Die Heimat braucht die Pflege aller
Autor: Matthias Einwag
Lichtenfels, Mittwoch, 06. November 2019
Prof. Dr. Günter Dippold ist seit 25 Jahren Bezirksheimatpfleger. Wir sprachen mit dem Lichtenfelser Historiker über das, was er erreicht hat und das, was seine Arbeit ausmacht.
"Das Wort Heimat", sagt Günter Dippold, "meint einen Ort, dem ich mich verbunden fühle und für den ich mich, weil ich mich ihm verbunden fühle, einsetze." Als er das Amt des oberfränkischen Bezirksheimatpflegers vor 25 annahm, hatte dieses Wort Heimat noch eine altbackene, ja kitschige Note. Heute sei es in aller Munde. Der Begriff sei jedoch sinnentleert, abgegriffen und drohe, missbraucht zu werden. Und das, obwohl die Heimat stark bedroht sei. Dabei weiß Dippold als Historiker: "Veränderung ist das Beständige."
Den Bau von Hallen im Maintal mit Heimatliebe zu begründen, sagt er, sei ein Missbrauch des Wortes Heimat. Schon in den 90er Jahren habe er davor gewarnt, "das Maintal mit unmaßstäblichen Bauten ohne architektonischen Anspruch vollzumüllen und zu versiegeln". Dabei verkenne er nicht die Notwenigkeit, dass die Wirtschaft Infrastruktur braucht - doch die Frage sei immer: Wo und wie?
Bausünden nehmen wieder zu
"Wir wirken in vielen Fällen anregend und anstoßend", sagt er über die bayerischen Bezirksheimatpfleger. Obwohl Heimat derzeit Konjunktur in Wort und Schrift habe, sei das Verständnis für die Denkmalpflege in den vergangenen 25 Jahren geringer geworden: "In den 60er und 70er Jahren hat man abgerissen, als ob's kein Morgen gäbe - und ich habe den Eindruck, diese Zeiten sind wieder da." Momentan laufe es so: "Wir - meine Kollegen in den anderen Bezirken und ich - haben zwei Objekte gerettet, und zehn verlieren wir. Das ist eine Quote, die nicht mehr gut tut."
Zeugisse unserer Vorfahren
Als Beispiel nennt Günter Dippold den jetzigen Norma-Parkplatz in seiner Heimatstadt Lichtenfels. An dieser Stelle, sagt er, standen zuvor wunderschöne Lagerhäuser, die abgebrochen wurden. "Niemand würde ernsthaft eine Kirche oder ein Schloss wegreißen, aber wir sind bereit, die Zeugnisse des Lebens unserer Vorfahren wegzuräumen - also von jenen Leuten, die in Fabriken oder auf Bauernhöfen gearbeitet haben."
Das führt den 57-Jährigen zu der Frage: "Was kann jeder selbst machen, um die Heimat zu schützen?" Es beginne damit, regionale Produkte zu kaufen, sagt Günter Dippold: "Trink' ich a Vierzehnheiliger oder a Beck's?" Der dazu passende Anglizismus: "Think global, drink local." Er ergänzt: "Es gibt Leute, die kennen in Südtirol jedes Tal und jede Steige, waren aber noch nicht im Bärental oder auf der Kösseine." Damit meine er nicht, die Leute sollten Südtirol meiden. Sie sollten jedoch "das kennen und nutzen wollen, was sie vor Ort haben".
Reparieren statt neu bauen
"Wir reden viel von Energie-Effizienz beim Bauen und Dämmen - aber Häuser zu bauen ist auch ein Energiefaktor", sagt Dippold. Oftmals wäre es sinnvoller zu reparieren, als neu zu bauen. Natürlich wolle er niemandem verbieten, Neubauten zu errichten. Es gehe ihm vielmehr darum, ein regionales Bewusstsein zu schaffen, das stolz mache auf die Heimat: "Wir haben viel und wir sind gut."
"1000 Kleinigkeiten angestoßen"
Auf seine 25 Jahre als Bezirksheimatpfleger zurückblickend sagt Dippold über seine Mitarbeiter und sich: "Wir haben im musealen Bereich relativ viel gerissen in der Region." Zwar sei nichts Spektakuläres neu gegründet worden, doch gebe es "1000 Kleinigkeiten, die wir angestoßen haben" - etwa wie man es Schulklassen erleichtern kann, ein Museum zu besuchen.