Druckartikel: Der Fisch spielt nur die Nebenrolle

Der Fisch spielt nur die Nebenrolle


Autor: Markus Häggberg

Lichtenfels, Sonntag, 08. November 2015

Wenn Aal Hinnerk und seine Kollegen nach Lichtenfels kommen, haben sie auf ihrer Deutschland-Tour schon fast 40 Stationen hinter sich. Berührungsängste dürfen die Verkäufer nicht haben.
Aal Hinnerk (Hoffmann) bei der Arbeit auf dem Lichtenfelser Marktplatz Foto: Markus Häggberg


Das mit der Schlagfertigkeit lässt sich üben. Oder zumindest ausprobieren. Fischmarktveranstalter Thorsten Mey aus Osnabrück weiß gar von Nachwuchsmarktschreierwettbewerben. Ein Jubiläum feiertedie Veranstaltung auf dem Lichtenfelser Marktplatz. Zum zehnten Mal sind die Händler vor Ort. Einer von ihnen lässt tief blicken: Heiko Hoffmann alias Aal Hinnerk. Sein Stand steht im Osten des Marktplatzes, dem Unteren Tor zugewandt.

Doch, Hoffmann ist Norddeutscher. Zwar kann sein Chef und Veranstalter Mey davon erzählen kann, dass die Marktschreier vom Hamburger Fischmarkt in Hamburg nicht selten auch aus dem Allgäu oder von anderen Nichtküstengebieten kommen, doch Hoffmann ist Norddeutscher und der Zufall wollte es, dass er in diesem Beruf landete. Damals, in geselliger Runde vor 21 Jahren, bei einem lustigen Männerabend, als ihm jemand sagte, er sei für den Beruf genau richtig.

"Mit drei Bieren habe ich geglaubt, ich kann das auch", sagt Hoffmann schmunzelnd.


Ihr Beruf ist das Reden

Sie heißen Wurst-Herby, Käse-Rudi, Nudel-Kiri oder eben Aal Hinnerk. Ihr Beruf ist das Animieren, das Reden und Reden und Verkaufen. Dabei geht es laut zu und ihre Stimmen sind keine Chorstimmen. Im ersten halben Jahr sei er noch ständig heiser geworden und kannte Magenschmerzen. Doch dann trainiere man sich an, über das Zwerchfell laut zu werden. Und Hoffmann spricht von weiteren Vorgängen, die Professionalität nahe legen. Denn das Gefühl, heute nicht komisch und in Form zu sein, das steigt schon mal auf. "Ja, das muss man aber unterdrücken. Einmal haben wir einen Kollegen verloren ... man darf es nicht zeigen, die Leute können ja nichts dafür."


"Was willste, Hase?"

Wie bei einem Casting darf man sich das mit dem Zusammenstellen einer solchen Tour nicht vorstellen. Thorsten Mey stellt klar, dass zunächst das ausgewogene Sortiment entscheidend dafür ist, wer miteinander auf Tour geht. Aber klar, auch die Chemie untereinander müsse passen. Das Sortiment, da geben sich manche Menschen wohl Illusionen hin, bestünde auch auf dem Hamburger Fischmarkt nicht nur aus Fisch, sondern auch aus Lederwaren oder Gurken u. ä. So wie auf dem Lichtenfelser Fischmarkt auch. Der sei bei diesem Mal umsatzstark gewesen. Der Markt in Lichtenfels bildet immer den Abschluss der Marktschreier-Tournee mit ihren nahezu 40 Stationen.

Mit "Was willste, Hase?", richtet sich Hoffmann am Sonntagmorgen an eine wohl bald 80-jährige Frau. Die wird gleich Aal wollen und freut sich, so angesprochen zu werden. Für jeden hat Hoffmann einen Spruch parat, Berührungsängste kennt er nicht. Beleidigungsklagen auch nicht. Gerade Doktoren und Professoren nähmen seine Sprüche nicht krumm, weil sie seiner Erfahrung nach "auch mal ausbrechen" wollten.

Sein erstes Mal als Marktschreier sei "mehr als schwer" gewesen und ein halbes Jahr habe er gebraucht, sich an diese Seite seines Berufs zu gewöhnen. Wenn ein Witz nicht lustig war und er das zu spüren bekam, wäre er "am liebsten im Kühlhaus verschwunden". Nur "ein Halber" sei von 500 für diesen Beruf geeignet. Um 22 Uhr ist Feierabend, aber dann steht noch eine siebenstündige Fahrt bevor. "Noch' n Kaffee und noch' n Kaffee und noch' Kaffee", so behilft man sich. Seit einiger Zeit ist er wieder Angestellter und nicht mehr Selbständiger. Neun Monate Knochenjob im Jahr, dann aber drei Monate Urlaub. Bis zum Wiedersehen im nächsten Jahr.