einarbeitung des Nachfolgers erfolgt durch die Kollegen.

Was wird Ihnen an Lichtenfels gut in Erinnerung bleiben?
Wir haben das schönste Justizgebäude im Landgerichtsbezirk Coburg.

Das Gespräch führte Markus Häggberg.

Persönliches 32 Jahre alt, gebürtiger Norddeutscher, studierte in Bayreuth, dort auch wohnhaft, verheiratet, kulturinteressiert, belegt derzeit mit seiner Frau einen Tanzkurs.

Eigenschaft Eine gewisse bedachtsame Langsamkeit, bedingt durch Wunsch nach Sorgfalt. MH