Digitalisierung: "Logik von Maschinen hilft nicht weiter"

2 Min
Foto: Daniel Reinhardt, dpa
Foto: Daniel Reinhardt, dpa
Andreas Boes Foto: Litzlfelder
Andreas Boes Foto: Litzlfelder
 
Christian Till Roga Foto: Litzlfelder
Christian Till Roga Foto: Litzlfelder
 

Beim Treffen des IT-Clusters Oberfranken in Kloster Banz ging es um die Auswirkungen digitaler Veränderungen auf die Gesellschaft. Es gehe nicht um Automatisierung, sagte der Sozialwissenschaftler Andreas Boes. Vielmehr müsse ein Informationsraum entstehen, um Interaktion zwischen Menschen zu fördern.

Andreas Boes kommt schnell auf den Punkt, wenn es darum geht zu erklären, warum die Digitalisierung als Thema in der Gesellschaft angekommen ist, aber "nachhaltige Konzepte weiterhin Mangelware" seien - "in der Politik wie auch in der Wirtschaft".

"Wir versuchen, die Digitalisierung des 21. Jahrhunderts mit der Brille des Maschinensystems des 19. Jahrhunderts zu sehen und suchen nach einer Vollautomatisierung von allem und jedem", sagte der promovierte Arbeits- und Industriesoziologe. Dagegen gelte es vielmehr die neuen Möglichkeiten der Informationssysteme zu nutzen.

Worthülse "Industrie 4.0"

Boes sprach gestern auf Einladung des Vereins IT-Cluster Oberfranken in Kloster Banz (Landkreis Lichtenfels). Der 50-Jährige, Vorstandsmitglied des Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) in München und Privatdozent an der TU Darmstadt, sitzt derzeit in vielen Beratungsgremien - unter anderem berät er die Bundesregierung.

Boes spricht von einem Umbruch, wie ihn die Wirtschaft seit 150 Jahren nicht mehr erlebt habe. Im Moment treibe eine kleine Gruppe junger IT-Gurus aus dem Silicon Valley Weltwirtschaft und Politik vor sich her. Worthülsen bestimmten das Thema, unter anderem "Industrie 4.0". Digitalisierung bedeute aber nicht Automatisierung. Vielmehr entstehe ein Informationsraum, der für Kommunikation und Interaktion zwischen Menschen sorgen könne.

Start-ups wie Plankton

Diese Welt der Informationen werde in nahezu jedem Lebensbereich immer wichtiger. "Die meisten von uns buchen kein Hotel mehr, wenn sie nicht vorher ein Bewertungsranking gelesen haben", nannte Boes ein Beispiel. Firmen wie Google dächten bei ihren Innovationen immer von diesem Informationsraum aus. Außerdem nutzten sie Start-up-Unternehmen für neue Ideen wie Fische das Plankton.

Aber auch etablierte Branchen wie zum Beispiel die deutsche Autoindustrie müssen sich laut Boes möglicherweise auf sogenannte disruptive, quasi verdrängende Veränderungen einstellen. "Könnte die große und stolze deutsche Autoindustrie irgendwann nur noch der Zulieferer von Google oder Apple werden?" Eine Frage, die sich stelle, sagte Boes, wenn die Internetgiganten irgendwann bestimmte Lizenzen vergäben. Finanzdienstleister beschäftigten ähnliche Fragestellungen: Brauchen wir überhaupt noch Banken? Übernehmen Handydienstleister irgendwann dieses Geschäft?

Raum für Experimente, aber auch für Bedenken

Die Herausforderung für die Firmen ist laut Boes, die "alte Welt" der Prozesse hinüberzudenken in die neue Informationswelt. Hier gehe es um Kommunikation und Interaktion. "Industrie 4.0" ohne den Menschen, ohne Kommunikation könne auf Dauer nicht funktionieren. Ebenso nicht, wenn der Kunde nur Objekt der Verhaltenssteuerung sei und ausgespäht werde. Zwar müsse es Räume für Experimente geben, ebenso aber auch für Bedenken. Ein Geschäftsmodell wie das des Online-Fahrdienstleisters Uber sei rechtlich und gesellschaftlich eben nicht sinnvoll, sagte Boes.

"Kampf um Enddaten schon verloren"

Christian Till Roga, Geschäftsleiter Digital Division bei T-Systems, stellte Beispiele vor, wie sein Unternehmen derzeit die Digitalisierung vorantreibe: Ärzte-Tablets, die Krankenakten verdrängen, intelligente Getränkeautomaten, die Nachschubbedarf an eine Zentrale melden, oder Fahrstühle, die Wartungsbedarf erkennen. "Wir müssen anfangen, Daten zu generieren, und nachdenken, was mir mit diesen Daten tun", sagte Roga. Dabei gehe es um Maschinendaten. "Der Kampf um die personellen Endkundendaten ist schon an Google und Amazon verloren", sagte Roga.