Ehepaar aus Bad Staffelstein entkommt Erdbeben in Nepal
Autor: Ramona Popp
Bad Staffelstein, Dienstag, 05. Mai 2015
Raimund Göhlich aus Bad Staffelstein war zum Zeitpunkt des verheerenden Erdbebens in Nepal. Jetzt könne er dreimal Geburtstag feiern, sagt er.
Nach dem, was Raimund Göhlich und seine Frau Ljuba in den zurückliegenden zwei Wochen rund 7000 Kilometer weg von ihrem Zuhause erlebt und vor allem überlebt haben, hatten sie am Dienstag nur ein ganz naheliegendes Ziel: Vierzehnheiligen. "Wir bedanken uns dort", erklärt der 57-Jährige knapp. Es braucht auch keine großen Worte, um seine Erleichterung und Dankbarkeit nachempfinden zu können, gesund von dieser Reise heimgekehrt zu sein. Die Göhlichs waren in Nepal, recht nah am Epizentrum des Erdebebens vom 25. April, bei dem rund 7200 Menschen ums Leben kamen.
Die höchsten Berge der Erde sehen - das war Raimund Göhlichs großer Traum. Die Nepal-Rundreise, die er mit seiner Frau unternehmen wollte, war gut geplant. In Kathmandu und Patan die Königsstädte sehen, weiter zum tierreichen Chitwan-Nationalpark und dann...
Dann kam das große Beben und beendete abrupt diese Pläne. Raimund Göhlich erinnert sich noch genau daran, wie es war, dieses unheilvolle Grollen und Brummen und Vibrieren, als ob sich eine Panzerkolonne näherte. Es war am Nachmittag, schwül-heiß wie immer, und die Reisegruppe ging gerade zu Fuß durch eines der Dörfer im Nationalpark. Am Vormittag waren sie noch auf Elefanten geritten. Dass einige dieser sensiblen Tiere plötzlich durchdrehten, den Gehorsam verweigerten und kaum mehr zu bändigen waren, hatte das imposante Erlebnis getrübt und den Reisenden einen Schrecken versetzt. Das Verhalten der Elefanten dürfte eine Vorahnung gewesen sein, die man zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht als solche verstand. Im Nachhinein glaubt Raimund Göhlich sich auch an ein ungewöhnlich lautes Schreien der Vögel zu erinnern.
Eine Minute wie eine Ewigkeit
Als sie über die Dorfstraße gingen und die Erde ihnen keinen Halt mehr geben wollte, brach Panik aus. "Wir haben Todesangst gehabt", sagt Göhlich leise. Man habe nicht gewusst, was man machen sollte. "Ich hatte das Gefühl, der Boden tut sich auf und ich falle hinein." Nach einer wie eine Ewigkeit erscheinenden Minute war es vorbei. Obwohl es das schwerste Beben in der Region seit 80 Jahren war, schienen die Einheimischen zumindest insoweit mit Erderschütterungen vertraut, dass sie gleich danach zur Tagesordnung übergingen und tatsächlich lachende Gesichter zu sehen waren. Die Dimension dieser Naturkatastrophe wurde in der ländlichen Gegend mit ihren Hütten und niedrigen Gebäuden kaum offenbar. Währenddessen lagen die wenige Tage zuvor besichtigten Plätze und Straßenzüge der Hauptstadt Kathmandu sowie zum Weltkulturerbe zählende Tempel bereits in Schutt. Die Informationen über die verheerenden Zerstörungen und Tausende von Opfer drangen nur langsam vor. Telefon funktionierte stundenweise. "Aber SMS kamen an." Die Kurzmitteilungen waren Göhlichs Verbindung nach Hause.
Zurück in der einfachen Unterkunft im Nationalpark konzentrierten sich der nepalesische Reiseleiter und der begleitende deutsche Arzt von nun an da rauf, der Gruppe die Rückreise zu ermöglichen. Es gab immer wieder heftige Nachbeben. "Früh um fünf hat jemand ‚Alles raus!‘ geschrien", erinnert sich Göhlich an eines davon. Auf dem nächstgelegenen Provinzflughafen warteten die Touristen schließlich vergeblich auf die gecharterte Propellermaschine.
Was sie hatten vermeiden wollen, mit dem Bus die Straße nach Kathmandu zurückfahren zu müssen, kam nun auf sie zu. Diese Strecke hatte sich schon vor dem Beben in einem unfassbar schlechtem Zustand befunden. Nun musste man in der Nacht los, um rechtzeitig anzukommen. "Das war lebensgefährlich", beschreibt der Bad Staffelsteiner diese Fahrt. "Wir haben fünf Stunden für 80 Kilometer gebraucht." Es gab einen tödlichen Verkehrsunfall und eine Straßenblockade. Doch der Busfahrer, der in diesen Tagen die Nachricht vom Tod zweier Angehöriger erhalten hatte, brachte alle wohlbehalten ans Ziel.
Insgesamt erstreckte sich die Rückreise über drei Tage, mit Flügen von Kathmandu nach Delhi, von dort nach "schikanierenden Kontrollen" weiter über Abu Dhabi nach Frankfurt. Am Samstagabend rollte das Ehepaar Göhlich seine Koffer durch die Staffelsteiner Bahnhofstraße. In dieser und in den folgenden Nächten hat Raimund Göhlich schlecht geschlafen. Die Ereignisse holen ihn ein. "Ich könnte jeden Moment heulen." Nun hat er beschlossen, ab Donnerstag wieder zur Arbeit zu gehen. Das ist seine Art, mit der Situation umzugehen. "Ich kann jetzt dreimal Geburtstag feiern", sagt er und erzählt von einem Einsatz als Ersthelfer bei einem Unfall 1999, als ihn ein Autofahrer bei Eisglätte angefahren und schwerst verletzt hatte. "Ich musste wieder laufen lernen, hatte meinen Job verloren." Von seiner jüngsten Reise ist Göhlich gesund heimgekehrt. Er hat die höchsten Berge nicht gesehen, aber viele freundliche Gesichter Nepals. Deshalb ist er heute vor allem eines: dankbar.