Der Heiner, die Häuser und die Hirsche
Autor: Matthias Einwag
Bad Staffelstein, Montag, 11. Februar 2019
Kaum ein anderer Bauunternehmer hat die Region im 20. Jahrhundert so geprägt wie Heinrich Schramm. 1958 gründete er seinen Betrieb und baute ihn zum Firmenimperium aus. Der 85-Jährige ist heute noch Geschäftsführer des Kieswerks in Trieb. Seine Hobbys: die Jagd und die Musik
Das Leben von Heinrich Schramm gleicht ein wenig dem "Monopoly"-Spiel. Zahllose Ein- und Mehrfamilienhäuser errichteten seine Mitarbeiter zunächst in Franken, später auch in Thüringen. Im Lauf der Jahre erweiterte er seine 1958 gegründete Baufirma. Zum Ausgefallensten, was Heinrich Schramm baute, gehören die Kirche in Reundorf und das Staffelsteiner Kurhotel. Augenzwinkernd erinnert sich der 85-Jährige, dass der Bau des "Kur-Appart-Hotels" ums Jahr 1990 mit seinen 110 Appartements schon ein gewisses unternehmerisches Risiko barg: "Da ha'm alle gedacht: jetzt geht er bankrott." Wenngleich er dieses Millionenprojekt heute als "überschaubares Risiko" bezeichnet, gibt er doch zu: "A weng Bauchschmerzen hab' ich scho' g'habt."
Das wahre Leben ist nur bedingt mit "Monopoly" zu vergleichen. Die 110 Appartements waren schnell verkauft. Heinrich Schramms Firma ging nicht bankrott - das Unternehmen florierte nach dem Wegfall der innerdeutschen Grenze erst so richtig. Rund 450 Mitarbeiter zählte die Firmengruppe um diese Zeit.
Während seines ganzen Lebens zeigte der Unternehmer Weitblick. Er war seinen Mitbewerbern am Markt oft um Jahrzehnte voraus. Rückblickend beurteilt Heinrich Schramm das so: "Mit den Fertighäusern bin ich groß geworden, das ist gelaufen wie ein Uhrwerk. Ich hatte da keine Konkurrenz."
Siebtes von elf Kindern
Doch Heinrich Schramm ist nichts in den Schoß gefallen. 1933 kam er als siebtes von elf Kindern ("vor mir waren sechs Madla") in Neubanz zur Welt. Er lernte im kleinen Baugeschäft seines Vaters Johann als Maurer, bestand die Gesellen-, dann die Meisterprüfung. 1958 machte er sich gemeinsam mit seiner Frau Betty in Neubanz selbstständig. Die Eröffnungsbilanz der Firma vom 3. März 1958 schließt mit 5374,80 Mark. Als Aktiva sind darin unter anderem ein Motorrad mit 600 Mark und ein VW-Lieferwagen mit 2000 Mark ausgewiesen. Das Motorrad - eine Horex - mit Anhänger war zu jener Zeit nicht nur ein unverzichtbares Transportmittel für Baustoffe und Werkzeug, sondern ein Verkehrsmittel, das die Mitarbeiter zu den entlegensten Baustellen brachte. Die Zahl der Angestellten stieg noch in Neubanz von zwei auf zwölf. Obwohl Heinrich Schramm zunächst in Neubanz bleiben wollte, entschied er sich dann doch, den Betrieb nach Staffelstein zu verlegen. 1963 zog die Firma um auf das eigene Areal an der Oberauer Straße, das im Lauf der folgenden Jahrzehnte kontinuierlich erweitert wurde.
Zu dieser Zeit baute Heinrich Schramm das erste Sechsfamilienhaus in Staffelstein und vermietete die Wohnungen. In den 1960ern war das Unternehmen überschaubar. Betty Schramm befüllte freitags die Lohntüten mit Bargeld und dem damals üblichen "Lohnstreifla". Heiner Schramm besuchte die Baustellen, auf denen seine ockergelben Maschinen und die mit "HSch" gekennzeichneten Gerüste standen. Er stellte die Lohntüten selbst zu und brachte seinen Leuten häufig Getränke mit - üblich war damals noch der Kasten Bier. "Ein gutes Einvernehmen ist ganz wichtig", kommentiert er seine Art der Mitarbeiterführung auf Augenhöhe.
Befragt man heute ältere Staffelsteiner, so ist stets zu hören "Der Heiner ist sehr beliebt" oder "Die Firma war sehr durch seine Person getragen".
Das Unternehmen an der Oberauer Straße florierte. Ein Werk für Betonfertigteile kam hinzu und der Baumarkt. Der Satz "Des hol' mer beim Heiner" war bald zur stehenden Redensart unter Häuslebauern und Heimwerkern geworden. Wird der 85-Jährige heute darauf angesprochen, dann lächelt er versonnen in sich hinein und sagt bescheiden: "Zufriedene Leute brachten immer wieder neue."