Der politische Prinz
Autor: Ramona Popp
Kloster Banz, Donnerstag, 06. Juli 2017
Sebastian Krumbiegel ist mit den Prinzen bekannt geworden, schlägt aber solo eigene künstlerische Pfade ein. Er wird bei den "Liedern auf Banz" dabei sein.
Am Freitag, 7.7., beginnen die "Lieder auf Banz". Einer der Künstler, die sich dort ein Stelldichein geben, ist Sebastian Krumbiegel. Der Sänger, Musiker (mit Staatsexamen) und jetzt auch Buchautor nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, Missstände anzusprechen. Für sein gesellschaftliches Engagement wurde er mehrfach ausgezeichnet. "Ein Mann, sein Klavier und ihr" heißt sein aktuelles Solo-Projekt, das ihn schon einmal an den Obermain führte. Im Interview erzählt er auch von einem persönlichen Moment der Erinnerung, den er hier hatte.
Herr Krumbiegel, Sie werden am Freitag und Samstag bei den "Liedern auf Banz" auftreten. Kennen Sie dieses Festival, das aus den "Songs aus einem Sommerabend" hervorgegangen ist?
Sebastian Krumbiegel: Ich kenne es vom Hörensagen, aber ich war noch nie dabei. Ich freu' mich wahnsinnig drauf, zumal das auch eine schicke Besetzung ist: Helen Schneider, Stefan Jürgens, Willy Astor - finde ich alles cool! Und ich freu' mich, dass ich mit Konstantin Wecker zusammen auf einer Bühne stehen darf.
Aber Sie sind nicht zum ersten Mal hier in der Region. Im Januar gaben Sie einen Solo-Abend im Brauereisaal in Loffeld. Welche Erinnerung haben Sie daran?
Das war ein sehr intimer Abend in dem kleinen Saal. So etwas macht mir viel Spaß, weil ich da sehr nah dran bin an den Leuten. Bei den Liedern auf Banz ist es was ganz anderes, eine große Bühne mit 4000 Leuten im Publikum. Ich kenne beides und kann beides. Ich bin ja nach wie vor mit den Prinzen sehr viel unterwegs, wo wir immer vor vielen Leuten singen. Aber mit meinem Solo-Programm ist es das erste mal vor so einer großen Kulisse. Da bin ich sehr positiv angespannt.
Man sieht und hört Sie in jüngster Zeit oft solo. Ist es für Sie immer noch ein Glück, ein Prinz zu sein?
Sowas wie die Prinzen kriegste nicht geschenkt! Das ist eine Sache, die eine lange Geschichte hat und wir mögen einander nach wie vor. Gerade dieses Jahr machen wir sehr viel, über 60 Konzerte. Für mich ist es wirklich schön, das eine tun zu können, ohne das andere zu lassen. Die künstlerische Selbstverwirklichung solo ist mir nicht weniger wichtig. Ich muss da auf niemanden Rücksicht nehmen und kann auch politischer sein, als ich mit den Prinzen bin.
Die Prinzen sind ja eher mit witzigen Texten bekannt geworden. Ist Ihre Solo-Musik ein bewusst gesetzter Kontrast dazu?
Das würde ich nicht so sagen. Auch die Prinzen haben sehr ernsthafte, tief gehende Lieder. Wenn ich ein Lied schreibe, denk' ich vorher nie drüber nach, ob das jetzt für die Band oder für mich alleine ist. Das ergibt sich dann irgendwie. Auch solo kann und will ich gar nicht verleugnen, dass ich einer von den Prinzen bin. Ich hab' die Stimme, die ich habe, und schreibe die Songs, die ich schreibe.
Und nun haben Sie auch ein Buch geschrieben - nach entsprechender Ermunterung von außen und mit viel Spaß, wie man der Einleitung entnehmen kann.
Ich hatte keinen Ghostwriter. Es ist wirklich aus mir raus geflossen - wunderlich, was da mit einem passiert. Ich musste mich zu nichts zwingen. Es kam alles angeflogen. Als ich angefangen hatte, mich damit zu beschäftigen, kamen ganz viele Dinge wieder zum Vorschein, die ich schon vergessen oder verdrängt hatte. Das war für mich das Spannende.
Sie geben in dem Buch viel Persönliches preis. Hatten Sie das mit Ihrer Familie vorher abgesprochen?
