Druckartikel: Den "Rentnerlappen" abgegeben

Den "Rentnerlappen" abgegeben


Autor: Klaus Gagel

Lichtenfels, Montag, 13. Januar 2014

Diese Entscheidung verdient Respekt: Wenige Tage vor seinem 91. Geburtstag gab der Lichtenfelser Rudolf Großmann im Landratsamt Lichtenfels freiwillig seinen Führerschein ab.
Die Spuren der Zeit sind an dem Führerschein von Rudolf Großmann aus dem Jahr 1946 nicht spurlos vorübergegangen. Jetzt gab der 91-Jährige seine Fahrerlaubnis freiwillig zurück. Fotos: Klaus Gagel


Der Rentner ist für sein Alter erstaunlich fit und vor allem, wie er selbst betont, im Kopf klar. Doch ein Blechschaden im Oktober 2013 begünstigte die wohlüberlegte Entscheidung.
Seit September 1946 besitzt Rudolf Großmann seinen Führerschein. Man sieht dem grünen "Rentnerlappen" das Alter deutlicher an als seinem Besitzer. Die Stempel sind ausgeblichen, der Rand zerfleddert.
"Damals ging man einfach zur Polizei und erklärte, ich will meinen Führerschein Klasse vier machen", erinnert sich der 91-Jährige. "Naja, dann hat der Polizeibeamte ein paar Fragen gestellt - und das war es dann." Das waren Fragen zur Person und ein paar Fragen zum Straßenverkehr, "keine schweren Sachen". Er brauchte den Führerschein für seinen "Tempo", ein dreirädriges Fahrzeug mit einem 200-Kubikzentimeter-Zweitaktmotor.

Im September 1956 hat er dann die Erweiterungsprüfung für Führerscheinklasse drei gemacht, "weil da hab ich an Mercedes kricht". Mehr als 60 Jahre lang war Rudolf Großmann unfallfrei mit seinen Fahrzeugen unterwegs. Dazu zählten auch über 25 Urlaubsfahrten bis nach Südtirol mit dem Campingwagen.
Im zurückliegenden Jahr passierten dann aber drei Blechschäden, von denen die ersten beiden Minimalschäden waren. Nur beim letzten Unfall streifte er ein geparktes Fahrzeug "von hinten bis vorn". Das war eine etwas teurere Angelegenheit. Von größeren Sach- oder gar Personenschäden blieb er, dank seiner umsichtigen Fahrweise, verschont.

Blechschäden gaben zu denken

Die Blechschäden haben ihn aber nachdenklich gemacht. "Der entscheidende Satz kam von meinem Schützenbruder Christian Thiel", erzählt Großmann. Der hat zu mir gesagt: "Überleg Dir mal, was gewesen wäre, wenn anstelle des Autos eine Frau mit einem Kinderwagen dort gestanden hätte. - Da hat man dann vielleicht einen Schaden, den kann man nicht mehr reparieren. Noch bin ich ja fit, aber ich kann mit 91 Jahren schon nächste Woche Ausfälle haben, und das riskiere ich nicht!"
Natürlich war es auch für Rudolf Großmann gar nicht so einfach, sich von seinem geliebten Führerschein zu trennen. Auch er gibt mit dieser Entscheidung einen Teil seiner Mobilität auf, und irgendwie hat ja auch der Führerschein etwas damit zu tun, dass man ein selbstbestimmtes Leben führt. Nun setzt er auf seine Familienangehörigen und die vielen Bekannten, wenn es gilt, von A nach B zu kommen.
Am Freitagvormittag unterschrieb Rudolf Großmann im Landratsamt Lichtenfels in der Amtsstube von Beate Völker die Verzichtserklärung. Mit dem Ungültigkeitsstempel wurde das Dokument offiziell entwertet. Den alten Führerschein durfte der rüstige Rentner mit nach Hause nehmen. Den will er sich einrahmen lassen - als Erinnerung an einen weisen Entschluss.
Auf große Zustimmung stieß der Entschluss von Rudolf Großmann sowohl beim Leiter der Polizei-Inspektion Lichtenfels, Willibert Lankes, als auch bei Harald Weis, dem Sachgebietsleiter für das Verkehrswesen am Landratsamt Lichtenfels, zumal beide Stellen den Sinn und den Nutzen einer solchen Entscheidung mit interessantem Zahlenmaterial belegen können (siehe Artikel unten).