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Der Besuch der alten Dame


Autor: Matthias Einwag

Birkach, Mittwoch, 17. Oktober 2012

Vier Wochen bereist die Amerikanerin Rosi Jenkins ihre alte Heimat. Die gebürtige Bambergerin ist in Kronach aufgewachsen und besuchte in der Kindheit oft den Großvater in Birkach. 1948 folgte sie ihrem Mann, einem GI, in die USA.
Rosie Jenkins mit einem T-Shirt der Feuerwehr ihres Heimatortes Prospect/Oregon. Drei solche Shirts hat sie mitgebracht, um sie an ihre Birkacher Verwandten Bernhard und Thomas Waidhas sowie an Kreisbrandinspektor Gerhard Elflein zu verschenken. Fotos: Matthias Einwag


Rosi Jenkins lacht viel. Und sie plaudert gern. Für jemanden, der im Frankenwald aufgewachsen ist, sei das untypisch, meint sie selbstironisch. Locker und unbeschwert auf Menschen zuzugehen, habe sie erst in Amerika gelernt. Das war ein wenig so, als löse sich ein Knoten in ihrem Hals. The American Way of Life - eine Lebensart, die ihr vom ersten Tag an gefiel.

Seit fast 64 Jahren lebt die 82-Jährige nun schon in den Staaten. Derzeit ist sie auf Deutschlandtournee: München, Nürnberg, Kronach, Birkach. Ganz allein flog die muntere alte Dame mit dem Jet von Amerika nach Europa. Sie nahm die lange Reise und die neun Stunden Zeitverschiebung auf sich, um Verwandte zu besuchen und Orte ihrer Jugend wiederzusehen.

"Es ist in Deutschland so wunderbar sauber", sagt sie mit leicht rollendem R. Obwohl sie seit Jahrzehnten in Amerika lebt, spricht sie akzentfreies Deutsch. Naja, fast akzentfrei. Eine leichte Frankenwälder Dialektfärbung ist noch zu hören. Doch das stört Rosie Jenkins nicht: "Ich bin stolz, dass ich eine Fränkin bin", sagt sie mit strahlendem Lachen. "Wenn ich nach vier Wochen heimkomme - dann habe ich im Amerikanischen einen deutschen Akzent." Überhaupt die Sprache: Die deutsche Sprache sei voller Anglizismen, beschwert sich die Amerikanerin. Schelmisch fügt sie an: "Wir müssen manchmal lachen, weil sich ein englisches Wort mit deutscher Endung so spaßig anhört."

Zur Welt gekommen ist Rosie Jenkins, gebürtige Meißner, in Bamberg. Sie wuchs bei ihren Eltern in Kronach auf. Von dort aus wurden Ausflüge mit der Eisenbahn oder mit dem Fahrrad nach Birkach zu Großvater Martin Meißner unternommen. In Erinnerung ist ihr, dass der Großvater eine kleine Schnapsbrennerei betrieb. Hin und wieder ließ er die Kinder nippen - aber nicht am hochprozentigen Schnaps, sondern am süßen Likör namens "Erntesegen".

Birkach habe sich seither stark verändert. Viele neue Häuser seien dazu gekommen, die alten Gebäude wurden modernisiert und der Graben, der sich einst mitten durch den Ort zog, ist längst verschwunden.

Hochzeit mit einem US-Soldaten


Als junges Mädchen lernte Rosie Jenkins 1947 ihren ersten Mann Frank Horton kennen, einen US-Soldaten, der in Mitwitz bei der berittenen Border-Patrol (Grenzpatrouille) stationiert war. Nach der Hochzeit in Kronach zog das Paar nach Amerika und bekam vier Kinder. Doch bald schon starb Frank Horton. Rosie blieb nicht allein, sie heiratete vor 48 Jahren ein zweites Mal und bekam noch einen Sohn. Beruflich arbeitete Rosie Jenkins in Kalifornien bei Siemens an der Rezeption.

Mit ihrem zweiten Mann Robert Jenkins lebt sie heute in Prospect, einer kleinen Gemeinde verstreuter Anwesen in Oregon. Von der vulkanisch geprägten Landschaft dort, die im "Ring of Fire" liegt, schwärmt sie. Immer wenn Besuch komme, werde ein Ausflug in den nahegelegenen Crater-Lake-Nationalpark unternommen.
Mit ihrer Cousine Rosa Waidhas - und den Nachbarn in Birkach - tauscht sich Rosie Jenkins lebhaft aus. Wie ist es bei uns, wie bei euch? Wie war es früher, wie ist es heute? Auf die Frage, wie viele Enkel sie habe, rechnet sie nach: "Seven - nine - twelve!" Die Zahl der Urenkel müsse sie jedoch schuldig bleiben, sagt sie und lächelt entschuldigend.

Und dann wären da noch die 15 wilden Katzen und die zutraulichen Waschbären, die auch irgendwie zur Familie gehören. Denn das Land in Oregon ist weit. Die Tiere kommen, wenn sie Hunger haben, bis ans Haus. Rosie Jenkins füttert sie dann. Und sollte sie vergessen, den Waschbären das Mahl aufzutragen, klopfen die Nager mit ihren Pfötchen schon mal ans Fenster.

Als Mitbringsel hatte Rosie Jenkins drei T-Shirts des Fire-Departments Prospect im Gepäck: Für die Birkacher Feuerwehrleute Bernhard und Thomas Waidhas und für KBI Gerhard Elflein. Die Birkacher revanchieren sich, indem sie für die amerikanischen Kollegen Ärmelwappen ihrer Freiwilligen Feuerwehr mitschicken.

In zwei Jahren will Rosie Jenkins wiederkommen. Schließlich bleibe ihr nichts anderes übrig, denn ihre Cousine Rosa Waidhas ist nicht zu bewegen, in den Flieger zu steigen und die strapaziöse Reise anzutreten. Doch wer weiß: Vielleicht kommt ja die Birkacher Feuerwehr einmal bei den Kollegen in Prospect vorbei, um sich im "Ring of Fire" umzusehen und den Crater-Lake-Nationalpark zu erkunden?