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Der Sagenerzähler vom Staffelberg


Autor: Markus Häggberg

Bad Staffelstein, Montag, 08. August 2016

Erik Berkenkamp versucht regelmäßig, seine Zuhörer an der Kiefer hinten links in den Bann zu ziehen.
Erik Berkenkamp, der Erzähler vom Staffelberg Foto: Markus Häggberg


Die erste Kiefer an der Adelgundiskapelle hinten links. Dort ist sein Platz. Wie jeden ersten Sonntag in einem Monat zwischen April und Oktober, wartete Geschichtenerzähler Erik Berkenkamp (65) hier erneut auf seine Zuhörer. Der Mann aus Bremen, der Bamberger wurde und von sich sagt, von je her "zu feige für ein Angestelltenverhältnis" zu sein, hat ein nicht unbewegtes Leben und bewegte für eine Stunde auch seine rund 30 Zuhörer jeden Alters. Mit Sagen vom Staffelberg. Einblicke in die Empfindungswelten eines Erzählers.


Immer noch Lampenfieber

Doch, Lampenfieber kenne er. Sogar Skrupel. Eine Woche sei er mal mit sich "ins Gericht gegangen", weil er unzufrieden mit einer seiner Lesungen war. Die Sagen, derer er sich bedient, so glaubt man, kenne er in- und auswendig. Kennt er? Tatsächlich, so räumt er ein, verändere die Zeit die Blickwinkel auf Geschichten.
Man lese sie dann durchaus anders. Es gebe "geheime Motivationen" in alten Geschichten, die "erkenne ich erst später", räumt Bergenkamp ein. Ein Grund, warum er das tut und über Geschichten reflektiert, hat auch mit seinem Werdegang zu tun. Der Deutschlehrer, der auch schon an einer kalifornischen Universität unterrichtete, glaubt an die Wandelbarkeit von Geschichten und weiß um Zusammenhänge in der Rezeptionsästhetik. Und manchmal erzähle er sich, in einem Stuhl sitzend, eine altbekannte Geschichte selbst neu, weil er vorher über sie nachdenken musste. Aber das "kommt automatisch".


Beruflicher Nischenfinder

"Man muss Bilder aufbauen und in Dialog setzen", erklärt der 65-Jährige, der sich als beruflichen Nischenfinder bezeichnet. Dialoge, immer wieder Dialoge, nur mit ihnen lasse sich spannend erzählen. Weg aus der Erzählart eines Chronisten, hinein in das Zwiegespräch zwischen Helden und Zwerge und Königen und dergleichen. Was die Handlung mit sich bringt, halte er sich vorher klar vor Augen. "Wenn du es siehst, dann erzählst du es auch!", bringt er es auf den Punkt.

Schon längst gehört der Mann mit dem Bart, dem roten Band um den Hut und der fränkisch anmutenden Tracht zum Staffelberg. Die Sprache, die er für sein Erzählen gefunden hat, ist Kindern so plausibel wie Erwachsenen, irgendwie verbindend. Einer Geschichte aus Oberfranken, die er am Sonntag auch zum Besten gab, hält Berkenkamp besonders viel Tiefe zugute. Es ist die Geschichte eines Mannes, der einen Wunsch frei hat und von vielen Seiten bedrängt wird, nur ja die richtige Wahl zu treffen. "Die Wunschgeschichten haben immer Tiefe, weil alle Leute Bezug dazu haben."

Auch diesmal war zu sehen, wie seine Zuhörer versonnen nickten. Aber die Wunschgeschichte ist eine, mit der Berkenkamp haushalten will. Weil sie sich "humorvoll entlädt" und er nicht möchte, dass sich dieser Effekt verbraucht.