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Ebensfelder Bahnhof: Wohnung mit Gleisanschluss


Autor: Matthias Einwag

Ebensfeld, Donnerstag, 19. Februar 2015

Der pensionierte Bahnbeamte Anton Zenk aus Unterneuses wohnte in den 1960er Jahren im Ebensfelder Bahnhof. Welche Erinnerungen ihn mit den Gebäuden verbinden, die in wenigen Wochen abgebrochen werden, erzählt er uns.
Bald wird der Ebensfelder Bahnhof abgerissen, weil er der neuen ICE-Trasse im Weg ist. Einer, der den Bahnhof ganz genau kennt, weil er viele Jahre darin wohnte und als Bahnbeamter Dienst tat, ist Anton Zenk. Foto: Matthias Einwag


Ruhig wohnen ist anders. Zugegeben: Wer in einem Bahnhof lebt, hat eine exzellente Verkehrsanbindung. Er ist aber auch nah dran am Gleis - mit allen Nachteilen, die das mit sich bringt. Tag und Nacht preschen Schnellzüge durch, Güterzüge rumpeln vorbei, Schulkinder lachen und feixen auf dem Bahnsteig, wartende Fahrgäste stehen herum, unterhalten sich vor allem nachts besonders laut und schnippen Zigaretten auf den Boden, die sie zuvor mit einem lauten Rrrrumms aus dem Automaten gezogen haben. Von heiter heimkehrenden Sandkerwa-Besuchern und grölenden Fußballfans ganz zu schweigen.

Anton Zenk (71) hat das alles erlebt, er wohnte als junger Bahnbeamter in den 1960er Jahren im Ebensfelder Bahnhof. Ein Vorteil, der den Lärm ausglich, war freilich der äußerst kurze Weg zum Arbeitsplatz, denn gleich neben seiner Wohnung befand sich der Stellwerksraum, in dem er als Aufsichtsbeamter Dienst tat. Bis zu 240 Züge passierten Ebensfeld in 24 Stunden, da gab es eine Menge Arbeit.

Die Weichen mussten gestellt und Fahrkarten verkauft werden, der Rangierbetrieb erforderte planerisches Geschick und eine Schranke gab es damals auch noch, die vom Aufsichtsbeamten bedient wurde. Zu jener Zeit befanden sich häufig 300 bis 400 wartende Personen auf dem Bahnsteig. Um zu vermeiden, dass diese Leute drängelten und unter die Räder gerieten, mussten sie hinter Absperrungen warten, bis der Zug eingefahren war - erst dann ließ der Aufsichtsbeamte sie durch.

Der schienengleiche Bahnübergang erforderte die ganze Aufmerksamkeit des Beamten im Stellwerksraum. Die 1956 installierte, fernbediente Schranke, die bimmelnd auf- und niederschwenkte, war schnell technisch veraltet, weshalb sie später durch eine Unterführung ersetzt wurde.

Anton Zenk litt sicher unter dieser Schranke, denn bei Nebel konnte er den Bahnübergang von seinem Arbeitsplatz aus manchmal kaum sehen - dafür hörte er das Gebimmel tagein tagaus, am Tag und in der Nacht in seiner Wohnung. Ebenso wie das krachende Geräusch, das entstand, wenn sich ein Raucher Zigaretten aus dem Automaten zog, der unmittelbar neben Anton Zenks Schlafzimmerfenster hing. Publikumsverkehr auf dem Bahnsteig gab es täglich von 4.30 bis 1 Uhr nachts.

Rußende Loks und Rangierlärm

Selbst für einen hartgesottenen Eisenbahner war es gewöhnungsbedürftig, wenn Güterzüge mit Dampfloks am Bahnhof vorbei stampften. Die zischenden und schnaubenden Monster ließen den Boden erbeben und hüllten alles in Rauch und Dampf, Kohlen fielen herunter und die Waggons rumpelten mit metallischem Scheppern über die Schienen. Und wenn rangiert wurde - in den 1960ern führte ein Abstellgleis am Bahnhof vorbei -, waren laute Zurufe und Pfeifsignale weithin zu hören.

Anton Zenk weiß ein Lied davon zu singen, denn auch dieses Gleis verlief ja unmittelbar vor seiner Wohnung. Die Rufe der Rangierer - "Noch a halbe!", womit kein Bier, sondern eine Wagenlänge gemeint war - klingen ihm noch immer im Ohr.

Anton Zenk, der 1957 als Jungwerker bei der Eisenbahn begonnen hatte, tat zwischen 1964 und 1969 als Fahrdienstleiter am Ebensfelder Bahnhof Dienst. 1965 bis 1973 wohnten er und seine Familie in der Vorstandswohnung. Im ersten Stock des großen Gebäudes wohnten bis in die 1960er Jahre drei Familien. Der Dienst an der Mechanik im Stellwerksraum forderte dem Aufsichtsbeamten Stärke ab. Anton Zenk: "Die Arbeit an den Weichenhebeln kostete viel Kraft - da warst drang'hängt wie a Mugg'n."

Dass die elektrische Schranke irgendwann weg kam, sei ein Segen gewesen. Zum einen, weil dieser Übergang ein Gefahrenherd war, zum andern, weil die Schranke häufig geschlossen war. Das musste sein, weil die Strecke Bamberg-Lichtenfels für Versuchsfahrten bis zu 180 km/h augewählt war. "Diese Schranke war ein Hindernis für die ganze Bevölkerung von Ebensfeld", sagt Anton Zenk.

Letzter Bahnhofsvorstand war Ende der 1970er Jahre Georg Murrmann, als letzter Aufsichtsbeamter beendete Reinhold Schiegel am 21. Januar 1989 um 0.30 Uhr seine Schicht.