Druckartikel: Des Schäfers große Sorge

Des Schäfers große Sorge


Autor: Ramona Popp

LKR Lichtenfels, Donnerstag, 15. Dezember 2016

Wenn Tiere auf die Gleise gehen, kann das fatale Folgen für einen Hochgeschwindigkeitszug haben. Schäfer Wunderlich macht sich für einen Schutzzaun stark.
Schäfer Anton Wunderlich vor seiner Herde Foto: Popp


Es ist ja schon einmal etwas Schlimmes passiert. Bei Fulda ist ein ICE mit Tempo 220 in eine Schafherde gerast und entgleist. 19 Menschen wurden verletzt. Den Schäfer traf keine Schuld. Die Weide lag in 500 Metern Entfernung und war ordnungsgemäß abgesichert.

Aber: Etwas muss die Tiere derart in Panik versetzt haben, dass sie entgegen ihrer normalen Verhaltensweise sogar durchs Wasser, sprich einen Bach, gingen, und im Tunnel Schutz suchten. Am wahrscheinlichsten ist die These, dass streunende Hunde dahinter steckten. Gegen den Schäfer wurde wegen des Verdachts des gefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr und fahrlässiger Körperverletzung ermittelt, das Verfahren aber zehn Monate später, im Februar 2009, eingestellt. Für Anton Wunderlich aus Lichtenfels ist das Szenario Schafe auf Gleisen eine große Sorge geblieben. Die ICE-Neubaustrecke geht nämlich quer durch Weideland, auf dem er seine Herden grasen lässt. Dies sogar im Auftrag der Deutschen Bahn, als Landschaftspflegemaßnahme. Wenn fremde Hunde Schafen hinterher jagen, dann hält die verängstigten Tiere auch nicht der nächtens angebrachte Elektrozaun auf. Diese Erfahrung hat die Schäfer-Familie Wunderlich schon einmal an anderer Stelle machen müssen. Deshalb hat Anton Wunderlich gegenüber seinem Ansprechpartner bei der Bahn auf das Gefahrenpotenzial hingewiesen: "Wir müssen es minimieren, ich kann das nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren. In so einem Zug sitzen 300 bis 400 Leute drin." Er plädiert für einen Zaun, wie er an Autobahnen zum Schutz vor Wildwechsel üblich sei.

Bei den Jägern erfährt seine Forderung volle Unterstützung. Hegering-Leiter Karl Hagel berichtet von einer hohen Wildschweindichte im betreffenden Bereich. "Wir schießen dort über 100 Sauen im Jahr." Hundertprozentigen Schutz biete auch ein Zaun nicht, aber er sei das Mindeste. Auch der Jagdverband ist laut Hagel in Sorge. "Bei einer Drückjagd sind wir für die Verkehrssicherungspflicht zuständig." Wenn es dann wegen einer Rotte Sauen zu einem Unfall auf der ICE-Strecke käme, stünde der Jagdleiter in der Verantwortung. Die kritischen Punkte seien der Bahn bekannt, betont Hagel. Denn der Bayerische Jagdverband sei um eine Stellungnahme gebeten worden, und die habe der Kreisverband auch abgegeben. Das allerdings sei bislang ohne Reaktion geblieben, nicht einmal eine Eingangsbestätigung habe man erhalten. "Wir Jäger sind daran interessiert, dass da eine Lösung gefunden wird", sagt der Hegering-Leiter.

Helge Gork, Ingenieur bei der DB-Projektbau, bestätigt auf Anfrage unserer Zeitung, dass die Hinweise bei der Bahn angekommen sind. Und dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. "Wir sind am Prüfen." Einem Gutachten zufolge sei eine Abzäunung im Bereich des Eierberge-Tunnels nicht zwingend erforderlich. Die ganze Trasse einzäunen werde man definitiv nicht. Doch sei man bestrebt, für einige Stellen, wo nicht bereits Lärmschutzwände stehen, eine Lösung zu finden, insbesondere im Bereich von Brücken und Tunneln.


Wie kann die Lösung aussehen?

Eine allgemeine Einzäunung der Gleise zur Verhinderung von Unfällen hatte das Bundesverkehrsministerium nach dem Unfall 2008 für nicht sinnvoll erachtet. Im Falle eines Unglücks könnten sich Zäune auch als hinderlich erweisen.
Schäfer Wunderlichs Sorge wird indes auch bei der Einsatzleitung für mögliche Rettungsaktionen an der ICE-Strecke ernst genommen. Kreisbrandrat Timm Vogler weiß um die Thematik und will sie bei der nächsten Besprechung mit Verantwortlichen der DB aufgreifen. Diese ist für Januar anberaumt.


BBV will Interessen bündeln

Unterstützung gibt es zudem vom Bauernverband. Der bittet Mitglieder, die ebenfalls Tiere halten und deshalb Befürchtungen wegen des vorbeifahrenden Hochgeschwindigkeitszuges haben, sich zu melden. "Nur so können wir die Interessen bündeln", sagt BBV-Geschäftsführer Hans Rebelein. Der Verband wisse nämlich nicht im Detail, wo etwa frei laufende Rinder oder Pferde auf einer Koppel stehen. Auch Damwildhalter könnte der Aufruf betreffen.

Nach dem Unglück bei Fulda sagte der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn, das dürfe nie wieder passieren, und dafür werde man sorgen. Dass der hessische Schäfer allerdings schon zehn Jahre zuvor dafür plädiert hatte, für mehr Sicherheit entlang der Strecke Zäune zu errichten, darauf wies sein Züchterverband hin. Es sei aus Kostengründen abgelehnt worden.