Lichtenfels: Darf ich Obst am Wegesrand pflücken?
Autor: Corinna Tübel
Lichtenfels, Dienstag, 29. Sept. 2020
Immer wieder wird im Landkreis Lichtenfels Obst von Streuobstwiesen gestohlen. Was erlaubt und was verboten ist.
Der Diebstahl von größeren Mengen an Früchten in der Region ist verbreitet. Ob "naschen" oder gar "ernten" erlaubt ist, erfährt man dagegen meist auf kurzen Kommunikationswegen.
Ein Apfel beim Spaziergang? Oder gleich ein paar mehr für einen Kuchen? Ein paar Fläschchen Apfelsaft zu pressen wäre aber auch schön... Doch was ist erlaubt? "Grundsätzlich gehört jeder Baum jemandem, und damit auch die Früchte", weiß Michael Stromer, Gartenkreisfachberater im Landkreis Lichtenfels. Auch Abpflücken "über dem Zaun" ist keine Lösung: Im Zivilrecht ist Obst immer Eigentum des Baum- oder Strauchbesitzers, auch wenn der Zweig, an dem die Frucht hängt, über die Grundstücksgrenze des Nachbarn ragt. Wenn man also größere Mengen ernten oder aufsammeln will, sollte man vorher den Besitzer fragen, sonst ist es Diebstahl.
"Mundraub" 1975 abgeschafft
"So ein Diebstahl kommt bei uns leider gar nicht so selten vor. Da wird dann auch schon mal Obst im Wert von 25 Euro in ein Auto im Wert von 25 000 Euro geladen und man wundert sich über die Dreistigkeit und Unverhältnismäßigkeit." Was früher als "Mundraub" betitelt wurde und weit verbreitet war, ist zwar ein 1975 abgeschaffter deutscher Straftatbestand, sein Wesen ist aber bis heute erhalten: "die Entwendung oder Unterschlagung von Nahrungs- und Genussmitteln in geringer Menge oder von unbedeutendem Wert zum alsbaldigen Verbrauch." Heute könnten sogar höhere Strafen für Diebstahl oder Unterschlagung veranschlagt werden. Doch der Obstbesitzer könne sich eigentlich nur wehren, wenn der Dieb auf frischer Tat ertappt werde, so Michael Stromer.
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"Gegen ,Naschen‘ hat vermutlich niemand etwas." Besser ist nachfragen, wem der betreffende Baum gehöre: Der Kreisfachberater empfiehlt in kleineren Ortschaften die Einwohner zu fragen. Sie wissen oft sehr gut, wem welcher Baum gehört. Entlang von Feld- und Flurwegen sind die Bäume auch gerne mal im Eigentum der Gemeinde. Auch dann sollte man dort nachfragen, ob die Bäume nicht "verstrichen" werden, also eventuell schon vergeben sind und gegen eine Gebühr beerntet werden können.
Aktion "Gelbes Band"
Doch viele Obstbaumbesitzer reagieren auch auf die Herausforderungen der Zeit - etwa dass jedes Jahr in der Erntesaison viele Kilo Obst auf Streuobstwiesen verrotten, weil sie nicht abgeerntet werden. Aus diesem Grund haben sich etwa der Kreisverband für Gartenbau und Landespflege und die Umweltstation des Landkreises Lichtenfels der Aktion "Gelbes Band" angeschlossen: Auch im Landkreis Lichtenfels kann jeder Besitzer die Bäume, die er selbst nicht beerntet, mit einem gelben Band oder einem Strick mit gelber Fahne markieren und so signalisieren, dass die Bäume von allen abgeerntet werden dürfen. Gleichzeitig dürfen aber die Früchte nicht markierter Bäume im Umkehrschluss auch nicht einfach "eingeheimst" werden.
Auch die Plattform www.mundraub.org als größte deutschsprachige Plattform ihrer Art bietet Informationen für alle, die heimisches Obst im öffentlichen Raum entdecken und die essbare Landschaft gemeinsam gestalten wollen. Fundorte miteinander zu teilen, gemeinsame Pflanz- und Ernteaktionen durchzuführen oder sich in regionalen Gruppen auszutauschen steht dabei im Vordergrund.
Auf einer Karte sind Standorte für zur Ernte freigegebene Obstbäume und -sträucher, Kräuter oder Nüsse verzeichnet. Existieren für die benachbarten Regionen Coburg, Sonnefeld oder Bamberg einige solcher Hinweise, wird für den Landkreis Lichtenfels lediglich auf zwei "Sammelstationen" für Bärlauch hingewiesen. Nicht immer sind die Informationen jahresaktuell, doch verändern Obstbäume ja meist selten ihren Standort.