Druckartikel: Dem Benzinpreis einfach davonfahren

Dem Benzinpreis einfach davonfahren


Autor: Tobias Kindermann

Bad Staffelstein, Freitag, 26. Juli 2013

Kollege Tobias Kindermann pendelt mit dem Rad von Bamberg nach Bad Staffelstein. Nach vier Jahren macht er seine Abrechnung mit den Mineralölkonzernen.


Das wäre kein gutes Geschäft. "Rechne mal mit 300 bis 500 Euro für Dein Rad, mehr gibt es nicht", sagt Dieter, mein Radhändler und -mechaniker. Ich lege den Hörer auf und überschlage: Das sind nur 20 Prozent Restwert des einstigen Kaufpreises von rund 2500 Euro. Aber gut, nicht jedes Fahrrad hat nach vier Jahren über 50 000 Kilometer auf dem Tacho stehen. Da hilft nur eines: Weiterfahren.

Doch halt: Hätte ich einen VW Golf für 18 000 Euro angeschafft, sähe es noch schlechter aus. Nach der selben Nutzungsdauer würde der Kompaktwagen mit dem kleinsten Benziner und der Laufleistung bei einem Verkauf zwar rund 55 Prozent Restwert vom ursprünglichen Kaufpreis bringen, also rund 10 000 Euro. In der Endabrechnung bin ich ihm trotzdem davongefahren. Uneinholbar.

Ohne das warme Frühjahr 2009 wäre diese Geschichte wohl nie geschrieben worden.

Der Körper zeigte sich nach vielen Jahren Büroarbeit ohne sportlichen Ausgleich in schlechter Verfassung. Es musste etwas geschehen.

Eine neue Welt

Große Klappe, große Pläne: Ich fahr künftig mit dem Rad zur Arbeit, beschloss ich. Und sagte es allen so laut, dass ich so etwas unter Erfolgsdruck geriet. Wenig später blätterte ich in einem Katalog: "Das ist Dein Rad", meinte Dieter und ich nickte. Doch was sei mit einem Ständer, fragte ich leise. "An so ein Rad montiere ich keinen Ständer." Mir dämmerte, dass ich eine neue Welt kennenlernen würde.

Dabei ging es nicht um die Kondition. Die kam erstaunlich schnell. Oder das Gewicht. Acht Kilo waren nach einigen Wochen weg - und dabei ist es bis heute geblieben.

Das eigentliche Thema ist: Wer täglich mit dem Rad pendelt, ist immer auf der Suche nach noch besserer Ausrüstung, nach noch standfesteren Teilen. Denn man muss bei jedem Wetter zuverlässig ankommen - und das möglichst trocken. Da ist man auch nach vier Jahren noch nicht am Ziel.

Wer denkt, ein Mittelklasse-Tourenrad und Kleidung vom Discounter reichen, um eine Wegstrecke von 27 Kilometern einfach zu bewältigen, täuscht sich. Radfahren kann verdammt teuer sein. Auf den ersten Blick. Dafür bleibt man gelassen, wenn die Preistafel an der Tankstelle neue Rekordhöhen anzeigt.

Wenn man vorwärts kommen will, bleibt einem kaum eine andere Wahl als ein Rennrad. Damit pendelt sich - je nach Wetter - die Fahrzeit zwischen Bamberg und Bad Staffelstein auf etwa eine Stunde ein. Es können auch schon mal eineinhalb Stunden werden. Im Winter, bei Gegenwind, mit Spikereifen.

Diese schlanken Räder sind um ein vielfaches robuster, als es auf den ersten Blick erscheint. Profis legen darauf rund 30 000 Kilometer im Jahr zurück - ohne dass an jeder Ecke eine Generalüberholung ansteht.
Trotzdem, es kommt einiges zusammen, wenn man die Verschleißteile und die Rücklagen für die Erneuerung abgenutzter Technik addiert.

Was braucht am am häufigsten? Nach vier Jahren auf der Straße im verschleißintensiven Ganzjahresbetrieb sagt die Statistik: Rund 4000 Kilometer hält eine Kette, dann folgen Bremsbeläge (6000 km), Ritzelpaket hinten (8000 km), Hinterreifen (10 000 km), Vorderreifen (20 000 km), vordere Kettenblättern und Tretlager (20 000 bis 30 000 km). Auch Bremshebel mit Schaltung, Sattel und hinteres Schaltwerk haben nicht das ewige Leben.

