Der Fisch, den die Mönche mochten
Autor: Markus Häggberg
Seehof, Donnerstag, 19. Dezember 2013
Der Teichwirt Alexander Krappmann züchtet in Seehof Karpfen. Er weiß viel Interessantes über diesen Süßwasserfisch zu berichten. Der FT besuchte ihn und ließ sich den Weg vom Brütling bis zum Dreipfünder schildern.
K3: Hinter dieser Bezeichnung steckt kein Berg, sondern ein Speisekarpfen, wie er demnächst zu Weihnachten und Silvester traditionell auf die Tische kommt. K steht dabei für Karpfen, die 3 für die drei Sommer Frist, die diesem Friedfisch in Seehof bis zur Schlachtung eingeräumt werden. Der FT macht sich auf den Weg des Karpfens - vom winzig kleinen Brütling bis zum Dreipfünder, der auf den Tisch kommt.
In der Ferne ragt etwas Weißes auf. Alexander Krappmann bemerkt es über den leeren Teich mit seinen zehn Millionen Litern Fassungsvermögen hinweg sofort. Es ist ein Silberreiher, und Krappmanns Hund schlägt sofort an. Der Vogel weiß sich in Sicherheit und sitzt die Angelegenheit aus. Viel zu holen ist für ihn in den seit Herbst abgefischten Teichen des Fischzuchtbetriebs momentan wohl nicht, denn viele Fische befinden sich derzeit in sogenannten Hälteranlagen.
Dort werden sie für den Verkauf zwischengelagert, wie Krappmann sagt. Der Mann ist Fischwirtschaftsmeister und mit dem Karpfen auf Du und Du. Wenn er von den heimischen Fischen spricht, dann tut er das mit einem vernehmlichen Staunen als Unterton. "3600 Brütlinge passen auf einen Teelöffel", sagt er über die Ausmaße zu Beginn.
Bis der Fisch auf dem Teller landet, dahin fühlt er bei 20 Grad Celsius am wohlsten, wird mit Getreide zugefüttert und "genießt leider nicht das Ansehen, das ihm gebührt".
Seefisch contra Süßwasserfisch
Es seien die Omega-3-Fettsäuren, die beim Karpfen zu selten genannt werden, erklärt Krappmann während eines Rundgangs durch seinen Betrieb. "Die Hochseefischerei ist werbetechnisch ganz anders aufgestellt", erklärt er den Image-Unterschied zu Lasten des Süßwasserfischs.
Drei Teiche erlebt so ein Karpfen in drei Jahren, bevor er geschlachtet wird. Aber auch der Lebendtransport, beispielsweise in die Gasthöfe des Umlandes, gelingt auf kurzen Wegen mittels eines Anhängers, auf dem sich drei Kammern befinden. In ihnen ist Süßwasser, bei dem der jeweilige Sauerstoffgehalt mit moderner Technik auf die Bedürfnisse der Fische eingestellt wird.
Das Abfischen und Umsetzen erfolgt, damit sich kein Faulschlamm in den Teichen bilden kann. Im ersten Teich verbringt der Karpfen seine Zeit bis zu einer Schwere von 50 Gramm. Im zweiten wird er dann ein halbes Pfund schwer und im dritten Teich 1500 Gramm. Dazwischen wird er zweimal abgefischt und zieht in ein Hälterbecken um. Dort herrschen andere Bedingungen, und das Wasser ist klarer, was sich auf den Geschmack des Fisches auswirkt. "Ein Karpfenteich ist ein geschlossenes und sich selbst erhaltendes System", sagt Krappmann und deutet auf einen leeren Teich. Dort gibt es Ablagerungen wie Fischausscheidungen oder zu Boden gesunkene Pflanzenreste. Aber sie werden mineralisiert, wenn die Sonne darauf scheint. Der Teich erhält sich seine eigenen Nährstoffe.
Der Winterteich ist tiefer, mindestens 1,5 Meter, erklärt Krappmann. Der Fisch brauche diese Tiefe, denn eine Eisdecke könne dick werden, sich herabsenken und auf diese Weise Sauerstoff entziehen.
Vom Leben unter der Eisdecke
Aber der Stoffwechsel des Karpfens ist im Winter ohnehin ein anderer: nur zwei Kiemen- und zehn Herzschläge pro Minute machen die Reduziertheit deutlich. Aber "die kuscheln sich da unten zusammen", fährt der Fischwirt fort. Und es sei auch nicht so, dass da eine Monokultur herrsche. Durchaus können Hechte und Karpfen in einem Teich sein. Allerdings seien in dieser Polykultur die Hechte dann weitaus kleiner als die Karpfen.
Die Fischzucht hat am Obermain Tradition. Eine klösterliche noch dazu. Die ältesten Weiher in Seehof gehörten einst den Zisterziensern aus Langheim, und was diese Mönche über Fischzucht, Ablaufsysteme und das Bewirtschaften von Teichen wussten, verblüfft Krappmann immer wieder. Der Karpfen ist nämlich ein schuppiges Tier, die Mönche aber verstanden, ihn zum Spiegelkarpfen zu züchten, bei dem nur noch entlang der Rückenflosse Schuppen zu entdecken sind.
Und noch etwas macht Staunen: die unterschiedlichen regionalen Gepflogenheiten hinsichtlich des Weihnachts- oder Silvesterkarpfens: So soll im nördlichen Franken der Genuss bei 1,5 Kilogramm liegen, im südlichen Franken bei bevorzugten 1,2 Kilogramm und in Thüringen gar bei nur einem Kilogramm.
Aber da der Karpfen ohnehin kein Bindegewebe habe, werde er sowieso nicht zäh, versichert Krappmann. Und dann erzählt er noch davon, dass der fränkische Karpfen von den Mönchen extra so gezüchtet worden sei, dass er auf den Teller passt - denn während der Fastenzeit, so war die Regel, durfte nur das verzehrt werden, was nicht über den Tellerrand hinausragt.