Der ermordete Pater lebt in den Herzen weiter
Autor: Matthias Einwag
Döringstadt, Freitag, 07. Oktober 2016
Christian Lunkenbein reiste nach Brasilien - an den Ort, an dem sein Onkel, der Pater Rudolf Lunkenbein, vor 40 Jahren ermordet wurde.
"Es war eine Lebenserfahrung, ... es war ergreifend, ... es war einmalig." So kommentieren Marion und Christian Lunkenbein die Reise nach Brasilien, die sie kürzlich unternahmen. Christian Lunkenbein wollte unbedingt einmal im Leben die Missionsstation Meruri sehen, die einst von seinem Onkel, dem Salesianerpater Rudolf Lunkenbein, geleitet wurde. Vor 40 Jahren waren Pater Rudolf und der Indio Simao vom Stamm der Bororo von Großgrundbesitzern erschossen worden. Rudolf Lunkenbein hatte sich dafür eingesetzt, dass den Indios ein Teil des Landes zurückgegeben wird, das die weißen Siedler sich angeeignet hatten.
Vom Besuch in Brasilien können Marion und Christian ausgiebig erzählen. Schon den großen Empfang in dem 380-Einwohner-Dorf Meruri empfand das Ehepaar aus Döringstadt als überwältigend: Jeder wollte den Neffen von Padre Rudolfo einmal anfassen, und er musste viele der Kinder auf den Arm nehmen.
Ein Tanz zu Ehren der Besucher
Die Menschen legten ihren traditionellen Federschmuck an, und für die Tänze, die sie vorführten, hatten sie eigens eine Choreographie geschrieben. Außerdem bekamen die beiden leiblichen Verwandten des Paters, seine Großnichte Theresa Klaus und sein Neffe Christian Lunkenbein, eine Gesichtsbemalung. Das ist eine besondere Ehre. Zur Ankunft der Besucher aus Deutschland hatten sich die Einwohner des Dorfes sogar eigens T-Shirts mit den Porträts der beiden ermordeten Männer bedrucken lassen.Rudolf Lunkenbein wird von den Bororo sehr verehrt. Auch 40 Jahre nach seinem Tod ist er in Meruri unvergessen. Der Seligsprechungsprozess der katholischen Kirche für ihn und Simao hat begonnen.
Sein 47-jähriger Neffe Christian ähnelt ihm stark - "die Stimme, die Größe, das Aussehen ist gleich", sagt dessen Frau Marion. Das wirkte offenbar auf die Indios, die den Besuchern einen herzlichen Empfang bereiteten. "Wir waren total aufgeregt, wie man uns empfangen würde", sagt sie, denn "dort hat er viele Spuren hinterlassen". Mit "er" meint sie Rudolf Lunkenbein, dessen Porträt an vielen Stellen in Meruri zu finden ist.
Die Missionsstation, die heute von Pater Adelson geleitet wird, machte auf die Besucher einen guten Eindruck, was Pater Rudolf einst begonnen hat, trägt Früchte. Das Dorf besitzt eine kleine Krankenstation und eine Schule, die bis zum Abitur führt. Sehr viele junge Menschen leben in dem Dorf. Die Hälfte der 380 Einwohner sind unter 18 Jahre, sagt Christan Lunkenbein. Ein Kleinkind heißt Rudolfo-Simao - darin komme der Dank der Eltern zum Ausdruck, die zuvor eine Totgeburt hatten und die beiden Märtyrer um himmlischen Beistand baten.
Vieles haben die Besucher aus Döringstadt in Brasilien gesehen. Dreieinhalb Wochen waren sie im Land und reisten dort umher - unter anderem zu einer großen Wallfahrt nach Ribeirao Cascalheira, an der rund 4000 Menschen teilnahmen und bei der unter anderem des Märtyrers Rudolf Lunkenbeins besonders gedacht wurde. Für dessen Neffen Christian war es eine besondere Ehre und Freude, dabei die Standarte mit dem Bildnis seines Onkels zu tragen. Auf dem Friedhof besuchten die Reisenden das Grab von Padre Rudolfo. Marion Lunkenbein hatte ein wenig Döringstadter Erde mitgebracht, die sie symbolisch neben dem Grab verstreute.
Zurückgekehrt sind die Lunkenbeins mit der Gewissheit, dass Pater Rudolf nicht vergessen ist. Im Gegenteil: In Meruri ist er fast allgegenwärtig, häufig ist sei Konterfei zu finden. Doch was viel wichtiger ist: Er lebt in den Herzen der Menschen weiter.