Nach 40 000 Kilometern war ein Austausch fällig. Drei bis vier Schläuche, zwei Packungen Flickzeug lassen ebenfalls über das Jahr hinweg ihr Leben. Dazu kommt der Verschleiß an den Laufrädern. Nach rund 30 000 Kilometern zeigen die Felgen an den Bremsflanken so starke Spuren, dass ein Austausch ratsam ist. Dafür kann man 200 Euro ansetzen. Für den Winter empfiehlt sich ein zweiter Laufradsatz mit Spikereifen - der liegt bei etwa 430 Euro, da man aber den (meist höherwertigeren) Sommer-Laufradsatz schont, ändern sich die Gesamtkosten nicht.

Bei meinen 12 000 Kilometer pro Jahr im Fahrradsattel ergibt sich so schnell eine Summe von 800 Euro. Dafür ist das Rad dann immer in einem sehr guten Zustand, so dass der Wertverlust nicht als Maßstab gelten kann. Acht Jahre und rund 100 000 Kilometer möchte ich meinem Rad zumuten - dann wird ein neues gekauft. Also kommen noch einmal 300 Euro im Jahr dazu, die man als Rücklage für den Kauf ansetzen muss.

Damit liegt man bei 10 Cent pro Kilometer. Zum Vergleich: Der Vernunft-Golf mit kleinem Motor und kleiner Ausstattung bewegt sich etwa bei 43 Cent. Das sieht doch schon gut aus - oder?

Aber halt, man fährt ja nicht nackt auf dem Rad: Radhose, Trikot, Unterhemd, Radschuhe, Socken, Jacke, Regenjacke, Überhosen, Neoprenüberzieher für die Schuhe, Helm und Handschuhe. Eine komplette Erstausrüstung verschlingt schnell 1000 Euro - und man braucht einige Teile doppelt. Häufig benutzte Sachen wie Hemden, Hosen und Schuhe liegen nach drei Jahren zum Ersatz an. 300 Euro investiert man in dem Bereich also im Jahr. Man darf also noch einmal drei Cent pro Kilometer allein hier ansetzen.

Was ich nicht verschweigen will: Mein Verbrauch an Helmen lag sicher über den Durchschnitt, vier Stürze - bei denen einer mit einem Zahnschaden schon sehr ärgerlich war. Die anderen drei Abgänge endeten ohne bleibende Schäden (hier mal schöne Grüße an die Station 9b im Bamberger Klinikum). Inzwischen besitze ich Helm Nummer 5 - und zusätzlich einen Winterhelm mit reduzierter Belüftung und mehr Platz für eine Mütze zum Unterziehen.

Motivation bei Gegenwind

Radfahren ist also gar nicht so günstig? Absolut gesehen nicht, aber relativ eben doch. Nur mit einer guten Ausrüstung kommt man ans Ziel, nur mit einem guten Rad vernünftig voran. Sonst landet das Zweirad schnell in der Ecke - und dann hat man gar nichts gespart - im Gegenteil. Wenn es kalt ist, windig und der Regen ins Gesicht peitscht, motiviert einen die Hochrechnung schon: 300 Euro bringt es einem im Monat, Rad statt Golf zu fahren. Ja, in dieser Rechnung fehlen natürlich die Zinsen für die höhere Kapitalbindung beim Autokauf, aber wir wollen nicht übertreiben. Gut, man benötigt am Tag 80 Minuten mehr Zeit, dafür kann der Gang ins Sportstudio entfallen.

Und was ist es nun für ein Gefühl, an den Tankstellen vorbeizufahren? Die Benzinpreise nimmt man kaum wahr. Da zu Hause inzwischen auch alle Rad fahren, steht beim Familienbus oft nur noch alle zwei Monate der Besuch an der Zapfsäule an. Trotzdem sind Tankstellen auch für Radfahrer wichtig, denn dort sind freundliche Menschen, die einem den Schlüssel zur Toilette geben, damit man die ölverschmierten Hände nach einer Reparatur waschen kann. Und ein Feierabendbier von dort nimmt man auch gerne einmal mit.

Das trinkt man dann aber, wie die Autofahrer, erst zu Hause. Dahin hat mich mein Fahrrad immer zuverlässig getragen. Wegen eines technischen Defektes musste ich mich in den vier Jahren nur einmal aufsammeln lassen.
Eine große Glasscherbe hatte auf der Heimfahrt kurz vor Breitengüßbach im Dunkeln den Hinterreifen aufgeschlitzt.