Über meine Kinder und meine Frau steht kein einziges Wort darin. Das ist für mich sehr wichtig. Privatleben heißt Privatleben, weil es privat ist. Meinen Geschwistern und Eltern habe ich vor der Veröffentlichung gezeigt, was ich geschrieben habe.
"Courage zeigen - warum ein Leben mit Haltung gut tut" lautet der Titel. Sie engagieren sich auf vielerlei Weise gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und soziale Ungerechtigkeiten. Aber sie betonen stets, kein Vorbild sein zu wollen. Warum?
Ach, ich find' das selbst überschätzend oder auch anmaßend. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich selbst Vorbilder habe. Leute wie Udo Lindenberg, Rio Reiser, John Lennon - auch meinen Vater. Ich weiß gar nicht genau, was mir daran so unangenehm aufstößt, ein Vorbild genannt zu werden. Ich glaube, es ist dieser Zeigefinger, das Belehrende, was man damit verbindet. Ich war als Kind, als Jugendlicher immer genervt, wenn mir jemand moralisch kam. Das möchte ich auf gar keinen Fall machen. Die Leute, die meine Vorbilder sind, die sind nicht angetreten, um Vorbilder zu sein.
Ihre Botschaft "Haltung zeigen!" leben Sie aber selbst vor und nehmen es in Kauf, auch mal anzuecken.
Ich finde es wichtig, dass man laut und klar seine Stimme dagegen erhebt, wenn man sieht, dass sich Dinge in eine falsche Richtung entwickeln. Vielleicht kann ich als jemand, der in Ostdeutschland, in einer Diktatur, großgeworden ist, nicht in einem demokratischen Rechtsstaat, die Bedeutung besser einschätzen als viele Leute im Westen. Wir haben gemerkt, wir können was verändern, wenn wir wollen. Die Möglichkeit zu haben, frei zu wählen und sich einzubringen, das ist eine Erfahrung, die ich ganz wichtig finde. Umso mehr befremdet es mich, wenn gerade aus Ostdeutschland Pegida- und Anti-Establishment-Bewegungen kommen. Es ist sehr viel kritikwürdig in Politik, in den Medien und überall. Aber das Gesamte in Frage zu stellen, ist eine Sache, die mich richtig befremdet. Warum demonstrieren die Leute nicht gegen die richtigen Sachen? Ich bin für viele ein Gutmensch. Aber ich bin lieber ein Gutmensch als dass ich ein Arschloch bin. Könn'Se ruhig so schreiben! (Lacht)
Es gehört Mut dazu, sich politisch zu positionieren.
Da ziehen sich Gräben durch die gesamte Gesellschaft, durch Freundschaften und Familien. Zurzeit ist es, glaube ich, das Wichtigste, dass wir wieder lernen, miteinander zu reden und aufeinander zuzugehen. Das versuche ich. Mit meinen 51 Jahren kann ich das besser als mit 20. Da war ich auch viel vorurteilsbeladener als heute. Offen sein für andere ist eine Sache, die wir ein bisschen verlernt haben und die wir wieder lernen müssen. Natürlich gibt es auch Grenzen. Toleranz gegen Leute, die intolerant sind, kann ich nicht haben.
Um zurückzukommen auf Ihren Auftritt in Banz: Worauf dürfen sich die Besucher freuen?
Wir sind ja sehr viele auf der Bühne. Jeder darf, glaub' ich, nur 20 Minuten spielen, das sind vier oder fünf Lieder. Deswegen muss ich mir genau überlegen, was ich da mache. Ich werd' auf jeden Fall auch politisch sein, meine Bühne nutzen, über die Dinge zu singen und zu sprechen, die mir auf der Seele brennen. Ich werde versuchen, es hinzukriegen, dass sich Haltung und Unterhaltung die Waage halten. Noch eine schöne Randnotiz: Man blickt von da aus auf Vierzehnheiligen. Dort haben wir vor ungefähr 40 Jahren mit dem Thomanerchor gesungen. Als ich letztens in Bad Staffelstein war, bin ich da extra mal vorbeigefahren und hab' mir das angeguckt. Das war für mich wie eine Zeitreise. Es schließen sich Kreise.
Das Gespräch führte Ramona Popp