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Der "Obernikolaus" packt aus


Autor: Markus Häggberg

Lichtenfels, Donnerstag, 05. Dezember 2013

Die Anmeldungen kommen via Internet zu Tobias Bergner, denn auf der Seite www.sam-lichtenfels.de können Anträge auf einen Nikolausbesuch ausgefüllt werden. Das Kürzel "sam" steht dabei für Stamm Andechs Meran, die Pfadfinder in Lichtenfels. Tobias Bergner ist selbst einer von ihnen.
Der Nikolaus muss sich auch der Bürokratie stellen: in diesem Fall Bernd Lieb, der seine Tour studiert.


Tobias Bergner ist Logistiker und Koordinator. Nicht hauptberuflich, aber ehrenamtlich und alljährlich beginnend mit dem Monat Oktober. Zu dieser Zeit machen sich Eltern nämlich vermehrt Gedanken darüber, ob sie ihren Kindern den Besuch des Nikolauses und seines Knechts Ruprecht ermöglichen sollen. Bergner, eigentlich im Bankwesen tätig, teilt dann die Touren und Routen der Nikoläuse ein. Ein Blick hinter die Kulissen des heimischen Nikolausgeschehens.
70 Anmeldungen liegen dem 25-Jährigen für dieses Jahr vor. So viele waren es auch im vergangenen. Es gibt also eine gewisse Konstanz. Der Trend, den Nikolaus zu rufen, sei "im Gegenteil nicht rückläufig, es wird eigentlich immer mehr", sagt Bergner, trotz der gegenüber dem Vorjahr gleich gebliebenen Anmeldezahl von 70 in 2013. 16 Fahrten im Stadtgebiet standen gestern an, 24 werden es heute sein.
24 - eine sinnige Zahl, wenn man an Weihnachten denkt.

Zufällig bezeichnet sie auch die Anzahl derer, die an zwei Tagen im Stadtgebiet ehrenamtlich unterwegs sein werden, um Kindern ein Erlebnis zu schenken. Acht Teams aus je einem Fahrer, einem Nikolaus und einem Ruprecht - das macht insgesamt 24 Personen.

"Rentier" Marianne

Man trifft sich im Jugendzentrum (JUZ). Hier steht die Kleiderkammer für die Nikoläuse, hier werden auch die Ruprechte eingekleidet, und hier werden die weißen Bärte fein säuberlich von den weißen Locken getrennt und auf eine Bank gelegt. Dort warten sie darauf, dass der Nikolaus mit den entsprechenden Kopfmaßen sie auswählt. Dass sie nach dem Tragen wieder gewaschen werden, versteht sich von selbst. "Ausgeschwenkt in der Badewanne", versichert "Rentier" Marianne Hellmuth, die als Garderobiere den Nikoläusen und Ruprechten in die Kleider hilft.
Vom JUZ aus begeben sich die Teams auf ihre Tour durch das Stadtgebiet von Lichtenfels. Wer für den Sprit aufkommt? "Jedes Team selber", erklärt Bergner, der von seinen Mitstreitern "Obernikolaus" gerufen wird.
Humor und die Lust an der Tradition stehen hier im Vordergrund. Das erklärt auch, weshalb der Fahrer eines Teams sich den Beinamen "Rentier" gefallen lassen muss. Das erklärt auch, weshalb jemand wie Jörg Kirschbaum schon seit Jahrzehnten mitfährt.
Eine kleine Tradition hat es auch mit dem Nikolaus Bernd Lieb auf sich. Kein Lichtenfelser, ein Bamberger. Dennoch schlüpft er seit 2001 in Lichtenfels in die Rolle des Bischofs von Myra, weil er vor zwölf Jahren mal von einem Bekannten gebeten wurde und irgendwie dabei hängen blieb.

Eltern geben das Raster vor

Lichtenfelser Eltern mögen und buchen die traditionelle Rolle des Nikolaus. Der erscheint als Bischof, mit Mitra und auch mit Autorität. "Wir ziehen es traditionell auf", erzählt Bergner, der sich gegen "neumodischen Kitsch" verwahrt. "Die Eltern geben das Raster vor", beschreibt er den Rahmen, in dem die Erziehungsberechtigten die Begegnung zwischen Kind und Nikolaus wünschen. Der darf dann auch mal mit der Stimme modulieren und - je nach Abstimmung - gütig loben und streng tadeln.
Von einem Kind sei er ohne Perücke und Bart noch nie auf der Straße erkannt worden, sagt Tobias Bergner. Aber dass er schon einmal oder zweimal dagewesen sei, das habe er doch schon zu hören bekommen.
Keine Situation sei wie die andere, heißt es bei den Lichtenfelser Nikoläusen: Mal seien die Kinder freudig-erwartungsvoll, mal womöglich verängstigt.

Geklaute Geschenke

Regelrechte Ausnahmesituationen habe es auch schon gegeben. Oder wie anders sollte man den Umstand bezeichnen, als ein Sack voller Geschenke, der von den Eltern vor der Haustür abgestellt wurde und vom Nikolaus überreicht werden sollte, vor dessen Ankunft geklaut wurde?
Es kann ein langer ehrenamtlicher Abend für die Nikoläuse, Ruprechte und Fahrer werden. Bis 21 Uhr im Regelfall. Dann kann es passieren, dann "wird es passieren", sagt ein "Rentier" kurz vor Abfahrt, dass der Nikolaus X die Kinder seines Kollegen Y besucht und ins Gebet nimmt. Der eigene Vater würde von den Kindern ja dummerweise erkannt werden...