Der Nachwuchs lässt die Schere liegen
Autor: Maximilian Glas
Lichtenfels, Montag, 03. Oktober 2016
Viele Handwerksbetriebe suchen vier Wochen nach Beginn des Ausbildungsjahres noch händeringend nach Azubis.
"Mehr zu sein als Friseur": mit diesem Slogan wirbt Friseurmeisterin Stefanie Wagner aus Burgkunstadt um Nachwuchs. In Stellenanzeigen, bei der Handwerkskammer, beim Arbeitsamt und auf Facebook. Sogar große Plakate ließ sie drucken. "Die hängen unter anderem im Fitnessstudio oder beim Minigolf, überall da, wo junge Leute unterwegs sind", erklärt die 31-Jährige.
Trotz intensiver Bemühungen lässt das Echo zu wünschen übrig - auch wenn acht Bewerbungen für die zwei Azubi-Stellen in diesem Jahr auf den ersten Blick gar nicht schlecht sind. "Es ist schon verrückt. Einige hören nicht, wenn man sie anruft, andere kommen einfach nicht zum Probearbeiten", klagt Stefanie Wagner.
Der Kreis an geeigneten Kandidatinnen wurde dadurch sehr klein. Am Ende stellte Stefanie Wagner nur eine Auszubildende ein, obwohl sie eigentlich zwei benötigt.
Interesse nimmt über Jahre ab
Eine Tendenz, die sich auch mit Zahlen der Arbeitsagentur belegen lässt. War Friseur/in 2009 im Landkreis Lichtenfels noch auf Platz 5 der beliebtesten Ausbildungsberufe, ist er mittlerweile auf Platz 18 abgerutscht. Zumindest innerhalb des oberfränkischen Handwerks gehört der Friseur noch zu den fünf meistgewählten Berufen. 2015 waren 280 Jugendliche in Oberfranken in der Friseur-Ausbildung - 2009 waren es allerdings noch 471.
Eine negative Entwicklung, die auch Ingo Mayer, stellvertretender Obermeister der Friseur-Innung Lichtenfels, bestätigen kann: "Das Interesse ist in den vergangenen zehn Jahren immer kleiner geworden. Aber das ist ein generelles Problem im Handwerk, den Bäckern oder Metzgern geht es genauso." Alleine der Organisationsaufwand für die theoretische Ausbildung sei für Lehrlinge mittlerweile groß. Grund sind die langen Strecken zur Berufsschule. Mittlerweile werden Friseur-Lehrlinge aus den Landkreisen Lichtenfels, Kronach und Coburg zentral in Coburg unterrichtet. "Letztes Jahr kamen nur drei neue Lehrlinge aus dem Kreis Lichtenfels. Selbst die drei Landkreise zusammen haben schon Probleme, eine Klasse mit 15 Schülern zu bilden", sagt Mayer, der damit rechnet, dass der Unterricht in Zukunft sogar blockweise abgehalten wird.
Dass er selbst einen Lehrling in seinem Friseursalon in Schwürbitz ausgebildet hat, liegt schon einige Jahre zurück. "Der Versuch mit einem schwer vermittelbaren Jugendlichen vor zwei Jahren ist leider gescheitert", sagt er. Familienbetriebe würden heute generell nur noch selten ausbilden, das Gros entfalle heute auf Friseurketten.
Mindestlohn ein Problem?
Ein gewisses Hemmnis für potenzielle Azubis sieht Ingo Mayer auch im Mindestlohn: "Ich glaube schon, dass es Jugendliche gibt, die sich fragen: Warum soll ich etwas lernen, wenn ich am Ende nur 9,30 statt 8,50 bekomme?" Für die nächsten Jahre ist Mayer trotzdem verhalten optimistisch. "Es ist schon etwas in Bewegung. Die Vergütung wird jedes Jahr etwas höher, dazu versucht die Handwerkskammer durch Kampagnen und Werbung die Attraktivität zu steigern." Einen Aufschwung in der Branche nimmt auch Stefanie Wagner wahr: "Der Wellness-Faktor zählt immer mehr, die Leute wollen sich nicht mehr nur schnell die Haare schneiden lassen, sondern sich mehr Gutes tun." Dafür seien die Kunden mittlerweile auch bereit, einige Euro mehr zu bezahlen.
Die verhältnismäßig geringe Vergütung der Friseur-Lehrlinge sehe sie zwar als Problem, gibt aber zu bedenken: "Auch Azubis bekommen ein gutes Trinkgeld, da kann man zumindest seinen Wocheneinkauf schon mal erledigen." Für ihre Azubis versucht die Friseurmeisterin das Aufgabenfeld möglichst breit zu fächern. "Unsere Mädels lernen auf Schulungen die Grundlagen wie Färben oder erste Schnitttechniken und dürfen schon sehr früh Kunden bedienen", sagt Stefanie Wagner.
Azubine bekommt vier Zusagen
Die Mischung kommt auch bei der neuen Azubine Janina Groh aus Bamberg gut an. "Ich darf bereits Haare waschen, Farbe auftragen und föhnen. Ich dachte nicht, dass man mich nach so kurzer Zeit so viel machen lässt", sagt die 16-Jährige.
Besonders wichtig war ihr, dass sie mit jüngeren Kollegen zusammenarbeiten kann. Für diesen Wunsch schlug sie sogar drei Zusagen von Salons aus dem Landkreis Bamberg aus: "Es hat mir hier so gut gefallen, dass ich die 45-Minuten-Zugfahrt gerne in Kauf nehme." Die Frage, welchen Beruf sie nach ihrem Qualifizierenden Hauptschulabschluss lernen möchte, hat sie sich nie gestellt. "Es hat mich schon immer fasziniert, wie man Menschen durch ein bisschen Farbe und Haare schneiden, total verändern kann", sagt sie.
Traumberuf Friseur?
Bewerber Das Interesse am Ausbildungsberuf Friseur ging in den vergangenen Jahren merklich zurück. Das dokumentiert die Zahl an Bewerbern, die Friseur bei der Arbeitsagentur als Erstberufswunsch angeben: 2009 waren das in Oberfranken noch 353 Jugendliche.
Bei den beliebtesten Ausbildungsberufen war das Friseurgewerbe auf Platz 7 - im Landkreis Lichtenfels bei 25 Bewerbern sogar auf Platz 5. 2016 gab es nur noch 119 Jugendliche mit dem Erstwunsch Friseur - Rang 16 unter allen Berufen in Oberfranken. (Landkreis Lichtenfels acht Bewerber, Platz 18). Ausbildungsplätze Die Zahl der Ausbildungsstellen ist über die Jahre nahezu konstant geblieben. Gab es 2009 in Oberfranken 104 (fünf im Kreis Lichtenfels) Ausbildungsstellen, waren es in diesem Jahr 109 (sechs). 28 dieser Stellen waren im August noch unbesetzt, 2009 waren es nur zehn. Quelle: Agentur für Arbeit