Druckartikel: "Das hätte Baur nie zugelassen"

"Das hätte Baur nie zugelassen"


Autor: Ramona Popp

Burgkunstadt, Donnerstag, 05. Februar 2015

Wolf Streifeneder kritisiert als Patenkind des Burgkunstadter Ehrenbürgers Friedrich Baur die Zerschlagung des von diesem gegründeten Unternehmens und die Missachtung des Testaments der Eheleute. Sein Büchlein mit dem Titel "Die Zerschlagung" ist eben erschienen.
Wolf Streifeneder ist ein Verwandter des Unternehmer-Ehepaares Kathi und Friedrich Baur. Er lebt in München, hat aber den Kontakt in die Region am Obermain nie abreißen lassen.  Foto: Anita Eichholz


Die Darstellung des letzten Willens ist für ihn unverzichtbarer Bestandteil einer Biografie. Wenn es dabei um Friedrich Baur geht, der sein Taufpate war, und jemand diesen Aspekt aus dem Manuskript entfernen lässt, dann ist das für Wolf Streifeneder schlicht ein Skandal. Dies sei auf Veranlassung des Vorsitzenden des Kuratoriums des Friedrich-Baur-Stiftung, Georg von Waldenfels, und des Geschäftsführers der Stiftung, Bernhard Betz, geschehen. Die Baur-Biografie des Literaturprofessors Ralf Czapla, die heuer erscheinen soll, wird entsprechende Absätze nicht enthalten.
Das Testament der Eheleute Baur spiegelt aber deren soziale Grundeinstellung wider, die noch heute in der Region unvergessen ist. Sogar die Art der Entlohnung ihrer Angestellten - eine äußerst großzügige nämlich - legte das Ehepaar in seinem Testament fest. Befolgt wurde diese Vorgabe laut Wolf Streifeneder nicht.

In seinem Büchlein zitiert er aus einem Nachtrag, den Kathi Baur 1977 zu dem 20 Jahre zuvor gemeinsam mit ihrem Mann erstellten Testament notariell hinterlegte. Nachdem das Versandgeschäft nämlich außerordentlich stark gewachsen war, hielt sie es für geboten, für die an den Umsatz gekoppelte Vergütung der Testamentsvollstrecker einen Höchstbetrag festzulegen. Diesen bezifferte sie auf 60 000 D-Mark, "mit Wertanpassung nach dem Lebenshaltungsindex". Zu Testamentsvollstreckern waren zwei Juristen, ein Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer sowie der jeweilige Bayerische Ministerpräsident bestimmt worden.

Spannende Einblicke

Als 1994 der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber seinen Verzicht auf diese Vergütung erklärte und dabei eine Summe von 300 000 Euro im Jahr angab, wurde offenkundig, dass bis dahin also der letzte Wille des Ehepaares Baur missachtet worden war. Alle vier Testamentsvollstrecker hätten demnach jeweils über das Dreifache des ihnen eigentlich zustehenden Betrages erhalten, stellt Wolf Streifeneder in seiner Veröffentlichung fest. Phasenweise spannend wie in einem Krimi legt er dar, wie mit Kathi Baurs Testament umgegangen wurde und wer damit zu tun hatte. Detailwissen gibt er auch preis über den Einstieg des Otto-Versandes 1995 (nach Ende der auf 30 Jahre festgelegten Testamentsvollstreckung). Demnach wurden mehrere Mitglieder des Aufsichtsrates bei dieser Entscheidung umgangen. Der frühere Geschäftsführer bezweifelt es, dass dieser Schritt wirtschaftlich geboten war. Doch die Identität des Baur-Versandes sei schon vorher aufgegeben worden, anstelle sie weiterzuentwickeln. Auch das in der Folge entstandene, juristisch abgesicherte Firmengeflecht aus einer Vielzahl verschiedener Gesellschaften mit beschränkter Haftung, entspricht nach Streifeneders Überzeugung mitnichten dem Vermächtnis Friedrich Baurs, der eine Zerschlagung seines Unternehmens nie zugelassen hätte.
Schließlich geht der Autor auf die aktuelle Entwicklung bei Otto ein, die, wie Wirtschaftsmagazine berichten, nicht glänzend ist. Sein Fazit lautet: "Hier wurde ein florierendes mittelständisches Unternehmen durch fragwürdige Transaktionen zerschlagen und zugrunde gerichtet."

"Persönliche Meinung des Autors"

Seitens der Stiftung sieht man das anders. Georg von Waldenfels spricht in einer Stellungnahme von der "persönlichen Meinung des Autors" und betont, wenn man bedenke, welches Ende Quelle genommen habe, erweise es sich als mehr als richtig, sich mit Otto zusammengetan zu haben. Beim jüngsten Jahresempfang habe sich gezeigt, wie gut Baur dasteht. Die vor langer Zeit im Landtag geführten Diskussionen wieder aufzuwärmen, entbehre jeglicher Aktualität. Aus von Waldenfels' Sicht ist das Thema Testament für die geplante Biographie Friedrich Baurs und dessen Schwester nicht relevant. Zu Unterredungen mit dem Verfasser äußerte er sich nicht.
Im Jubiläumsjahr, 90 Jahre nach der Firmengründung Baurs, also zwei unterschiedliche Veröffentlichungen über den Unternehmer. Streifeneder fühlt sich als Verwandter dem Ansehen der beiden Burgkunstadter Ehrenbürger verpflichtet. Ein Milliardenvermögen wie das der Familie Otto auf der einen Seite und Mitarbeiter in Teilbereichen mit einer Entlohnung jüngst noch unter Mindeslohnsatz auf der anderen - das steht für ihn im Gegensatz zu deren Maxime.


Zu Autor und Werk

Wolf Streifeneder (*1939 in Hochstadt am Main) ist ein Verwandter des Unternehmer-Ehepaars Baur. Friedrich Baur (1890-1965) war sein Taufpate, finanzierte sein Betriebswirtschaftsstudium und förderte ihn. Katharina "Kathi" Baur (1898-1984) war eine Cousine seiner Mutter.
Von 1967 bis 1970 war Streifeneder Assistent der Geschäftsführung bei Baur, 1976 wurde er in dem Versandhaus Geschäftsführer mit Verantwortung für EDV, Rechnungswesen und Werbung. Die für ihn zweifelhafte Art der Testamentsvollstreckung war 1986, zwei Jahre nach Kathi Baurs Tod, Grund für seinen Entschluss, aus dem Unternehmen auszuscheiden.

Veröffentlichung Die Zerschlagung - Das Unternehmen Friedrich Baur 1925 bis 2015; 48 Seiten;
ISBN 978-3-7375-2511-4
Epubli, Berlin, 2015, 10 €.