Corona treibt seltsame Blüten in Gärtnereien im Landkreis Lichtenfels
Autor: Klaus Gagel
Lichtenfels, Mittwoch, 15. April 2020
Gärtnereien im Landkreis Lichtenfels haben es momentan nicht leicht. Warum Thüringen für manche der Rettungsanker ist.
Tausende Geschäfte und Händler in Europa haben zurzeit geschlossen - wegen des Coronavirus. Das trifft die Tulpenproduktion in den Niederlanden ebenso wie die Gärtnereien in unserem Landkreis. Ein Blick hinter die Kulissen der Fachbetriebe zeigt: Die Coronakrise treibt teilweise sehr merkwürdige Blüten.
"Wir kämpfen weiter!", meint entschlossen der Gärtnermeister Karl Nemmert von der gleichnamigen Gärtnerei in Michelau. Er kennt die Branche. Viele Jahre war er Innungsmeister. Er bewirtschaftet eine der großen Gärtnereien im Landkreis. Wie seine Mitbewerber hofft er, dass die Beschränkungen bald aufgehoben werden. Es geht um das Geschäft mit den Beet- und Balkonpflanzen. Nach den Eisheiligen wird es für die Gärtnereien schwierig. Dann ist das Hauptgeschäft gelaufen.
Die Verluste liegen bei den einzelnen Gärtnereien in unserer Region im vier- bis fünfstelligen Eurobereich. Um Millionenbeträge geht es dagegen für die Tulpenproduzenten in den Niederlanden. Dort vernichten große Gärtnereien mit einer Fläche von 20 000 bis 40 000 Quadratmetern zurzeit tonnenweise blühende Pflanzen aus der aktuellen Tulpenernte. Die Versteigerungen in Holland und am Niederrhein in Herongen (Deutschland) wurden geschlossen, weil dort die Bieter wie im Kino dicht an dicht nebeneinander sitzen. Dort werden an einem normalen Versteigerungstag zwischen zehn- und zwanzigtausend Container mit Pflanzen versteigert. Die Ware geht in alle Länder Europas.
Auch die Gärtnerei Nemmert gehört zu den Kunden. Diese Pflanzen fehlen nun natürlich im Ladengeschäft. Bei der Gärtnerei Nemmert bleibt der Blumenladen aktuell ohnehin geschlossen. Jeder Direktverkauf an die Kunden ist zurzeit verboten. Das ergeht den andern Gärtnern ebenso. Die "Notlösung", die Ware mit einer Kasse für den Geldeinwurf vor den Laden zu stellen, wurde durch eine Entscheidung des Landratsamtes verboten. Die Gärtnereien dürfen ihre Ware zwar ausliefern, aber nur mit Rechnung, so dass der Kunde das Geld dann überweisen muss. Der Aufwand rechnet sich aber bei einem kleinen Blumenstrauß nicht.
Einkaufsmärkte im Vorteil
Karl Nemmert würde hier keine Kritik üben, wenn es sich um eine einheitliche Lösung handeln würde. Die Verluste sind zwar schmerzlich, würden aber alle Beteiligten gleichermaßen treffen. Eigenartigerweise dürfen aber Einkaufsmärkte im Rahmen ihres Gesamtangebots Pflanzen und Blumen verkaufen, obwohl dort oft auch eine Floristin beschäftigt ist, die die Sträuße dem Kundenwunsch entsprechend bindet. Das gleiche gilt auch für die Ackerflächen im Landkreis. Unter dem Motto "Blumen selber schneiden" kann sich der Kunde dort bedienen. Das Geld wirft er in die bereitgestellte Kasse.
Die Entscheidungskompetenz liegt hier bei den einzelnen Landratsämtern und fällt regional sehr unterschiedlich aus. In Wunsiedel dürfen die Gärtner verkaufen, in Marktredwitz und Hof nicht. Enttäuscht zeigt sich Karl Nemmert in diesem Zusammenhang vom Verband, dass dieser nichts Entscheidendes gegen diese ungleiche Regelung unternommen hat.
Etliche Betriebe werden auf der Strecke bleiben, vermutet er. Skeptisch ist er auch, was die zugesagten Soforthilfen des Bundes angeht. Er befürchtet, dass es hier zu Betrügereien kommt, dass die Antragstellung und die Auszahlung sehr schleppend vor sich gehen werden. Die Soforthilfe von 5000 Euro reicht in vielen Fällen nicht einmal, um die Löhne zu bezahlen. Für große Betriebe mit vielen Beschäftigten ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.